Berufliche Weiterbildung: Mitarbeiter lernen selbstorganisiert

Oft wird in der Diskussion um berufliche Weiterbildung ein Trend hin zu informellem und selbstorganisiertem Lernen beschworen. Eine neue Studie bestätigt: Viele Arbeitnehmer bilden sich  durch "Learning by Doing" und kollegialen Austausch weiter. Manche haben jedoch keine andere Wahl.

Die Eigenverantwortung der Mitarbeiter zu fördern und informelles Lernen auszubauen: Diese Ziele haben kürzlich Personalentwickler in einer Studie der Hochschule Rhein-Main als wichtige Trends für das Lernen der Zukunft genannt. Demnach erwarten viele Personalentwickler, dass demnächst die 80/20-Regel kippen werde, derzufolge 80 Prozent des Lernens zwar informell erfolgt, aber die Budgets zu 80 Prozent für formelles Lernen und nur zu 20 Prozent für informelles Lernen verwendet werden.

Wer sich nicht formal weiterbilden kann, sucht Alternativen

Eine neue Forsa-Umfrage unter 1.000 Angestellten im Auftrag der Haufe Akademie bestätigt nun diesen Trend. Dabei zeigt sich, dass Elemente des informellen und selbstorganisierten Lernens auch bei den Lernern selbst sehr beliebt sind: So landet "Learning by doing" (84 Prozent) auf Platz eins der Weiterbildungsformate ihrer Wahl; 76 Prozent sprechen sich dafür aus, mit Hilfestellungen ihrer Kollegen zu lernen.

Den Trend zu selbstorganisiertem Lernen im Austausch mit anderen hatte kürzlich auch eine Studie des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO für Mitarbeiter über 50 ergeben. Es zeigte sich: Eine Lernumgebung für Silver Ager, die sowohl Lernlust als auch Lernerfolg steigert, sollte den älteren Mitarbeitern neben einer guten Struktur vor allem Raum für Selbstorganisation und Austausch mit anderen Lernern geben.

Laut der nun vorliegenden Studie der Haufe Akademie wird die Eigenverantwortung beim Lernen aber zumindest bei manchen Arbeitnehmern aus der Not geboren: Obgleich zielgerichtete Weiterbildungen bei der großen Mehrheit von 80 Prozent der Befragten beliebt sind, können nicht alle die Weiterbildung ihrer Wahl absolvieren. Jeder dritte Befragte beschwert sich sogar darüber, keinen Zugang zu der Weiterbildung zu haben, die er für geeignet hält.

Wem dieses formale Mittel der Fortbildung verwehrt bleibt, wird offenbar kreativ und sucht Alternativen: 69 Prozent recherchieren stattdessen in Fachliteratur und im Internet, um ihr Wissen zu erweitern.

Jeder Fünfte fühlt sich unter Weiterbildungsdruck gesetzt

Dass die Verantwortungsübernahme für die eigene Weiterbildung mancherorts mangels Alternativen geschieht, legen auch die Ergebnisse nahe, die den Umgang des Vorgesetzten mit Entwicklungsthemen beleuchten: 28 Prozent der befragten Arbeitnehmer geben an, ihr Chef unterstütze sie nicht bei ihrer beruflichen Weiterentwicklung. Und sogar knapp zwei Drittel (63 Prozent) wünschen ihrem Vorgesetzten mehr Kompetenz beim informellen Lernen – nämlich dabei, aus Fehlern zu lernen.

An diesem Punkt sehen die Studienautoren auch die Personaler in der Pflicht: "Personalentwickler sollten kritisch prüfen, ob eine lernfördernde Fehlerkultur und der Zugang zur Weiterbildung in ihrem Unternehmen gegeben sind, und im Zweifelsfall gezielt gegensteuern", sagt Hansjörg Fetzer, Geschäftsführer der Haufe Akademie.

Dass die Arbeitnehmer bei der Weiterbildung große Eigeninitiative entwickeln, hängt offenbar auch noch mit einem weiteren Faktor zusammen. Denn demnach hat sich in den vergangenen Jahren der Druck auf die Arbeitnehmer erhöht, sich ständig auf den neusten Stand zu bringen – davon sind 62 Prozent der Befragten überzeugt.

17 Prozent von ihnen klagen über die zunehmende Belastung, die dadurch für sie entstanden sei – hauptsächlich durch eine große Menge an neuen Inhalte und Kompetenzen, die sie beherrschen und durch das Tempo, in dem sie Neues lernen müssen.

Mehr zu aktuellen Trends in der Personalentwicklung lesen Sie im Interview mit dem E-Learning-Experten Peter Miez-Mangold.