Führung: Deutsche Chefs arbeiten selten in Teilzeit

Führungskräfte in deutschen Unternehmen nutzen im Vergleich mit ihren europäischen Kollegen kaum Teilzeitmodelle, so die Erkenntnisse einer Studie. Neben Ländergrenzen spielen demnach auch Geschlecht, Unternehmensgröße, Branche und die Diskrepanz zwischen Teilzeitwunsch und -wirklichkeit eine Rolle.  

Die kürzlich veröffentlichte Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung beruht auf Daten aus dem Jahr 2009. Sie vergleicht, wie Teilzeitarbeit, das heißt Arbeitsmodelle mit weniger als 30 Stunden pro Woche, unter Führungskräften in 19 europäischen Ländern verteilt ist. Dafür wurden Beschäftigte mit Leitungsfunktionen, Selbstständige und Unternehmer, die Angestellte führen, befragt.

Während den Ergebnissen zufolge in Deutschland nur fünf Prozent aller Managerinnen und Manager in Teilzeit arbeiten, sind es in Großbritannien acht und in den Niederlanden zwölf Prozent. Was der Grund für diese innereuropäischen Unterschiede sein könnte, erläutern die Studienautoren Lena Hipp und Stefan Stuth so: "Manager reduzieren eher in den Ländern ihre Arbeitszeit, in denen Teilzeiterwerbstätigkeit von Beschäftigten ohnehin weitverbreitet ist."

Weibliche Manager viel häufiger in Teilzeit

Doch nicht nur zwischen den Ländergrenzen zeigten sich Unterschiede, sondern auch zwischen den Geschlechtern: Frauen in Managementpositionen arbeiten laut Studie viel häufiger in Teilzeit als Männer. In Deutschland sind es demnach 14,6 Prozent der Frauen, aber nur 1,2 Prozent der Männer. In den Niederlanden haben dagegen 31,5 Prozent der Frauen und 4,1 Prozent der Männer im Management ihre Stundenzahl reduziert.

Auch bei den Unternehmensgrößen und Branchen entdeckte die Befragung Unterschiede. Besonders selten kommt Teilzeitarbeit demzufolge in den Führungsebenen großer Unternehmen und bei Selbstständigen vor. Bei den Branchen waren Teilzeitmanager in Deutschland am häufigsten in den Bereichen Bildung, Gesundheit und öffentliche Verwaltung vertreten, im verarbeitenden Gewerbe blieben sie eher die Ausnahme.

Teilzeitwunsch wird nicht immer Realität

Die Autoren fanden außerdem heraus, dass Wunsch und Wirklichkeit in vielen Ländern auseinanderklaffen. In Tschechien, Luxemburg, Österreich und Griechenland möchten zwischen 25 und 35 Prozent der Managerinnen und Manager ihre Arbeitszeiten um mindestens fünf Wochenstunden reduzieren. In Deutschland sieht es jedoch anders aus: Hier wollen dies nur fünf Prozent.

Die Gründe dafür, dass Teilzeitarbeit im europäischen Management wenig verbreitet ist, sehen die Wissenschaftler vorwiegend im Kultur- und Genderbereich: In Ländern wie Litauen und Griechenland, in denen traditionelle Geschlechternormen vorherrschten, reduzierten Führungskräfte ihre Arbeitszeiten seltener als in Ländern, in denen die Erwerbstätigkeit von Müttern und die Haus- und Familienarbeit von Vätern selbstverständlicher sei, wie etwa in Belgien. Auch in Ländern, in denen Führungskräfte lange Wochenarbeitszeiten in Kauf nehmen müssten, wie in Frankreich, gebe es kaum Teilzeit-Manager.

Chefs und Chefinnen sollten mit gutem Beispiel vorangehen, fordern die Forscher. Wenn mehr Führungskräfte ihre Arbeitszeit reduzierten, könnten Teilzeitmodelle aufgewertet werden. Auch würden diese Maßnahme helfen, die Geschlechtersegregation in deutschen Führungsetagen zu reduzieren: Wenn Managementaufgaben auch in Teilzeit ausgeübt werden könnten, seien diese Positionen leichter für Frauen zugänglich, so das Fazit der Autoren.