Führen in Teilzeit: beliebt, aber kaum verbreitet

Führen in Teilzeit hat laut einer Studie der Uni Trier viele Vorteile: Es trägt nicht nur zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sondern auch zur Frauen- und Gesundheitsförderung bei – und steigert so die Arbeitgeberattraktivität. Doch nach wie vor setzen wenige Firmen auf das Führungsmodell.

Im Job eine Führungsposition übernehmen und dennoch genügend Zeit für die Familie haben: Davon träumen wohl viele Arbeitnehmer. Das Führen in Teilzeit, in der Wissenschaft auch als "Führung in reduzierter Arbeitszeit" (FIRA) bekannt, kann dies ermöglichen.

Mitunter können sich zwei Teilzeitmitarbeiter sogar einen Chefsessel teilen. Beim sogenannten "Top-Sharing" übernehmen zwei Führungskräfte gemeinsam die  fachliche und disziplinarische Führung eines Teams. Netter Nebeneffekt: der Sparringspartner, der den eigenen Job bestens kennt und mit dem man Probleme auf Augenhöhe diskutieren kann, ist immer in der Nähe.

Wie kommt Führen in Teilzeit in der Praxis an?

In der Theorie klingt dieses Konzept gut. Doch was haben Mitarbeiter und Unternehmen in der Praxis davon, und wie weit ist das Modell schon verbreitet? Dieser Frage sind nun Wirtschaftspsychologen der Universität Trier in Zusammenarbeit mit dem Personalberater Moldzio & Partner nachgegangen. Sie befragten dafür 263 Personalverantwortliche und Mitarbeiter zu ihren Erfahrungen.

Dabei stellten sie fest, dass Angebote zum Führen in Teilzeit sowohl für Führungskräfte als auch Mitarbeiter und somit dem gesamten Unternehmen Nutzen bringen kann: Im Einzelnen kann das Führen in Teilzeit nicht nur dazu beitragen, Beruf und Familie in verschiedenen Lebensphasen besser zu vereinbaren, sondern darüber hinaus den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen und die Gesundheit der Führungskräfte zu fördern, so die Erkenntnisse der Wissenschaftler.

In den vergangenen Jahren hat sich nicht viel getan

Trotz dieser positiven Effekte, die Unternehmen durch Teilzeitangebote für Führungskräfte generieren könnten, werde dieses Instrument der Personalarbeit in Unternehmen und Behörden bislang kaum genutzt, so ein weiteres Fazit der Forscher.

Das belegen auch frühere Studien wie die des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung aus dem Jahr 2013: Demzufolge waren andere Länder schon im Jahr 2009 fortschrittlicher, was das Führen in Teilzeit angeht. Auch damals stellten die Wissenschaftler fest, dass Führungskräfte in deutschen Unternehmen im Vergleich mit ihren europäischen Kollegen kaum Teilzeitmodelle nutzten.

Offenbar hat sich also daran in den vergangenen Jahren kaum etwas geändert.

Drei von vier Frauen wünschen sich Teilzeit-Führung

Dass ein besseres Angebot an Teilzeitprogrammen für Führungskräfte in der Praxis wohl durchaus auf Gegenliebe stoßen würde, belegt eine kürzlich veröffentlichte Studie, für die die "Agentur ohne Namen" und der Verein "Wirtschaftsweiber e.V. gemeinsam 3.100 Frauen befragt haben.

Demnach sind für knapp drei Viertel der Befragten sowohl Frauen in Führungspositionen als auch Führungspositionen in Teilzeit wichtige Kriterien für die Attraktivität von Arbeitgebern.

Strukturierte Einführung ist Erfolgsvoraussetzung

In ihrer nun vorliegenden Studie liefern die Wissenschaftler der Universität Trier auch einen Anhaltspunkt dafür, warum Unternehmen trotz der großen Nachfrage bislang noch wenige Angebote zum Führen in Teilzeit machen und wie sich die Akzeptanz solcher Führungsmodelle verbessern ließe. Demnach gibt es in den Unternehmen nämlich noch Vorbehalte und Befürchtungen gegenüber Führung in Teilzeit –  und zwar vor allem bei den Personen, die bislang keine Erfahrungen damit gesammelt haben.

"Befragte mit FIRA-Erfahrung sehen dagegen keine Risiken. Diese Ergebnisse verdeutlichten, wie wichtig eine gute Planung bei der FIRA- Einführung sowie der Herstellung einer Akzeptanz des Modells im Unternehmen sind", erläutert Studienleiter Professor Thomas Ellwart. "Bei einer strukturierten und transparenten Einführung wird FIRA als Baustein der lebensphasenorientierten Personalentwicklung erfolgreich sein", prognostiziert er.

Manchen fehlt die Fähigkeit zum Selbstmanagement

Auch andere Wissenschaftler haben sich schon mit der Frage beschäftigt, warum sich das Führen in Teilzeit trotz großer Beliebtheit bei der potenziellen Zielgruppe bislang noch nicht durchgesetzt hat.

Professor Boris Kaehler von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin und Professor Anja Karlshaus von der Cologne Business School (CBS) suchen in einem Artikel im Personalmagazin (Ausgabe 07/2014) die Gründe dafür nicht nur in der Organisation, sondern auch bei den Mitarbeitern selbst.

Den beiden Autoren zufolge scheitert das Modell zwar tatsächlich oft an einer teilzeitfeindlichen Kultur im Unternehmen oder daran, dass das Arbeitspensum der Führungskraft nicht auf die Arbeitszeitreduzierung angepasst wird. Daneben sei aber oft auch die mangelnde Selbstständigkeit der Mitarbeiter oder ein schlechtes Selbstmanagement der Führungskraft dafür verantwortlich, schreiben die Wissenschaftler.

Über die Studie der Uni Trier

Die Studie unter Leitung von Professor Thomas Ellwart ist aus einer studentischen Projektgruppe im Masterstudiengang Psychologie hervorgegangen, die sich mit Führen in Teilzeit beschäftigt hat. Auf der Grundlage einer Literaturaufarbeitung hat die Gruppe eine Onlinebefragung konzipiert, in die die Erfahrungen und Meinungen von 263 Personalverantwortlichen und Mitarbeitern verschiedener Unternehmen und Branchen eingeflosse sind. Dabei berücksichtigen die Studienautoren besonders die unterschiedlichen Bewertungen von Personen mit und ohne FIRA-Erfahrungen.

Das Projekt basiert auf der im Herbst 2014 von Moldzio & Partner initiierten Tremsbütteler Vereinbarung. Darin formulierten Unternehmen, Behörden, Kammern und Universitäten eine Absichtserklärung, das bisher wenig erforschte Thema "Führung in reduzierter Arbeitszeit" zu besetzen.

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