Projekt SWOPS für mehr Chancengleichheit im Job

Attraktive Arbeitgeber zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie Männern und Frauen gleiche Karrierechancen bieten. Doch daran hapert es oft, gerade im Mittelstand. Warum das so ist und wie Unternehmen gegensteuern können, hat das EU-geförderte Projekt SWOPS untersucht.

Cornelia Krämer

In Deutschland waren für das Projekt der Berliner Club des Frauennetzwerks Business and Professional Women (BPW) und das Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft (RKW) Berlin federführend. Die Haufe Online-Redaktion sprach mit Cornelia F. Krämer, der ersten Vorsitzenden des BPW Club Berlin e.V.

Haufe Online-Redaktion: Frau Krämer, „SWOPS“ bedeutet „Strukturwandel-Orientierte-Personal-Strategie“. Ein ziemliches Wortungetüm, noch dazu eines, das sehr gut verbirgt, worum es eigentlich geht: Chancengleichheit für Männer und Frauen in Unternehmen. Wie ist der Projektname entstanden?

Cornelia F. Krämer: Der Projektname ist in einem Brainstorming gemeinsam mit Mitarbeiterinnen der RKW GmbH entstanden. Bei der Entwicklung des Projekts, das ja vom Progress-Programm der Europäischen Union maßgeblich gefördert wurde, waren wir uns einig, dass die Personalstrategie eine zentrale Rolle spielt in KMU. Die RKW GmbH berät schon lange KMU in Themen der Organisations- und Personalentwicklung. Die Unternehmensgründer und -gründerinnen und Führungskräfte verfügen selten über eine zusätzliche Ausbildung in Personalführung. Eine Unternehmensstrategie existiert immer – und sei es „im Bauch“ –, aber an der Ableitung einer Personalstrategie fehlt es häufig.

Haufe Online-Redaktion: Das Projekt zielt auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Insgesamt 15 davon haben Sie begleitet, verteilt auf Deutschland, Österreich, Frankreich und Schweden. Reicht diese Stichprobe, um valide Ergebnisse und zuverlässige Handlungsempfehlungen präsentieren zu können?

Krämer: Das Besondere an SWOPS ist, dass es als Praxisprojekt angelegt war, wobei jedes der beratenen Unternehmen eine Schwachstellenanalyse erhalten hat und die eingesetzten Berater und Beraterinnen individuelle Veränderungspläne entwickelt haben. Jedes teilnehmende KMU verfügte über acht Beratertage aus dem Projektbudget und nutzte diese, um mit dem Berater oder der Beraterin seiner Wahl die identifizierten Potenziale zu heben. Uns als BPW Club Berlin e.V. war sehr bewusst, dass wir keine empirische Studie in der Breite werden verfassen können. Wir wollten vielmehr „frische“ Beispiele aus der gelebten Praxis gewinnen und der Öffentlichkeit ins Bewusstsein und damit zur Diskussion stellen.

Haufe Online-Redaktion: Was sind die größten Hindernisse auf dem Weg zu mehr Chancengerechtigkeit in KMU?

Krämer: Die größten Hindernisse sind die – meist unbewussten – Rollenstereotype, die uns alle daran hindern, Leistung auch tatsächlich leistungs- und nicht geschlechterbezogen zu bewerten. Frauen seien sensitiver und kommunikativer und damit für Führungsaufgaben prädestinierter als Männer, heißt es häufig. Mir persönlich ist keine Frau bekannt, die aufgrund ihrer Sensibilität zur Führungskraft befördert worden wäre. Da Männer überwiegend das Sagen in Organisationen haben, werden Frauen wie Männer in ihrem Führungsverhalten nach gänzlich anderen Kategorien beurteilt, zum Beispiel nach ihrer Durchsetzungsfähigkeit. Personalberater kennen das Problem: Niemand kann sensitiv UND durchsetzungsstark sein.

Haufe Online-Redaktion: Bieten Konzerne mehr Chancengerechtigkeit als KMU?

Krämer: Konzerne verfügen über Regelwerke und betriebliche Vereinbarungen, die zumindest bis zur mittleren Führungsebene mehr Transparenz bieten. Transparenz erhöht die Chancen auf Karrieremöglichkeiten außerhalb der tradierten geschlechterspezifischen Zuschreibungen. In den außertariflichen Bereichen, in denen Gehälter und Karrierewege frei verhandelt werden, hört es mit der Transparenz auf. Auch werden nicht alle anspruchsvollen Stellen ausgeschrieben, sondern über Netzwerke – der meist männlichen – Entscheider vermittelt.

Haufe Online-Redaktion: Tradierte Rollenbilder sind in der Vergangenheit auch in Mitverantwortung des HR-Managements verfestigt worden. Nun soll aber eine neue Personalstrategie das Ruder herumwerfen. Ist die HR-Funktion eher Teil der Lösung oder Teil des Problems?

Krämer: Das ist eine sehr gute Frage. Wir hoffen sehr, dass die Beispiele aus den beratenen Unternehmen dazu anregen werden, die HR-Funktion an sich zu überdenken. HR-Verantwortliche müssen Teil der Geschäftsleitung sein. Das Personalmanagement, die Personalführung und -entwicklung sind Themen, die ganz selbstverständlich Teil der Unternehmensentwicklung werden sollten. HR-Verantwortung auf Sachbearbeiterebene oder als zusätzliche Aufgabe der Chefsekretärin anzusiedeln, macht die HR-Funktion zum Teil des Problems. HR-Verantwortung dagegen ins Management Board zu holen und individuell an den eigenen Rollenstereotypen zu arbeiten, hilft, an der Lösung zu arbeiten.

Haufe Online-Redaktion: Laut SWOPS setzt Chancengerechtigkeit einen „nachhaltigen Mentalitätswandel auf Führungsebene“ voraus. Das ist nicht gerade eine überraschende Erkenntnis. Was sollen Unternehmen konkret tun, um diesen Mentalitätswandel anzustoßen?

Krämer: Zahlreiche Unternehmen haben bereits einen internen Mentalitätswandel angestoßen. Sie machen gute Erfahrungen mit Recruiting-Prozessen, die im ersten Schritt anonymisiert sind. Bereits im ersten Durchlauf konnten mehr geeignete Bewerber und Bewerberinnen eingeladen werden, die im konventionellen Verfahren aufgrund von Geschlecht, aber auch Alter und Herkunft nicht zum Zuge gekommen wären. Unternehmen sollten sich ganz bewusst ihren Internet-Auftritt, Flyer und Banner anschauen, mit denen sie auf Messen für Fachkräfte und Auszubildende werben. Solange ausschließlich Jungs auf den Bannern zu sehen sind, wird es wohl kaum gelingen, Mädchen für die Ausbildung in den Firmen zu gewinnen. Ähnliches gilt für Firmen, die in ihren Marketinginstrumenten eine konventionelle Verteilung der Geschlechter auf die Tätigkeiten demonstrieren: Im Büro dominieren Frauen, in der Produktion und Werkstatt sind es die Männer. Um implizit vorhandene Rollenstereotype zu erkennen, braucht es einen äußerst selbstkritischen Blick auf das eigene Unternehmen. Der externe Blick und eine fundierte Analyse erleichtern das Erkennen der Schwachstellen.

Haufe Online-Redaktion: Haben Sie dafür ein Beispiel aus dem Kreis der SWOPS-Unternehmen?

Krämer: Der Geschäftsführer der BAN GmbH in Österreich hat zum Beispiel in dem Analyseprozess für sich erkannt, warum in seinem Betrieb alles beim Alten bleibt. Der Schlusssatz, bevor jemand Neues eingestellt wurde, lautete im Recruiting-Team bisher: „Passt super ins Team“. Damit wurden Monokulturen erhalten.

Haufe Online-Redaktion: Sie berufen sich auf verschiedene Studien, wonach Unternehmen, die Frauen und Männern gleiche Chancen bieten, wirtschaftlich erfolgreicher sind. Gilt das auch für KMU? Die Studien beziehen sich meist auf Konzerne.

Krämer: Wie Sie schon sagen, verfügen wir kaum über fundierte Studien in diesem Segment. Zumindest können wir sagen, dass der Fokus auf einen Arbeitsmarkt, der nicht auf „weiß, männlich, bis Mitte 40, lückenloser Lebenslauf“ begrenzt ist, eine größere kritische Masse an Bewerbern und Bewerberinnen bringt und damit die Chancen, qualifizierte Fach- und Führungskräfte zu finden, erhöht.

Haufe Online-Redaktion: Welche neuen Projekte wird der BPW Berlin in den nächsten Jahren umsetzen?

Krämer: Der BPW Germany mit seinen rund 40 Clubs deutschlandweit ist eine gemeinnützige Organisation, die von ehrenamtlichen Vorständen geführt wird. In diesem Jahr steht laut Satzung des BPW Club Berlin e.V. ein Führungswechsel mit Nachwahl einzelner Vorstandsmitglieder an. Man muss abwarten, welche Kapazitäten die dann gewählten Frauen werden zur Verfügung stellen können. Heute schon absehbar ist, dass wir ein HR-Expertenteam, bestehend aus Mitgliedern unseres Clubs, aufstellen und ein neues Veranstaltungsformat erproben werden. Es wird darum gehen, HR-Verantwortliche von Unternehmen, die für neue Arbeitsmodelle offen sind, mit karriereorientierten Frauen und Männern zu informellen Kennenlerngesprächen zusammenzubringen, um Möglichkeiten der Zusammenarbeit auszuloten. Mit drei Gesprächen pro teilnehmenden Unternehmen streben wir eine sehr gute Effizienz an, die für Unternehmen attraktiv ist. Die Durchführung des Piloten ist für das erste Halbjahr 2017 angedacht, an der Entwicklung weiterer Formate wird gearbeitet.

Cornelia F. Krämer ist 1. Vorsitzende des BPW Club Berlin e.V. und im Projektteam SWOPS seit März 2015 für das Gesamtprojektmanagement verantwortlich.

Das Interview führte Christoph Stehr.

 

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