Arbeitsschutz: Psychische Belastungen vernachlässigt

Das Arbeitsschutzgesetz schreibt vor, routinemäßig auch Gefährdungen durch psychische Faktoren zu analysieren. Nur ein Viertel der Unternehmen kommt dieser Pflicht nach. Das geht aus dem aktuellen Arbeitssicherheitsbarometer der Dekra hervor.

Für das Arbeitssicherheitsbarometer 2015/2016 hat Deutschlands größte Prüforganisation Dekra 800 Unternehmen nach den Entwicklungen im Arbeits- und Gesundheitsschutz befragt. Dabei zeigt sich, dass die Themen des klassischen Arbeitsschutzes dominieren. So ist für vier von fünf (80 Prozent) der Befragten die Gestaltung der Arbeitsstätte besonders wichtig, für zwei Drittel (65 Prozent) der sichere Einsatz von Arbeitsmitteln, Maschinen und Geräten.

Klassischer Arbeitsschutz steht im Vordergrund

Psychische Belastungen werden aber nur von einer Minderheit (25 Prozent) als besonders wichtig bezeichnet. Dabei sind psychische Erkrankungen laut aktueller Statistik die zweithäufigste Ursache für Fehlzeiten. Nach einer aktuellen Studie der Krankenkasse DAK war 2014 jeder 20. Beschäftigte aus diesem Grund zeitweise arbeitsunfähig. Umgerechnet auf die Gesamtbevölkerung wären dies 1,9 Millionen Menschen; 16,6 Prozent der Fehlzeiten gehen auf das Konto von psychischen Erkrankungen.

Psychische Belastungen sind immer noch ein Tabuthema

 „Psychische Belastungsfolgen sind in vielen Unternehmen ein Tabu“, sagt Dr. Karin Müller, Leiterin des Bereichs „Mensch und Gesundheit“ bei DEKRA. „Die Analyse der psychischen Gefährdungen bringt in der Praxis zuweilen unangenehme Wahrheiten zutage, die häufig Handlungsbedarf bei den Unternehmensführungen erzeugen. Nötig ist deshalb eine professionelle Gestaltung gesunder Arbeits- und Führungsstrukturen.“ Es gibt anerkannte Methoden, mit denen Fachleute routinemäßig im Rahmen einer Betriebsbesichtigung die psychischen Gefährdungen erfassen können. Diese können entstehen durch ungenügend gestaltete...

  • Arbeitsaufgaben, also beispielsweise Über- oder Unterforderung,
  • Arbeitsorganisation wie hoher Zeitdruck oder unregelmäßige Arbeitszeiten,
  • soziale Bedingungen, ungünstiges Führungsverhalten oder Konflikte,
  • Arbeitsplatzumgebung, beispielsweise Stress durch Lärm, Klima, räumliche Enge oder unzureichende Arbeitsmittel.


Unternehmen glauben selbst nicht an den Erfolg ihrer Maßnahmen

Das Arbeitssicherheitsbarometer deutet auch im Bereich der Unfallverhütung auf kommunikative Defizite in den Betrieben hin. „Viele Unternehmen ergreifen zwar pflichtgemäß Maßnahmen zur Unfallverhütung, glauben aber selbst nicht an deren Erfolg“, beobachtet Michael Schröter, Produktmanager für Arbeits- und Gesundheitsschutz bei Dekra. So stellen 92 Prozent der in dieser Studie befragten Unternehmen Betriebsanweisungen zur Verfügung, aber nur 63 Prozent halten genau diese Maßnahme für wirksam. Ähnlich negativ ist das Verhältnis bei Maßnahmen zur Anlagensicherheit, zu Arbeitsschutzausrüstungen sowie Sicherheitsbegehungen und Schulungen.

Kommunikative Defizite

Arbeitsschutzexperte Schröter: „Die Befragung zeigt ganz klar, dass im organisatorischen und kommunikativen Bereich die größten Verbesserungspotenziale für den Arbeits- und Gesundheitsschutz stecken. Der Technische Arbeitsschutz befindet sich in der Bundesrepublik bereits auf einem sehr hohen Niveau. Das zeigt sich an den vergleichsweise geringen Unfallzahlen. Doch in der Praxis mangelt es häufig an Prozessen, Organisation und Führung.“