Personalauswahl im Team: Kritik am Verfahren

Personalauswahlverfahren gehören zum Kern der HR-Arbeit – sie werden aber gerne in ungeschulte Hände abgegeben. Der Trend, einen neuen Mitarbeiter im Team auszuwählen, verstärkt die Unprofessionalität in diesem Bereich noch mehr, meint Psychologie-Professor Uwe P. Kanning. Argumente hat er dafür genug – und spitzt sie gewohnt zielsicher zu.

Einstellungsinterviews bewegen sich in Deutschland bekanntlich auf einem sehr hohen Niveau: Nachdem der Personaler die Bewerbungsunterlagen überflogen hat, markiert er zunächst ein bis zwei biografische Fakten, bei denen er später im Interview den Finger in die Wunde legen will. Kombiniert wird das Ganze mit einer Reihe listiger Fragen, die der Interviewer in jahrzehntelanger Feldforschung mühsam entwickelt hat: Was sind Ihre Stärken? Was sind Ihre Schwächen? Warum wollen Sie bei uns arbeiten? Warum soll ich Sie einstellen?

Je nachdem, wie der Bewerber antwortet, läuft es dann nach dem Prinzip der freien Assoziation weiter. Immer wieder neue spannende Fragen kommen dem Interviewer in den Sinn, ohne dass er selbst so richtig weiß, wohin all dies führen soll. Keine Notizen, kein System zur Bewertung der Antworten, kein Abgleich mit dem realen Anforderungsprofil der Stelle.

Personalauswahl wie im alten Rom

Am Ende ist jedes Bewerbungsgespräch so individuell, dass sich die Bewerber untereinander nicht mehr vergleichen lassen. Aber das ist auch gar nicht so schlimm. Letztlich geht es ja nicht darum, wer den Job später besser erledigt, sondern wer dem Interviewer im Hier und Jetzt ein besseres Gefühl verschafft. So oder so ähnlich hat man schon vor Jahrhunderten auf dem römischen Sklavenmarkt das Personal ausgewählt: "Der gefällt mir, packen Sie mir den bitte auch noch ein!".

Innovative Methoden statt sinnvolle Methoden in der Personalauswahl?

Soweit, so gut. In dieser Form könnte man eigentlich in wohliger Selbstüberschätzung weiterarbeiten, bis auch das letzte Unternehmen Konkurs angemeldet hat. Doch ganz so beschaulich geht es im Personalwesen leider nicht zu. Immer wieder wird die Szene durch neue Trends erschüttert, auf dass eine wirkungslose Methode durch eine nicht minder absurde Alternative ersetzt wird.

Personalauswahl im Team: zwei übliche Varianten

In dieser Tradition stehen auch Teamauswahlverfahren, die in unterschiedlicher Gestalt die Bewerber malträtieren können.

In Variante 1 schaltet man ganz einfach mehrere schlechte Interviews hintereinander. Es soll Unternehmen geben, in denen die Bewerber bis zu sechs Interviews an ein oder zwei Tagen absolvieren. Nur dann, wenn ein Kandidat alle Gelüste der verschiedenen Interviewer zu befriedigen vermag, zieht er das große Los und darf bei diesem Spitzenarbeitgeber einchecken.

Variante 2 orientiert sich an den im TV so beliebten Castingshows. Hier tritt der Bewerber gleich einem ganzen Tribunal aus Vorgesetzten und potentiellen Kollegen gegenüber, die ihn nach Herzenslust in die Mangel nehmen. Das Wichtigste ist dabei, allen zu gefallen. Man darf nicht so leistungsstark auftreten, dass sich die Kollegen bedroht fühlen, gleichzeitig aber auch nicht so leistungsschwach daherkommen, dass der Chef einen nicht in den Recall kommen lässt. Natürlich muss man gut aussehen und freundlich wirken. Die größten Erfolgschancen haben am Ende Bewerber, die sich einem Chamäleon gleich geschmeidig in jede neue Umgebung einfügen. Wir dürfen sicher sein, dass die Casting-Crew jede Menge Spaß bei der Sache hat. Man kann sich gemeinsam aufregen über Bewerber, die noch unprofessioneller auftreten als man selbst, schlüpft endlich mal in die Rolle des machtvollen Türstehers und muss nichts können, nur eine Meinung haben.

Candidate Experience bei der Teamauswahl kümmert oft nicht

Ob die Bewerber das Vorgehen ähnlich positiv bewerten, steht auf einem anderen Blatt. Aber was kümmert uns der Eindruck der Bewerber? Noch gibt es genügend Fachkräfte auf dem Markt. Doch selbst, wenn manche Bewerber dem Modell Sklavenmarkt etwas abgewinnen können, wäre ein solches Vorgehen nicht zu empfehlen.

Warum die Auswahl im Team nicht gleich valider ist

Die Aneinanderreihung vieler Laienurteile ist nicht automatisch valide. Gruppenentscheidungen haben nur dann das Potential zur besseren Auswahl, wenn sich alle an den realen Anforderungen der Stelle orientieren und unabhängig voneinander urteilen. Zudem ist auch hier ein Mindestmaß an diagnostischer Fachkompetenz notwendig. In anderen Berufsfeldern ist man sich dessen sehr wohl bewusst. Niemand käme ernsthaft auf die Idee, den Bau einer Eisenbahnbrücke in die Hände der Anwohner zu legen. Ebenso ist es für den Erfolg einer Herz-OP völlig unerheblich, ob hier ein erfahrener Heilpraktiker allein ans Werk geht oder sich von fünf Wurstwarenfachverkäuferinnen assistieren lässt.

Professionelle Personalarbeit ist dem Wortsinn nach Arbeit, die in die Hände professionellen Personals gehört und zwar selbst dann, wenn es mal nicht so viel Spaß bereiten sollte.


Der Kolumnist  Prof. Dr. phil. habil. Uwe P. Kanning ist seit 2009 Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück. Seine Schwerpunkte in Forschung und Praxis: Personaldiagnostik, Evaluation, Soziale Kompetenzen und Personalentwicklung.

Schauen Sie auch einmal in den  Youtube-Kanal "15 Minuten Wirtschaftspsychologie" hinein. Dort erläutert Uwe P. Kanning zum Beispiel zusammenfassend, wie Sie gute von schlechten Testverfahren unterscheiden warum Manager scheitern warum die Aussagekraft von graphologischen Gutachten ein Mythos ist oder was Sprachanalysen über die Persönlichkeit aussagen können.

Schlagworte zum Thema:  Personalauswahl, Teamarbeit, Personalarbeit