BA setzt auf Ambidextrie in der Führung

Die Bundesagentur für Arbeit ist eine Behörde im Umbruch. Beamtinnen und Beamte gibt es kaum noch, der Großteil der Beschäftigten ist angestellt. Auch die Anforderungen an Karrieremöglichkeiten und Führungs­stile ähneln inzwischen eher denen eines Konzerns. Personalvorständin Katrin Krömer möchte der BA nun ein neues Führungsverständnis vermitteln. Ob das gelingen kann?

Personalmagazin: Mit Ihrer Berufung als Vorständin Ressourcen sind Sie im Oktober 2022 nach siebeneinhalb Jahren bei der Deutschen Bahn zur Bundesagentur für Arbeit zurückgekehrt. Wie fühlt sich das Comeback an?

Katrin Krömer: Eigentlich ist es nur ein halbes Comeback, denn ich kehre ja in neuer Rolle zurück. Zwischen 2009 und 2015 war ich als Geschäftsführerin Personal und Finanzen in der Regionaldirektion in Berlin-Brandenburg. Nun bin ich in der Zentrale der BA in Nürnberg. 

Von Massenarbeitslosigkeit zum Fachkräftemangel

Personalmagazin: Was hat sich seit dieser Zeit verändert?

Krömer: Die Rahmenbedingungen, unter denen die BA heute arbeitet, haben sich grundlegend gewandelt. Wir befinden uns in einer Phase akuten Fach- und Arbeitskräftemangels. Die Reformen, die wir damals angestoßen haben, um mit Massenarbeitslosigkeit umzugehen, passen nicht mehr zu den Herausforderungen dieser Zeit. Heute geht es für uns darum, Arbeitslose und auch Beschäftigte individueller zu beraten und präventiver zu arbeiten. Dazu kommt die Digitalisierung unserer Services für unsere Kundinnen und Kunden, aber auch die Automatisierung von Prozessen und die Fragen, wie wir zusammenarbeiten. 

Personalmagazin: Gab es eine Veränderung, die Sie positiv überrascht hat? 

Krömer: Ich war erstaunt, dass es in einer so großen Organisation inzwischen schon eine ganze Reihe von Ansätzen gibt, wie Menschen bereichs- und hierarchieübergreifend zusammenarbeiten. Im Personalressort haben wir beispielsweise einen partizipativen Weiterentwicklungs- und Innovationsprozess gestartet, an dem viele Kolleginnen und Kollegen mitwirken. 

Ich war erstaunt, dass es in einer so großen Organisation inzwischen schon eine ganze Reihe von Ansätzen gibt, wie Menschen bereichs- und hierarchieübergreifend zusammenarbeiten. - Katrin Krömer

Personalmagazin: Ihrer Behörde haftet das Image eines "Beamtenladens" an. Wie viele Ihrer Beschäftigten sind verbeamtet? 

Krömer: Rund 12.000 unserer 113.000 Mitarbeitenden sind Beamtinnen und Beamten. Da wir seit den Reformen Anfang der 2000er-Jahre nicht mehr verbeamten, sinkt der Anteil durch Pensionierung stetig.

Durchlässige Karrieresysteme für individuelle Entwicklung

Personalmagazin: Wie beeinflusst das Beamtenverhältnis die Führungskräfteentwicklung bei der BA? 

Krömer: Im Grunde überhaupt nicht – und zwar schon seit längerer Zeit. Die verbeamteten Kolleginnen und Kollegen können seit einer Reform bei Karriereschritten in die sogenannte In-Sich-Beurlaubung gehen. Das heißt, der Beamtenstatus wird auf der erreichten Ebene ruhend gestellt und die weitere Karriereentwicklung erfolgt analog derer im Angestelltenverhältnis. Ohne die formellen Laufbahnvoraussetzungen sind wir flexibler und können unseren Beschäftigten deutlich individuellere Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Das schafft mehr Durchlässigkeit in unserem Karrieresystem.

Personalmagazin: Behörden eilt der Ruf einer gewissen Behäbigkeit voraus. Wer möchte in so einem Umfeld arbeiten?

Krömer: Da übertreiben Sie jetzt aber bewusst. Natürlich sind wir von den Strukturen eher mit einem Konzern als mit einem Startup vergleichbar. Die BA ist aber mit ihrem Beitrag zur Gesellschaft und den vielfältigen Aufgaben und Entwicklungsmöglichkeiten eine attraktive Arbeitgeberin.

Digitalisierung schafft Zeit für individuelle Beratungen

Personalmagazin: Sie verfolgen das Ziel einer "menschlicheren Behörde". Gleichzeitig möchte Ihre Vorstandsvorsitzende Andrea Nahles dutzende Prozesse digitalisieren. Wie passt das zusammen?

Krömer: Beides geht Hand in Hand. Wir digitalisieren und automatisieren Prozesse, um einerseits unseren Kundinnen und Kunden einfachere und bessere Dienstleistungen bieten zu können, andererseits unsere Beschäftigten zu entlasten. Die Digitalisierung macht uns effizienter, wodurch mehr Zeit für die individuelle Beratung bleibt. Wir sind eine der wenigen Behörden, die das Onlinezugangsgesetz auch tatsächlich bis Ende des vergangenen Jahres umgesetzt hat. Wir können schon jetzt über 70 Dienstleistungen digital anbieten. 

Die Digitalisierung macht uns effizienter, wodurch mehr Zeit für die individuelle Beratung bleibt. - Katrin Krömer

Personalmagazin: Planen Sie im Zuge der Digitalisierung einen Stellenabbau?

Krömer: Perspektivisch wird sich unser Personalbedarf in der Sachbearbeitung mit fortschreitender Automatisierung reduzieren. Hier hilft uns die Demografie. In den nächsten fünf bis zehn Jahren verlieren wir rund ein Viertel unserer Beschäftigten in die Rente. Die Demografie ist aber gleichzeitig auch eine unserer größten Herausforderungen: Die Frage ist also eher, wie wir diese vielen Abgänge über Rekrutierung kompensieren.

Personalmagazin: Welche Vorstellung von Führung haben Sie für die Bundesagentur für Arbeit?  

Krömer: Wir setzen auf das Konzept der Beidhändigkeit (Ambidextrie). Darin spiegeln sich die Herausforderungen, vor denen Führungskräfte heute stehen, wider. Einerseits müssen sie Strukturen schaffen, in denen die Kolleginnen und Kollegen Leistung bringen können und Ergebnisse sichern. Andererseits den Blick in die Zukunft richten, auf die Transformation des Arbeitsmarktes und den daraus resultierenden Chancen. Außerdem unterstützen wir Führungskräfte dabei, stärker als Coach zu agieren und somit ihre Mitarbeitenden zu mehr Eigenverantwortung zu befähigen. 

Die Rahmenbedingungen für Führung müssen sich ändern

Personalmagazin: Zahlreiche Unternehmen klagen über einen Mangel an Führungsnachwuchs. Es scheint, als seien jüngere Beschäftigte schwerer für Karriere zu begeistern. Teilen Sie diesen Eindruck?

Krömer: Ja, wobei ich daraus nicht per se eine Unlust an Führungsaufgaben ableite. Ich denke, dass sich die Erwartungshaltung der jüngeren Generation verändert hat. Das bedeutet für uns, dass wir den Rahmen, in dem Führung stattfindet, anpassen müssen.

Personalmagazin: Was meinen Sie damit?

Krömer: Zum einen gibt es mehr Möglichkeiten, Führung zu übernehmen, zum Beispiel in Fachcommunities oder Projekten. Hier bieten auch Fachlaufbahnen interessante Alternativen. Zum anderen achten die jüngeren Generationen heute mehr darauf, wie sie Arbeit und Privatleben gut vereinbaren können. Das ist ja auch vernünftig. Dazu kommt, dass bei der BA dreiviertel der Beschäftigten Frauen sind, viele davon in Teilzeit. Auch hier sind flexiblere Modelle gefragt, wenn wir diese Mitarbeiterinnen für Führungsaufgaben gewinnen möchten. Und das ist unser Ziel!

Personalmagazin: Haben Sie eine Quote für Frauen in Führungspositionen?

Krömer: Nein. Allerdings liegen wir auf den unteren Führungsebenen bei einem Frauenanteil von 63 Prozent, darüber wird es weniger. Mittelfristig arbeiten wir daran, dass sich der Gesamtanteil von Frauen bei der BA auch in den oberen Führungsebenen widerspiegelt. Dafür müssen jedoch auch bundesweite Rahmenbedingungen geschaffen werden, wie beispielsweise durch flächendeckende Kinderbetreuung. In einigen Bundesländern funktioniert das deutlich besser als in anderen.

Mittelfristig arbeiten wir daran, dass sich der Gesamtanteil von Frauen bei der BA auch in den oberen Führungsebenen widerspiegelt. Dafür müssen jedoch auch bundesweite Rahmenbedingungen geschaffen werden, wie beispielsweise durch flächendeckende Kinderbetreuung. - Katrin Krömer

Personalmagazin: Einen Lösungsansatz, Führung in Teilzeit, haben Sie bereits erwähnt. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass sich viele Führungspositionen nur bis zu einem gewissen Grad in Teilzeit bekleiden lassen. 

Krömer: Deshalb setzen wir auch auf Jobsharing. Mit Shared Leadership können wir mehr Menschen für Führungspositionen gewinnen. Dazu gehört auch die Möglichkeit für Beschäftigte, in Führungsrollen hineinzuschnuppern, um danach zu entscheiden, ob sie an den Aufgaben Gefallen finden. 

Jobsharing als Angebot für alle Führungskräfte

Personalmagazin: Verursacht Jobsharing nicht einen Mehraufwand beispielsweise durch Abstimmungsprozesse?

Krömer: Sicherlich bedarf es gerade zu Beginn einiger Absprachen und Abstimmung zwischen den beiden Führungskräften. Doch daraus lernen wir als Organisation und das Modell wird mit der Zeit immer besser und tragfähiger. Außerdem sehe ich einen großen Mehrwert, wenn die beiden Führungskräfte sich gegenseitig Feedback geben, Entscheidungen diskutieren und Probleme aus verschiedenen Perspektiven betrachten. Auch die Verantwortung und Belastung lässt sich so besser verteilen. Wichtig ist mir allerdings, dieses Jobsharing als ein Modell für alle Führungskräfte anzubieten, also auch für Männer.

Personalmagazin: Sie vertreten einen modernen Führungsanspruch, sitzen aber selbst noch im klassischen Eckbüro. Wie passt das zusammen?

Krömer: (lacht) Ja, dieses Haus strahlt nicht gerade New Work in Reinform aus. Aber Sie können sich vorstellen, wenn Sie die Strukturen hier sehen, dass das nicht mal eben mit ein paar kosmetischen Eingriffen gemacht ist. Ich mache die Termine aber bewusst auch nicht immer bei mir im Büro, sondern gehe gern zu den Kolleginnen und Kollegen im Haus, um auch auf den Wegen einfacher und leichter ins Gespräch zu kommen. Ich bin überzeugt, damit auch ein Signal auszusenden. Natürlich müssen wir über die Raumstrukturen hier aber grundsätzlicher nachdenken.

Personalmagazin: Welche neuen Aufgaben packen Sie in diesem Jahr an? Was tun Sie für diejenigen Beschäftigten, die beispielsweise vom Strukturwandel betroffen sind?

Krömer: Wir haben vom Verwaltungsrat das Mandat bekommen, die Beratung für Menschen im Erwerbsleben auszubauen. Wir wollen eine Institution sein, in der Arbeitnehmende, auch losgelöst von Themen wie dem Strukturwandel, ihr Erwerbsleben reflektieren können – etwa hinsichtlich der Weiterbildungsmöglichkeiten oder Perspektiven, die ihnen ihr derzeitiger Arbeitgeber bietet. Hierauf konzentrieren sich knapp 600 Kolleginnen und Kollegen zusätzlich. 

Aufholarbeit bei der HR-Digitalisierung

Personalmagazin: Was haben Sie in HR vor? Wie digital ist eigentlich Ihre Personalabteilung?

Krömer: Wir haben eine Roadmap, um die wesentlichen Elemente des HR-Managements in den nächsten Jahren zu digitalisieren. Gerade sind wir dabei, die Grundlagen zu schaffen. Aktuell arbeiten wir noch auf einem On-Premise-System. Aber die Entscheidung, dass wir investieren möchten, ist gefallen. Jetzt geht es an die Aufholarbeit.  

Personalmagazin: Welche Zielsetzung verfolgen Sie mit der Digitalisierung von HR?

Krömer: Wir möchten schneller und effizienter werden, sodass unseren HR-Mitarbeitenden mehr Zeit für beratende Aufgaben bleibt. Gleichzeitig wollen wir mit den neuen Systemen und Anwendungen individuellere Orientierungsmöglichkeiten und Angebote für die eigene Entwicklung und Lernen bieten und damit auch den Kulturwandel unterstützen. 

Gleichzeitig wollen wir mit den neuen Systemen und Anwendungen individuellere Orientierungsmöglichkeiten und Angebote für die eigene Entwicklung und Lernen bieten und damit auch den Kulturwandel unterstützen. - Katrin Krömer

Personalmagazin: Sie arbeiten im Schatten einer prominenten Vorstandsvorsitzenden, Andrea Nahles. Wie gehen Sie damit um?

Krömer: Der Großteil meiner Themen ist nur für die Fach-Communities interessant. Deshalb habe ich nicht den Anspruch, mit nach innen gerichteten Themen eine große Außenwahrnehmung zu erzielen. Wir profitieren in der Gesamtorganisation sehr, wenn Andrea Nahles Bekanntheit unseren Anliegen mehr Sichtbarkeit verschafft.  

Personalmagazin: Welche Rolle spielt HR für Ihre Vorstandsvorsitzende?

Krömer: Meine Themen stoßen im gesamten Vorstandsteam auf offene Ohren. Dafür bin ich sehr dankbar, denn das ist leider keine Selbstverständlichkeit. Ich habe früher auch Situationen erlebt, in denen ich um Investitionen in HR kämpfen musste. Natürlich können wir auch hier nicht aus dem Vollen schöpfen, aber dem Vorstandsteam ist dennoch klar, dass eine gewisse Aufbauarbeit im Personalbereich notwendig ist, damit die BA ihre strategische Ziele erreichen kann. Und dieses Commitment haben wir – sowohl was die Investitionen in die Digitalisierung angeht als auch in unser neues Führungsleitbild.

Dieser Beitrag ist erschienen in Personalmagazin Ausgabe 3/2023. Lesen Sie das gesamte Heft auch in der Personalmagazin-App.


Das könnte Sie auch interessieren:

Sophie von Saldern: "Ohne Ruhepause treiben wir Beschäftigte in den Burn-out"

Frauenanteil in Aufsichtsräten, Vorständen und Führungspositionen 2023

Der schwierige Ruf nach mehr Verantwortung