Nicht kopflos rekrutieren
Zwei Millionen offene Stellen (laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IAB) – da verfallen manche Personalabteilungen in Hektik und Panik. Der Fachkräftemangel ist eine schöne Ausrede, wenn es gerade mit dem Rekrutieren nicht funktioniert. Aber die Probleme sind oft hausgemacht.
Recruiting-Strategie: Diese Fehler sollten Sie vermeiden
In Problem-Framing-Workshops bin ich immer wieder auf diese sieben Fehler gestoßen:
1. Die Zusammenarbeit zwischen Recruiting und Fachabteilungen funktioniert nicht
Die Kommunikation zwischen Fachabteilungen und dem Recruiting ist oft ein Hauptproblem. Das geht los mit dem Auftrag: "Such‘ wie das letzte Mal". Das ist keine qualifizierte Beauftragung. Vielmehr benötigen Recruiterinnen und Recruiter ein systematisches und dokumentiertes Briefing mit allen Informationen zum Job, zur konkreten Aufgabe, zum Umfeld et cetera. Auch das Feedback zu den Bewerberinnen und Bewerbern erfolgt oft zu spät oder nicht in der geforderten Form. Wichtig ist es daher, funktionierende Schnittstellen zu schaffen, damit Fachabteilungen und Recruiting sich einfach und schnell informieren können.
2. Die Recruiting-Kanäle passen nicht zur Zielgruppe
Bei vielen Arbeitgebern ist immer noch die Stellenanzeige auf den immer gleichen Portalen das Mittel der Wahl. Begründung: "Das haben wir immer so gemacht." Aber Zielgruppen bewegen sich auf vielen verschiedenen Kanälen – je nach Alter und Beruf. Ein Beispiel: Reichte es vor zehn Jahren noch, im Social-Media-Bereich auf Facebook oder Linkedin aktiv zu werden, sind seitdem viele weitere Plattformen hinzu gekommen: Snapchat, Instagram, Tiktok, Twitch – und weitere Portale oder Online-Foren für spezifische Interessensgruppen. Oft fehlt es in Unternehmen an Expertise zu Kanälen, Zielgruppen und deren Vorlieben. Zudem ist nicht immer klar, wer die Hoheit über das Kanal-Portfolio hat. Dann bestimmen zum Beispiel Hiring Manager über die Recruiting-Kanäle, weil sie das Budget haben, obwohl die Recruiterinnen und Recruiter über das Fachwissen verfügen.
3. Stellenanzeigen stellen den Arbeitgeber in den Mittelpunkt
Nichts spricht gegen eine Stellenanzeige, um eine Ausschreibung breit zu streuen. Aber sie sollte ansprechend, zielgruppenadäquat und authentisch gehalten sein. Stattdessen sehen wir immer noch viele Stock-Bilder mit lachenden Menschen in Anzügen oder Kostümen. Die Texte sind sperrig oder lieblos formuliert. Der Arbeitgeber stellt sein Profil und seine Anforderungen in den Mittelpunkt. Der Bewerbungsbutton ist schwer zu finden.
Dabei sind die Stellschrauben klar: Die potenziellen Bewerberinnen und Bewerber sowie deren Bedürfnisse sollten im Mittelpunkt stehen und nicht das Unternehmen. Benötigt werden einfache und informative Texte zur Stelle und zur Aufgabe, Bilder aus dem Unternehmen, die den Arbeitsplatz oder vielleicht sogar das Team zeigen, ein deutlich platzierter Button, der zu einem möglichst einfachen Bewerbungsverfahren führt. Und ganz wichtig: Posten Sie nicht einfach Stellenanzeigen, die für Online-Stellenbörsen konzipiert wurden, eins-zu-eins in sozialen Netzwerken, sondern passen Sie diese für verschiedene Kanäle an.
4. Der Auswahlprozess ist nicht vorbereitet
Prima, es kommen Bewerbungen ins Haus. Je nach Job und Unternehmen können das sogar viele sein. Und jetzt steht die Frage an, nach welchen Kriterien eine Vorauswahl getroffen werden kann. Oft fehlt dem Recruiting dafür das klare Briefing. Dann werden zu viele Bewerbungen weitergeleitet und die Fachabteilung ist überfordert. Oder es wird zu vielen Personen abgesagt und am Ende bleiben nicht hinreichend Bewerbungen übrig. Oder die Fachabteilung setzt zu hohe Standards an, sucht nach zu hundert Prozent passenden Kandidatinnen und Kandidaten, die es gar nicht gibt. Hier ist die Personalabteilung gefordert. Es gilt, alle am Auswahlprozess beteiligten Personen zu qualifizieren, zu briefen und zu coachen.
5. Kennzahlen finden keine Beachtung
Wie viele User haben eine Stellenanzeige oder einen Social Media Post gesehen (Impressions)? Wie viele haben ihn angeklickt (Clicks)? Wie viele von diesen Clicks haben zu einer Bewerbung geführt (Conversion Rate)? Wie viel hat der Click im Durchschnitt gekostet (Cost per Click)? Wie viel kostete die Bewerbung (Cost per Application) und wie viel die Stellenbesetzung (Cost per Hire)? Und nicht zuletzt: Wie lange hat der Prozess bis zur Stellenbesetzung gedauert (Time to Hire)? Das sind die wichtigsten Kennzahlen, die leider viel zu selten erhoben werden. Und wenn sie erhoben werden, arbeiten die Verantwortlichen nicht damit, sondern betreiben Recruiting im Blindflug. Hier fehlt häufig auch die Kenntnis, was das Bewerbermanagement-System alles liefert. Dieses ist der erste Ansatzpunkt, um sich mit Zahlen auseinanderzusetzen. Kennziffern sind die Basis für die Analyse und die Optimierung des Prozesses – und damit erfolgsentscheidend.
6. Kein inhaltliches Konzept für die Interviews
Interviews sind enorm wichtig. Sie sind meist die erste (und oft auch letzte) Chance, passende Kandidatinnen und Kandidaten vom Unternehmen und vom Job zu überzeugen. Leider gilt auch hier nicht selten: Es gibt keine klare Regelung, kein Briefing, keine Absprachen und kein Konzept. Sind mehrere Interviews vorgesehen, etwa mit dem Recruiting, der Fachabteilung und potenziellen Vorgesetzten, müssen die Bewerberinnen und Bewerber mehrfach ihren Lebenslauf herunterbeten, weil jedes Mal andere Personen beteiligt sind. Dringend erforderlich wäre eine inhaltliche Auseinandersetzung im Vorfeld: Wie viele Interviews werden benötigt und mit wem? Wer klärt was in diesen Interviews? Wo sind Tests oder Assessments sinnvoll, wo Probearbeiten und wo Team-Tage zum Kennenlernen? Und natürlich müssen die Interviews dokumentiert werden, um sie auswerten zu können.
7. Zu lange Dauer bis zum Vertragsangebot
Ist die passende Kandidatin oder der passende Kandidat gefunden, muss ein Vertrag her. An dieser Stelle übergibt das Recruiting an die Fachabteilung. Und genau jetzt springen immer wieder Bewerberinnen und Bewerber ab, weil sich die Fachabteilungen viel Zeit lassen, weil die Zuständigkeiten nicht klar sind oder der Ablauf zu umständlich ist. Einen Zeitverlust von mehreren Wochen kann sich heute kein Arbeitgeber mehr leisten. Denn jedes Unternehmen auf Personalsuche muss davon ausgehen, dass Bewerberinnen und Bewerber wahrscheinlich auch von anderen Arbeitgebern angesprochen werden.
Diese Recruiting-Fehler lassen sich einfach beheben
Diese sieben Fehler können Arbeitgeber einfach beheben. Wichtig ist, dass die Verantwortlichen angesichts ausbleibender Bewerbungen nicht in hektischen Aktionismus verfallen. Sie sollten vielmehr alle Beteiligten an einen Tisch holen, um den Recruiting-Prozess strategisch aufzusetzen, zu planen und Zuständigkeiten klar zu regeln. Die Zahl potenzieller Bewerberinnen und Bewerber wird zwar nicht größer, aber die Erfolgsaussichten auf Neueinstellungen steigen. Denn laut Trendence Institut sind je nach Branche und Beruf immerhin 75 bis 80 Prozent der Arbeitnehmenden wechselbereit.
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