Frauenkarrieren: zwischen Ambition und Resignation
2018 führten wir am Lehrstuhl für Personal und Organisation der Hochschule Augsburg zusammen mit Boris Gloger Consulting eine Befragung von Best Agers durch, an der 534 Fach- und Führungskräfte teilnahmen. Ziel der Studie war es, Arbeitssituation, berufliche Perspektiven, Ziele sowie Gesundheitszustand von erfahrenen Fach- und Führungskräften zu erfassen. 75 Prozent der Teilnehmer waren mindestens 40 Jahre alt oder älter, 64 Prozent hatten aktuell Führungsverantwortung. Durch die Kooperation mit Frauennetzwerken konnte ein Frauenanteil von 44 Prozent erreicht werden, was natürlich nicht repräsentativ für Führungsebenen ist.
Die Karriereleiter von Frauen endet früher
Bei der Analyse der Ergebnisse fiel zunächst auf: Die Frauen haben signifikant niedrigere hierarchische Ebenen erreicht und sind zu 27 Prozent in Fachpositionen tätig (Männer: elf Prozent). Sie haben auch signifikant weniger Direct Reports, die an sie berichten, als ihre männlichen Kollegen. Jedoch sind die weiblichen Teilnehmer im Durchschnitt statistisch signifikant älter, was deshalb wichtig ist, weil die beobachteten Unterschiede sich nicht damit erklären lassen, dass gut qualifizierte Frauen erst „von unten“ nachwachsen müssten.
Gleiche Karriereambitionen ...
Die befragten weiblichen und männlichen Manager unterscheiden sich in ihren beruflichen Zielen nicht, weder quantitativ noch qualitativ. Bei allen steht ein weiterer Aufstieg an erster Stelle (30 Prozent der Frauen, 27 Prozent der Männer), gefolgt von Wissensweitergabe, mehr Freiraum und Verantwortung und Übernahme einer Mentorenfunktion. Jede/r Vierte kann sich einen Unternehmenswechsel vorstellen.
Das Fazit ist klar: Beruflich erfolgreiche Männer und Frauen im Management sind gleich karriereorientiert. Und beide messen der Arbeit einen hohen Stellenwert in ihrem Leben bei. (Dies wird wohl nicht für die Gesamtbevölkerung gelten.)
... aber unterschiedliche Realisierungschancen
Die Tücke ist jedoch: Ein ganz anderes Bild ergibt sich, wenn nach den Realisierungschancen der jeweiligen beruflichen Ziele gefragt wird, hier sehen sich die Frauen deutlich im Hintertreffen (siehe Infografik). Lediglich bei Wechseln (Funktionsgebiet, Standort, Unternehmen) sowie bei der Übernahme zusätzlicher Projekte ergeben sich keine statistisch signifikanten Geschlechterdifferenzen. Viele Frauen wollen also den beruflichen Erfolg und Aufstieg – aber Mann muss sie auch lassen. Unternehmen und HR-Bereiche sind gefordert, weiblichen Fach- und Führungskräften dieselben Chancen zu geben und Erfolge auch glaubwürdig zu kommunizieren. Denn wenn Frauen bei sich und anderen wahrnehmen, dass sie trotz gleicher Qualifikation weniger erreichen, dann drohen Frustrationen und eine resignative Absenkung der eigenen Anstrengungen.
Frustration bei den Frauen
Beide Geschlechter sehen ihre Tätigkeit und den bestehenden Freiraum positiv, kritischer beurteilen sie das Einkommen, die weiteren beruflichen Perspektiven und die Wertschätzung der eigenen Arbeitsleistung. Auffällig ist aber vor allem: Durchgehend sind die Frauen weniger zufrieden als die Männer (siehe Übersicht unten). Der Verzicht auf Karriere ist offenbar für sie keine sinnvolle Lösung. Der Verbleib im unteren Management oder in einer Fachposition ist erkauft mit geringerer Arbeitszufriedenheit. Und dies trifft nicht nur auf die Zufriedenheit mit dem Gehalt, sondern auch auf den Freiraum, die Tätigkeit, die beruflichen Perspektiven, die Wertschätzung und die Arbeitszufriedenheit insgesamt zu. Nicht aufzusteigen macht diese Gruppe unzufrieden. Die höchsten Zufriedenheitswerte erreichen in allen Dimensionen die oberen Führungskräfte, gefolgt vom Mittelmanagement. Zumindest für beruflich ambitionierte Menschen ist es folglich keine empfehlenswerte Option, auf einer Fachposition zu verbleiben und sich dem Karrierewettbewerb zu verweigern.
Arbeitszufriedenheit im Geschlechtervergleich
Zufriedenheit mit ... | Frauen | Männer |
... Tätigkeit | 4,8 | 4,9 |
... Freiraum | 4,8 | 5,0 |
... Einkommen | 4,1 | 4,5 |
... berufl. Perspektiven | 3,8 | 4,1 |
... Wertschätzung | 3,9 | 4,2 |
Arbeitszufriedenheit insgesamt | 4,3 | 4,5 |
Skala: 1 = nicht zufrieden; 6 = sehr zufrieden
Sind Frauen weniger leistungsbereit?
Wenig überraschend ist, dass Teilzeit bei Fach- und Führungskräften gering ausgeprägt und vornehmlich weiblich ist: 19 Prozent Managerinnen mit Arbeitszeiten von weniger als 35 Stunden pro Woche stehen gerade einmal drei Prozent Männer gegenüber. Doch im mittleren und oberen Management unterscheiden sich die Geschlechter in ihren Arbeitszeiten nicht. Im Top-Management arbeitet jede/r Zweite regelmäßig 50 Stunden und mehr pro Woche, im mittleren Management hat noch jede/r Dritte eine ähnlich hohe Arbeitszeitbelastung. Das heißt, wenn Frauen es ins Management schaffen (wollen), dann müssen sie genauso wie die Männer zu hohen zeitlichen Investments bereit sein.
Weibliche Fach- und Führungskräfte arbeiten im Übrigen gleich häufig am Abend, am Wochenende und im Homeoffice, lediglich beim mobilen, ortsunabhängigen Arbeiten liegen die Werte bei den Männern noch signifikant höher.
Gewünscht ist die hohe Arbeitszeitbelastung nicht, weder von Jüngeren noch von Älteren, weder von Frauen noch von Männern. Im mittleren und oberen Management ist man zwar meistens zu Überstunden bereit, doch auch hier liegt die Schmerzgrenze bei 50 Wochenstunden. Dabei gibt es aber doch einige auffallende Geschlechterunterschiede: Jede dritte Frau hätte gerne eine Teilzeitposition – sei es, weil die Work-Life-Balance höher gewichtet wird, oder weil das weitere Vorankommen als weniger wahrscheinlich gilt (siehe oben) und als Folge der Arbeitsinsatz reduziert wird.
Fazit
Nur jede zehnte Managerin und jeder siebte Manager möchte künftig eine Arbeitszeit von mehr als 50 Stunden. Arbeitgeber sollten deshalb Wünsche nach familienfreundlicheren Arbeitszeiten nicht nur als spleenige Idee des Nachwuchses ansehen, die sich im Berufsalltag, spätestens nach einer Beförderung, schon legen wird. Auch Führungskräfte lehnen die ausschließliche Ausrichtung am Beruf zunehmend ab.
Den vollständigen Studienbericht finden Sie unter https://doi.org/10.23779/0005
Dieser Artikel wurde im Personalmagazin, Ausgabe 4/2019, veröffentlicht.
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