Studie des Ethikbeirats zu Technologieeinsatz in HR

Der technische Fortschritt der Personalarbeit ist unaufhaltsam: Rund ein Drittel der HR-Abteilungen hat bereits digitale Technologien im Einsatz oder plant dies demnächst. Während Personalerinnen und Personaler darin großes Potenzial für Verbesserungen der Personalarbeit sehen, stehen Arbeitnehmervertreter dem deutlich kritischer gegenüber. Das zeigt der zweite Teil einer gemeinsamen Studie des Ethikbeirats HR Tech und des Bundesverbands der Personalmanager, in der über 700 Betriebsratsmitglieder befragt wurden.

"Zwischen Angst und Aufbruch – Moderne Technologien und KI im HR-Management", so lautet der Titel einer aktuellen Studie des Bundesverbands der Personalmanager (BPM) und des Ethikbeirats HR Tech. Die Studie hat in einem ersten Teil untersucht, wie Personalerinnen und Personaler den technischen Wandel in den Personalabteilungen einschätzen und nun liegen die Ergebnisse des zweiten Teils der Studie vor, in dem rund 700 Arbeitnehmervertreter zum gleichen Thema befragt wurden. Die Sichtweisen der beiden Befragungsgruppen unterscheiden sich deutlich.

Betriebsräte oft nicht involviert

In der Einschätzung, wie weit verbreitet HR-Software in den Personalabteilungen bereits ist, liegen die Arbeitnehmervertreter nicht weit von den Personalerinnen und Personalern entfernt. Allerdings sind sich die Betriebsratsmitglieder weit weniger bewusst, in welchem Umfang neue IT bereits getestet und pilotiert wird. Das legt nahe, dass die Arbeitnehmervertreter vielfach in der Pilotierungs- und ersten Testphase noch nicht informiert darüber werden, wenn die Anschaffung neuer Software geplant ist. Dazu passt, dass die Arbeitnehmervertreter weniger gut über die Funktionsweise moderner HR-Technologien aufgeklärt sind als die HR-Managerinnen und -manager. Die Studie kommt auch hier zu dem Schluss, dass sich dies auf die mangelnde Einbeziehung der Betriebsräte zurückführen lässt. Dr. Elke Eller, Co-Chair des Ethikbeirats HR-Tech, empfiehlt, den Schulterschluss mit den Betriebsräten zu suchen. "HR-Verantwortliche tragen die Verantwortung für HR-Entscheidungen und -Prozesse – egal ob sie offline, digital oder mit Hilfe KI-basierter Technologien ablaufen. Die Einbeziehung der Mitbestimmungsseite birgt sicherlich Herausforderungen, ist aber alternativlos und wird letztlich zum Erfolg führen."

Arbeitnehmervertreter bei KI-gestützter Software skeptisch

Vor allem bei Software, deren Algorithmen auf künstlicher Intelligenz basieren, sind die Betriebsräte viel vorsichtiger als die Personaler. 86 Prozent der befragten Arbeitnehmervertreter sind der Meinung, dass es für den Einsatz von KI-Software verbindlicher gesetzlicher Regelungen bedarf. 80 Prozent denken, dass es für den Einsatz von KI-gestützten Anwendungen in der Personalarbeit Richtlinien braucht, die verbindlich definiert und am besten in einer Betriebsvereinbarung festgelegt werden sollten. Die Personaler hatten bei diesem Thema einen weitaus niedrigeren Regelungsbedarf.

Richtlinien des Ethikbeirats HR-Tech oft nicht bekannt

Während der erste Teil der Studie die Relevanz der durch den Ethikbeirat HR Tech im Jahr 2020 veröffentlichten Richtlinien für den verantwortungsbewussten Einsatz von KI und modernen Technologien für die HR-Professionals untermauert hatte, kam die Befragung der Betriebsräte hier zu einem ganz anderen Resultat. Kein befragter Betriebsrat wusste zu berichten, dass diese Richtlinien in seinem Unternehmen eingesetzt werden, nur vier Prozent stuften die Richtlinien des Ethikbeirats als "bekannt" ein und weitere 22 Prozent gaben an, davon "schon mal gehört" zu haben.

Schon deutlich bekannter waren den Betriebsräten das Weißbuch der EU-Kommission (von dem 43 Prozent zumindest schon mal gehört hatten) und die KI-Strategie der Bundesregierung (46 Prozent).

Den größten Bekanntheitsgrad haben bei den Arbeitnehmervertretern jedoch die Ethische Leitlinien für die Entwicklung und den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) von ver.di. Hier waren es mit 49 Prozent knapp die Hälfte der Befragten, welche die Existenz der ver.di-Leitlinien bereits wahrgenommen haben.

Wer stellt Einhaltung vorhandener KI-Grundsätze sicher?

Einen speziellen HR-IT-Beauftragten, der darauf achtet, dass KI-gestützte Personalsoftware vorhandene Grundsätzen nicht verletzt oder missachtet, haben nur vier Prozent der Unternehmen, die in die Befragung einbezogen waren. In 44 Prozent der Betriebe obliegt diese Aufgabe dem Datenschutzbeauftragten, in 38 Prozent der Unternehmen gibt es keinerlei Kontrollinstanz. Nur magere weitere vier Prozent haben das Thema bei ihrem Ethik-Beauftragten platziert.

Sieht man sich an, in welchem Ausmaß Betriebsräte bei KI-Software nach verbindlichen Regelungen rufen und in welch geringem Maße in der Praxis eine betriebliche Kontrolle des Einsatzes KI-gestützter Anwendungen stattfindet, wird klar, dass hier ein hohes Unzufriedenheitspotenzial auf Seiten der Arbeitnehmervertreter vorhanden ist. "Die Digitalisierung ist in den Unternehmen und hier insbesondere in HR angekommen. Doch die Zeit, die damit verbundenen praktischen und ethischen Herausforderungen breiter zu diskutieren und die Nutzung der Technologien verantwortungsvoll zu gestalten, wird immer knapper. Arbeitnehmervertreter wie auch Personalerinnen und Personaler spüren aber sehr wohl noch die Kluft zwischen diesem Gestaltungsanspruch einerseits und elementarer Bildung und Handlungswissen andererseits", resümiert Prof. Dr. Martin Kersting, Professor für psychologische Diagnostik an der Justus-Liebig-Universität Gießen und Mitglied des Ethikbeirats HR-Tech.

Grundsätze des Ethikbeirats stoßen auf Zustimmung, werden aber noch nicht gelebt

Insgesamt erzielen in der Studie alle zehn Richtlinien des Ethikbeirats bei den Betriebsräten – ähnlich wie schon bei den Personalern - eine hohe Zustimmung. Als besonders relevant (84 Prozent Zustimmung) bewerten die Arbeitnehmervertreter die Forderung, dass die letzte Entscheidungsbefugnis für die Nutzung beziehungsweise den Einsatz einer Technologie einer natürlichen Person obliegt und nicht ein Algorithmus allein entscheidet sowie den Grundsatz, dass nur zweckdienliche Daten überhaupt erhoben werden (ebenfalls 84 Prozent Zustimmung). Die hohe Zustimmung aller Beteiligten im Betrieb führt jedoch nicht dazu, dass diese Grundsätze in den Unternehmen auch beachtet werden. Dass die letzte Entscheidungsbefugnis einer natürlichen Person obliegen muss, wird nur in 25 Prozent der Unternehmen auch so praktiziert und auf den Grundsatz, dass nur zweckdienliche Daten erhoben werden sollen, wird nur in 17 Prozent der Unternehmen geachtet.

Zur Studie "Moderne Technologien und KI im HR-Management"

Die aktuelle Studie von BPM und Ethikbeirat HR-Tech unter dem Titel "Zwischen Angst und Aufbruch – Moderne Technologien und KI im HR-Management" stützt sich auf einen umfassenden Online-Fragebogen, den mehr als 300 Entscheiderinnen und Entscheider sowie Expertinnen und Experten aus dem HR-Management sowie rund 700 Arbeitnehmervertreterinnen und Arbeitnehmervertreter beantwortet haben. Die Analyse wird wissenschaftlich betreut durch Professor Martin Kersting. Eine Zusammenfassung der Studienergebnisse kann formlos per E-Mail bestellt werden, unter: info@hkp.com.


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