Personalentwickler werden endlich zum echten "Enabler"

Lernen wird immer individueller. Lerntechnologien und -formen müssen dafür optimal kombiniert werden, fordert E-Learning-Experte Peter Miez-Mangold. Im Interview zeigt er, wie eine solche Kombination aussehen kann und was das für die künftige Arbeit der Personalentwickler bedeutet.

Haufe Online Redaktion:  Inwiefern wird sich künftig das Lernen in Unternehmen verändern?

Peter Miez-Mangold: Lernen und Arbeiten müssen sich künftig miteinander verzahnen. Das zeigt die Forschung, das ist der Bedarf in den Unternehmen und auch der Wunsch vieler Mitarbeiter. Ständig prasseln  neue Herausforderungen auf  Mitarbeiter und Führungskräfte ein, für die schnellwirksame Antworten gefunden werden müssen. Bei diesem Druck bleibt nur wettbewerbsfähig, wer "learning on the job" ermöglicht und managt. Personalentwickler und Führungskräfte müssen dafür sorgen, dass Lernen Teil der Arbeit wird. Sie sind gefordert, das optimale "Mindset" zu schaffen. Es gilt, die Einstellung, Haltung und Strukturen zur kontinuierlichen Weiterentwicklung so zu gestalten, dass Lernen und persönliche Qualifizierung als andauernder Prozess begriffen werden. Dabei sehe ich jeden Einzelnen in der Holschuld: Ob Fach- oder Führungskraft,  jeder ist gefordert, seine Weiterentwicklung aktiv voranzutreiben. Darüber hinaus gilt es zu verstehen, dass Selbstlernen – wie im E-Learning – und Präsenzveranstaltungen komplementäre, sich ergänzende, Lernformen sind.

Haufe Online Redaktion: Welche Trends ergeben sich daraus für den Einsatz von Lerntechnologien in Unternehmen?

Miez-Mangold: Trends, insbesondere technische Trends, kommen und gehen. Was dagegen weit über einen Trend hinausgeht ist die wachsende Notwendigkeit, Mitarbeiter so weiterzuentwickeln, dass sie mit ihrer Leistung das Unternehmen optimal voranbringen. Und die Unternehmen stehen hier in einem enormen Wettbewerb – gewinnen wird, wer seine Mitarbeiter optimal qualifizieren, weiterentwickeln und halten kann. Und das verändert etwa auch die Diskussion beim Thema "E-Learning": Konzentrierten sich viele bislang auf die technischen Aspekte, geht es nun immer mehr um die Frage, wie man E-Learning so einsetzen kann, dass die Personal- und Organisationsentwicklungsprozesse optimal unterstützt werden. Hier von einem Trend zu sprechen, greift zu kurz. Vielmehr kündigt sich hier ein Strategiewechsel an: Das Verständnis für und der Bedarf nach integrierten Lösungen wächst.

Haufe Online Redaktion: Welche einzelnen Lernformate und Technologien werden dabei künftig zum Einsatz kommen?

Miez-Mangold: Im Bereich E-Learning gehören nach wie vor insbesondere Web-based-Trainings zu den bekanntesten und am häufigsten nachgefragten Lernformen – aber auch Webinare, videobasiertes Lernen, Mobile Learning, Social Learnings et cetera. Doch es gilt: Das Format und auch die Technologie ist der Knecht des Inhalts und der Skills, die vermittelt werden sollen. Deshalb ist es falsch, die  Frage nach der Lernform an den Anfang zu stellen. Die passende Lernform zu finden, kommt dann an nachgelagerter Stelle. Der Fokus sollte darauf liegen, die Entwicklungsziele der Organisation und des Einzelnen sauber zu definieren - je nach Bedarf, Standort und Tätigkeit der Mitarbeiter lassen sich dann die definierten Lerninhalte auf die optimalen Lernformate abstimmen.

Haufe Online Redaktion: Was bedeutet dieser Anspruch für die Arbeit der Personalentwickler?

Miez-Mangold: Verantwortliche Personalentwickler stellen sich immer schon die Frage danach, wie ihre Arbeit den bestmöglichen Beitrag zur Wertschöpfung im Unternehmen leistet – also zum Beispiel, wie die Personalentwicklung zur Strategieumsetzung der Organisation, dem organisationalen Wachstum, der Produktivitätssteigerung und laufenden Veränderungsprozessen beiträgt. Bislang waren, insbesondere für den Mittelstand, lediglich Insellösungen machbar. Im Grunde konnten Personalentwickler nur den Auftrag erfüllen: "Mache, was möglich ist." Durch integrierte Lösungen kann der Auftrag nun lauten: "Mache, was nötig ist." Die Personalabteilung kann nun wirklich die Rolle des "Enabler" spielen und ihre Rolle, Menschen und Unternehmen gezielt voranzubringen, wirksam erfüllen.

Haufe Online Redaktion: Studien zeigen: Personaler glauben, dass sich Lernprozesse künftig zunehmend informell und weniger formalisiert abspielen. Teilen Sie diese Prognose?

Miez-Mangold: Im Mittelpunkt muss stehen, Lernen am Arbeitsplatz zu ermöglichen. Ob das dann informell ist oder formell, ist dann im zweiten Schritt zu klären. Nach dem 70/20/10-Modell findet ja 70 Prozent Lernen am Arbeitsplatz, zum Beispiel durch schwierige Aufgaben, statt; zu 20 Prozent lernen wir von anderen und zehn Prozent  entfallen dann auf formales Lernen, wie beispielsweise durch Seminare, Coachings, Recherche oder Literatur. Um es mit den Worten von Stephan Atsou, CEO unseres Partners Cross Knowledge, zu umschreiben: Lernen  ist ein zentraler Erfolgsfaktor im darwinistischen Überlebenskampf, der im Business tobt. Wir erleben im Moment, dass sich Unternehmen, Märkte, Kundenverhalten in sehr hohem Tempo verändern. Mitarbeiterqualifizierung, die auf einen Seminarbesuch pro Jahr beruht, kann bei diesem Tempo nicht mithalten. Qualifizierung muss also um weitere, schnelle, und wirksame Lernlösungen ergänzt werden. Bei der Frage nach optimaler Qualifizierung und Entwicklung, sowohl für Menschen als auch für Unternehmen, liegt die Antwort daher nicht im "entweder oder", sondern in der passenden Kombination der Möglichkeiten.

Peter Miez-Mangold ist Bereichsleiter "E-Learning" bei der Haufe Akademie in Freiburg.

Das Interview führte Andrea Sattler, Redaktion Personal.