So bleibt die Betriebsgastronomie attraktiv

Die Kantine bleibt sozialer Treffpunkt. Doch zwei Jahre Pandemie haben die Betriebsgastronomie verändert. Absatzzahlen wie Ende 2019 wird sie nicht mehr erreichen. Homeoffice bleibt, Essen to go auch. Die tägliche Kalkulation wird schwieriger. Das Personalmagazin hat mit Betriebsleitern und Köchen von fünf Unternehmen gesprochen.

Betriebsleitern und Köchen von Unternehmen, die bei Kantinentests regelmäßig gute Noten erhalten, wurden unter anderem die folgenden Fragen gestellt: Was haben Sie getan, um die Gäste zu halten? Ist die Kantine noch Mehrwert? Und wie locken Sie frühere Stammgäste aus dem Homeoffice? Lesen Sie hier ihre Antworten.

WMF: Essen to go und Rehragout in der Dose 

Markus Jüngert, Chef der Betriebsgastronomie bei WMF, kocht mittlerweile wieder mehr als 600 Essen täglich. Als Caterer versorgt die Küche auch Kitas und Schulen.

"Während der Pandemie haben wir unsere drei bis vier Linien mit unterschiedlichen Angeboten beibehalten. Wir haben rasch auf Mehrweggeschirr gegen Pfand umgestellt und 'Essen to go' angeboten. Ein Kollege hatte die Idee: 'Wir füllen unser Essen in Dosen ab!' Das Essen wurde gekocht, abgefüllt und vom Hausmetzger, der über die entsprechenden Maschinen und die notwendige Erfahrung verfügt, nochmal erhitzt. Die Mitarbeitenden, die zu Hause arbeiteten, kamen im Idealfall Anfang der Woche vorbei und deckten sich für die Woche ein. Für uns ist das bis heute ein finanzielles Zubrot. Seit 2020 haben wir bis zu 4.000 Dosen verkauft. Gulasch, Linsen, Saure Kutteln, Rehragout, Bärlauchpesto, Currywurst … Wer Campingurlaub macht, versorgt sich bei uns. Wir sind Bio- und DGE-zertifiziert, nachhaltig kochen wir schon seit zehn Jahren. 

Seit 2018 bieten wir auch über Food-Automaten Essen an, beispielsweise auch selbst gemachten Joghurt oder selbst gemachten Schokopudding. Das hat sich in der Pandemie bewährt und löst auch das Problem mit der Überproduktion: Wenn Sie vier Linien kochen, bleibt immer etwas übrig. Durch die Automaten schaffen wir ein Angebot für alle, die üblicherweise nicht in die Kantine wollen – und reduzieren unsere Überproduktion so praktisch auf null.

Viele Beschäftigte kommen auch aus dem Homeoffice nur zum Essen zu uns. Ostern und Pfingsten bieten wir ganz neu Drei-Gänge-Menüs an, dieses Jahr Kalbshaxe. Da Lieferservice nicht möglich war, haben viele auch längere Anfahrtswege in Kauf genommen."

Siemens Healthineers: Koch-Boxen mit Event-Charakter stärken den Zusammenhalt

Jochen Wahl verantwortet mit rund 140 Mitarbeitenden an vier Standorten die ­Betriebsgastronomie von Siemens Healthineers. Die Küche verköstigt alleine am ­Standort Forchheim etwa 3.600 Beschäftigte.

"Wir haben in der Pandemie sehr viel Geld investiert und konsequent auf Mehrweggeschirr gesetzt, auch an der Kaffeebar. Unseren Speiseplan haben wir reduziert und den Beschäftigten ausgewogene Mahlzeiten, im Glas eingemacht, zum 'Eat at home' angeboten. Wir haben Koch-Boxen mit Event-Charakter konzipiert, etwa ein Valentins-Menü inklusive Anleitung per Video, das wir selbst gedreht hatten. 

Zu Weihnachten gab es eine Christmas Box mit selbst gebackenen Plätzchen, Lebkuchen und Stollen, die als Trost für die ausgefallene Weihnachtsfeier allen Beschäftigten nach Hause geliefert wurde. Dieses Zeichen der Wertschätzung gegenüber unseren Mitarbeitenden hatte auch einen praktischen Nutzen: Wir konnten unsere Küchen- und Service-Crew beschäftigen.

Die klassische Mittagsverpflegung hat sich durch die Pandemie gewandelt. Wir bringen die Verpflegung inzwischen per Self-Checkout-System in die Abteilungen: Es gibt einen Marketplace mit einer Kaffeemaschine mit Barista-Niveau und Kühlschränken mit fertig gekochten Gerichten. Auch der Zusammenhalt im Team ist in dieser Zeit gestärkt worden – trotz aller Schwierigkeiten hat man gemerkt: Die Mannschaft funktioniert. Ich bin überzeugt, dass die Kantine einen gewissen Wert hinsichtlich der Mitarbeiterbindung darstellt. Ich kenne auch viele Ehemalige, die sagen: 'Ich habe vieles nicht vermisst, seit ich in Rente bin, aber die Kantine, die vermisse ich!'."

Vector Informatik: Abholangebote für "Kantine at home"

Sebastian Finkbeiner ist Koch und Betriebswirt in der "CANtine", einer Tochterfirma des Fünf-Sterne-Hotels Traube Tonbach in Baiersbronn/Schwarzwald, die sich auf hochwertige Betriebsgastronomie spezialisiert hat. Vor der Pandemie kochten die Traube-­Köche täglich 1.600 Essen für die Vector-Informatik GmbH, mittlerweile sind es etwa 600. 

"Vector hat zu Beginn der Pandemie alle 2.300 Mitarbeitenden ins Homeoffice geschickt. Uns wurde zugesichert, dass es für das Küchen- und Servicepersonal keine betriebsbedingten Entlassungen geben wird. Unser Motto lautete dann 'Kantine at home'. Die Beschäftigten konnten Mahlzeiten für sich und ihre Familien für zu Hause abholen. Unser Mehrweggeschirr kann man kaufen oder gegen Pfand leihen. Durch regelmäßige Newsletter haben wir den Kontakt gehalten und über Social Media viele Rückmeldungen erhalten, in denen es hieß: 'Wir freuen uns, wenn wir wieder in die Kantine können.'

Die größte Aktion gab es zu Weihnachten 2020: Es gab ein klassisches Menü mit Ente im Hauptgang und als Alternative ein veganes Menü, jeweils für bis zu vier Personen. Das konnte im Intranet vorbestellt werden. Wir haben in Baiersbronn produziert. Am Abend kam ein Lkw und holte 20 Paletten ab. Das Menü wurde an Vector-Mitarbeitende im gesamten deutschsprachigen Raum geliefert. Und wir haben eine Videoanleitung und Weihnachtsgrüße aus dem Schwarzwald verschickt. Das kam super an. Es war eine wirklich spannende Aktion, die auch den Beschäftigten gutgetan hat."

WAGO: Die heimische Mittagspause wird nachgekocht

Astrid Burschel ist als Vice President Environment, Health und Safety (EHS) und CSR Manager International verantwortlich für die Verpflegung bei der Wago GmbH & Co. KG. In Kooperation mit der Genuss & Harmonie Gastronomie GmbH wurden vor der Pandemie täglich rund 700 Essen ausgegeben, im Frühjahr 2022 waren es täglich 300.

"Es gab während der Pandemie zwei Entwicklungen: Zum einen hat sich das vegane und vegetarische Angebot etabliert. Und zum anderen haben wir auf Verpackungen aus nachhaltigem Material umgestellt, auch wenn wir coronabedingt vorübergehend teils auf Wegwerfverpackungen umschwenken mussten. Unser Essen-to-go-Angebot füllen wir in Einweck-Gläser und anderes Mehrweggeschirr ab, auch an der Kaffeebar arbeiten wir mit Pfandbechern.

Uns war es wichtig, dass die Kantine während der Pandemie stets offen blieb, um eine Verpflegung vor Ort zu gewährleisten. So konnten wir auch unseren Catering-Partner unterstützen; durch eine niedrigere Auslastung musste trotzdem ein Großteil der dort angestellten Mitarbeitenden in Kurzarbeit.

Als wir ein digitales Kochbuch zusammenstellten, griffen wir auf unsere Menü-Pläne zurück. Wir kennen ja die beliebtesten Gerichte. Schnitzel und Currywurst sind es nicht. Vor der Pandemie haben wir regelmäßig das Wago-Family-Dinner oder die Weihnachtsbäckerei veranstaltet und freuen uns darauf, diese liebgewonnenen Aktionen wieder durchführen zu können. Zu Spitzenzeiten hatten wir bei unserem Dinner für Familie und Freunde bis zu 350 Gäste.

Außerdem gab es das Angebot 'Deine gesunde Mittagspause': Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnten Fotos von ihrem Essen einreichen. Wir haben ein Gewinnspiel daraus gemacht, das beste Essen wurde im Restaurant nachgekocht und ins digitale Kochbuch aufgenommen. Unser Essensangebot lässt sich per App täglich bewerten. Das ist eine schöne Feedback-Schlaufe zusätzlich zu den direkten Gesprächen."

Porsche: Punktgenaue Planung dank KI

Michael Raichle ist bei der Porsche AG für die Werksverpflegung zuständig. In den insgesamt 16 Casinos an den drei Hauptstandorten Zuffenhausen, Leipzig und Weissach werden rund 22.000 Beschäftigte verköstigt. 

"Vor der Pandemie produzierte unsere Küche zu Spitzenzeiten bis zu 1,6 Millionen Essen jährlich. In der Pandemie brach die Nachfrage um bis zu 80 Prozent ein. Doch wir konnten unsere Belegschaft halten. Mindestens ein Casino pro Standort war immer geöffnet. Um unsere Leute sinnvoll beschäftigen zu können, haben wir die Menülinie Genuss@Home ins Leben gerufen und selbst produzierte 'Klassiker' wie Linsen mit Spätzle oder Cannelloni in Mitnahmeschalen über unsere SB-Shops angeboten, alles 14 Tage haltbar. Bewährt haben sich während der Pandemie Koch-Boxen in formschönen Holzkisten. Die Gans zu Weihnachten war in Gläsern eingeweckt. 

Der hohe Anteil an mobiler Arbeit wirkt sich stark auf unsere Kalkulation aus. Der Andrang in den Casinos schwankt um teils bis zu 60 Prozent, abhängig von Wochentag, Wetter, Urlaubszeit oder konkurrierenden lokalen Veranstaltungen. Seit Ende 2021 setzen wir künstliche Intelligenz ein, um besser planen zu können. Das Tool prognostiziert den voraussichtlichen Absatz. Es berücksichtigt neben den genannten Parametern auch den Erfahrungswert beim Absatz einzelner Speisen. So werden wir genauer bei der Bestellung und können möglichst auf den Punkt produzieren. Man kommt damit überraschend nah auf die tatsächliche Essenszahl, vermeidet Überproduktion und entsprechend Nassmüll.

Die Kantine bei Porsche ist eine Kommunikationsdrehscheibe. Nach dem Essen bleibt man noch sitzen und redet. Das ist schön! Aber als wir noch Abstandsregeln einhalten mussten und nur die Hälfte bestuhlen konnten, wäre es mir natürlich lieb gewesen, die Wartenden hätten schneller einen Sitzplatz bekommen. Den hohen Andrang haben wir mit Essen to go abgefedert."


Dieser Beitrag ist erschienen in Personalmagazin Ausgabe 8/2022. Lesen Sie das gesamte Heft auch in der Personalmagazin-App.


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Schlagworte zum Thema:  Verpflegung, Homeoffice, Mitarbeiterbenefits