Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsabgeltung bei Arbeitsunfähigkeit. gesetzlicher Mindesturlaub. gesetzlicher Zusatzurlaub für Schwerbehinderte, kein Verfall. fortdauernde Arbeitsunfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Der gesetzliche Mindesturlaub nach § 3 Abs. 1 BurlG sowie der gesetzliche Schwerbehindertenzusatzurlaub gemäß § 125 Abs. 1 SGB IX sind nicht nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BurlG befristet, wenn der Arbeitnehmer dauernd arbeitsunfähig ist. Infolgedessen erlischt der Abgeltungsanspruch dieser gesetzlichen Voll- oder Teilurlaubsansprüche nicht, auch wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des laufenden Urlaubsjahres und/oder des Übertragungsjahres fortlaufend krank und deshalb arbeitsunfähig ist.

 

Normenkette

BUrlG § 7 Abs. 3-4; RL 88/2003/EG Art. 7

 

Verfahrensgang

ArbG Neumünster (Urteil vom 25.11.2010; Aktenzeichen 4 Ca 940 c/10)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 25.11.2010, Az. 4 Ca 940 c/10, teilweise wie folgt abgeändert:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 8.606,77 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2010 zu zahlen.
  2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt die Beklagte zu 86 % und der Kläger zu 14 %.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltungsansprüche des Klägers.

Der schwerbehinderte Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.04.1994 als Mitarbeiter im wissenschaftlichen Außendienst (sog. Pharmareferent) tätig. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch ordentliche Kündigung der Beklagten zum 30.06.2010. Auf das Arbeitsverhältnis fanden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die jeweils gültigen Tarifverträge der Chemischen Industrie Anwendung. Bei einer Fünf-Tage-Woche betrug das Monatsgehalt des Klägers zuletzt EUR 3.330,00 brutto. Arbeitsvertraglich stand dem Kläger ein Jahresurlaub von 30 (Arbeits-)Tagen zu. Gemäß § 125 SGB IX konnte der Kläger einen jährlichen Zusatzurlaub von 5 Arbeitstagen beanspruchen.

Vor seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen der Beklagten war der Kläger vom 13.05.2008 bis 30.09.2009 sowie ab 02.10.2009 fortlaufend bis zum 30.06.2010 arbeitsunfähig krank. Im Jahre 2008 hatte die Beklagte dem Kläger 17 Urlaubstage gewährt. Mit Anwaltsschreiben vom 05.07.2010 machte der Kläger Urlaubsabgeltungsansprüche für aufgrund Arbeitsunfähigkeit nicht gewährten Urlaub aus den Jahren 2008 bis 2010 geltend. Für 2008 beanspruchte er 18 Tage Urlaubsabgeltung, ausgehend von dem vertraglichen Urlaubsanspruch von 30 Tagen zzgl. 5 Urlaubstage nach § 125 SGB IX abzgl. 17 genommener Urlaubstage. Für 2009 und anteilig für 2010 beschränkte der Kläger den Abgeltungsanspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub und den gesetzlichen Zusatzurlaub für Schwerbehinderte, sodass ihm für 2009 ein Abgeltungsanspruch für 29 Tage und für 2010 anteilig aufgerundet für 18 Tage zustehe. Für insgesamt 65 offene Urlaubstage beanspruchte er EUR 9.990,00 brutto Urlaubsabgeltung (EUR 3.330,00 × 3: 65 × 65). Die Beklagte lehnte die Forderung ab.

Mit seiner am 29.07.2010 vor dem Arbeitsgericht erhobenen Zahlungsklage hat der Kläger die Urlaubsabgeltungsansprüche weiterverfolgt.

Die Beklagte hat gemeint,

der Abgeltungsanspruch sei gemäß § 17 MTV Chemieindustrie verfallen. Aufgrund der fortlaufenden Arbeitsunfähigkeit sei der Abgeltungsanspruch als Surrogat des Erfüllungsanspruchs verfallen. Im Übrigen hat sie mit einem im Jahre 1994 an den Kläger gezahlten Spesenvorschuss über DM 2.000,00 sowie mit Stornokosten für einen am 07.10.2009 gebuchten Flug über EUR 187,22 die Aufrechnung erklärt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands in erster Instanz, insbesondere des weiteren streitigen Parteivorbringens, sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Das Arbeitsgericht hat der Zahlungsklage unter Berufung auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24.03.2009, Az. 9 AZR 983/07, in vollem Umfang stattgegeben. Der Abgeltungsanspruch sei auch nicht durch Aufrechnung erloschen. Die Beklagte habe aufrechenbare Ansprüche nicht substantiiert dargelegt und im Übrigen seien diese aufgrund der tariflichen Ausschlussfrist verfallen.

Gegen dieses ihr am 09.12.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am Montag, den 10.01.2011, beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Berufung eingelegt und diese, nach gewährter Fristverlängerung bis zum 09.03.2011, am 08.03.2011 begründet.

Die Beklagte wiederholt

im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Weder die EuGH-Entscheidung vom 20.01.2009 noch die darauf gestützte BAG-Entscheidung vom 24.03.2009, Az. 9 AZR 983/07, vermögen zu überzeugen. Diese Rechtsprechung verstoße gegen Art. 12 GG sowie gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Der Abgeltungsanspruch, der in Art. 7 der Richtlinie 2003/88 EG ausdrücklich als Ersatz für den Mindest...

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