Der Urlaubsanspruch entsteht auch, wenn der Arbeitnehmer aufgrund von Arbeitsunfähigkeit keine Arbeitsleistung erbringt. Nach der Rechtsprechung des BAG ist für die Entstehung des Urlaubsanspruchs nur der Bestand des Arbeitsverhältnisses und die Erfüllung der 6-monatigen Wartezeit nach § 4 BUrlG Voraussetzung. Auf die Erbringung von Arbeitsleistung im Urlaubsjahr kommt es nicht an.

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2.1 Übertragungszeitraum bei Langzeiterkrankung

Die Frage, ob der Urlaubsanspruch wieder erlischt, wenn der Arbeitnehmer für die gesamte Dauer des Urlaubsjahrs und des sich anschließenden Übertragungszeitraums gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG durchgängig arbeitsunfähig krank war, war lange umstritten.

Das BAG hat erst mit Urteil vom 24.3.2009 im Anschluss an die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 20.1.2009[1] in gemeinschaftsrechtskonformer Fortbildung des § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG festgestellt: Der Anspruch auf Abgeltung gesetzlichen Voll- oder Teilurlaubs erlischt nicht innerhalb des gesetzlich vorgesehenen Übertragungszeitraums, wenn der Urlaubsanspruch aufgrund der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers bis zum Ende des Übertragungszeitraums nicht erfüllt werden konnte.[2] Maß gibt vielmehr ein deutlich längerer Übertragungszeitraum. Der Urlaubsanspruch geht in diesem Fall nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres unter[3], also 1 Jahr später als vom deutschen Gesetzgeber vorgesehen.

 
Praxis-Beispiel

Urlaubsverfall nach 15 Monaten

Ein Mitarbeiter konnte seinen Urlaub von 20 Tagen in den Jahren 2021 und 2022 wegen durchgehender Arbeitsunfähigkeit nicht nehmen. Er bleibt arbeitsunfähig bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses im August 2023.

Der Arbeitgeber muss den Urlaub aus dem Jahr 2022 abgelten, da dieser erst mit Ablauf des 31.3.2024 verfallen würde. Der Urlaub aus 2021 ist bereits mit Ablauf des 31.3.2023 verfallen und muss nicht mehr abgegolten werden.

Eine Ausnahme von der 15-monatigen Verfallfrist kann für vertraglichen und tarifvertraglichen Mehrurlaub bestehen, da dieser individuell vertraglich geregelt werden kann. Besteht keine eigenständige Regelung für den darüber hinausgehenden Urlaubsanspruch, ist von einem Gleichlauf des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Mehrurlaubs auszugehen.[4]

Dies gilt auch für den Zusatzurlaub für Menschen mit Schwerbehinderung nach § 208 SGB IX.[5]

In Tarifverträgen kann auch zum Nachteil der Arbeitnehmer von den Vorschriften des BUrlG abgewichen werden, jedoch nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG nicht für Abweichungen von den §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 BUrlG. Das BAG hält demzufolge eine Tarifnorm, nach der der nicht gewährte Urlaub auf das nächste Kalenderjahr nur übertragen werden kann, wenn die Gewährung aus außergewöhnlichen betrieblichen Gründen bis zum Ablauf des alten Urlaubsjahres nicht möglich war, gemäß § 13 Abs. 1 BUrlG i. V. m. §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG insoweit für unwirksam, als sie den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch trotz der Unmöglichkeit der Inanspruchnahme wegen Krankheit am Jahresende zum Erlöschen bringen soll.[6]

2.2 Mitwirkungsobliegenheit bei Langzeiterkrankung

Erkrankung während des gesamten Urlaubsjahres

In einer Entscheidung aus dem Jahr 2021 vertrat das BAG die Ansicht, dass bei durchgehender Krankheit im Urlaubsjahr der Verfall des Urlaubs nach 15 Monaten auch dann eintreten kann, wenn der Arbeitgeber seine Hinweispflichten im Hinblick auf den Urlaub des Mitarbeiters sowie den drohenden Verfall unterlassen hat. Die Aufforderungs- und Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers bestünden zwar grundsätzlich, so das Gericht in seiner Entscheidung, auch, wenn und solange der Arbeitnehmer arbeitsunfähig ist. Allerdings sei die Befristung des Urlaubsanspruchs bei einem richtlinienkonformen Verständnis des § 7 Abs. 3 BUrlG nicht von der Erfüllung der Aufforderungs- und Mitwirkungsobliegenheiten abhängig, wenn es – was erst im Nachhinein feststellbar ist – objektiv unmöglich gewesen wäre, den Arbeitnehmer durch Mitwirkung des Arbeitgebers in die Lage zu versetzen, den Urlaubsanspruch zu realisieren. Der Urlaub verfällt in diesem Fall also unabhängig von der Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheit 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres.[1]

Urlaub hätte bis zur Erkrankung zumindest noch teilweise genommen werden können

Fraglich ist aber, ob der Urlaubsanspruch auch erlischt, wenn der betreffende Arbeitnehmer den Urlaub vor Arbeitsunfähigkeit hätte nehmen können.

In 2 Fällen fragte das BAG beim EuGH an, ob Arbeitgeber ihre Mitarbeiter auch dann auf den drohenden Verfall von Urlaub hinweisen müssen, wenn die Beschäft...

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