Rz. 7

Der Schutz der Schwangeren und der nachgeburtliche Schutz der Mutter ist in einer globalen Wirtschaftswelt Grundlage einer arbeitspolitischen und sozialpolitischen Entwicklung von internationaler Bedeutung. Der Einführung des Mutterschutzgesetzes ging eine internationale Diskussion über den Schutz von Frauen und Müttern in der Arbeitswelt voraus und die Bemühungen um Veränderungen in den Arbeitsbedingungen führten auch zu einer Weiterentwicklung des konkreten Mutterschutzes. So hat die Internationale Arbeitskonferenz 1965 etwa die Einführung eines Mutterschaftsurlaubs empfohlen.[1] Auch die ILO, die International Labour Organisation[2] hat schon 1952 mit dem Übereinkommen zum Mutterschutz (Neufassung 2002[3]) umfassende politische Akzente gesetzt, um den Mutterschutz in der Arbeitswelt konkret zu etablieren und begleitet die Weiterentwicklung in der Arbeitswelt mit sich verändernden Rahmenbedingungen. Nicht mehr nur die klassische Produktionswelt in einer Fabrik, sondern zunehmend moderne Formen der Arbeitsleistung in einer flexiblen, digitalen Welt verlangen die Weiterentwicklung des Mutterschutzes, um dem Anspruch auf Schutz gerecht zu werden. Die "Empfehlung 101" der ILO verlangt einen Mutterschutz in Form von Anpassung der Arbeitsbedingungen, Mutterschaftsurlaub, Beschäftigungsschutz, ärztliche Betreuung und Diskriminierungsschutz.[4]

 

Rz. 8

In der vom Europäischen Rat[5] verabschiedeten Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer heißt es insbesondere in Abs. 19: "Jeder Arbeitnehmer muss in seiner Arbeitsumwelt zufriedenstellende Bedingungen für Gesundheitsschutz und Sicherheit vorfinden. Es sind geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Harmonisierung der auf diesem Gebiet bestehenden Bedingungen auf dem Weg des Fortschritts weiterzuführen." Der besondere Schutz ist damit von internationaler Bedeutung für Arbeitsbedingungen und Sozialpolitik.

Die 10. Einzelrichtlinie i. S. d. Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG[6] (Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie) mit Mindestvorschriften zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz war von den Mitgliedstaaten in Nationales Recht umzusetzen. Für das Mutterschutzrecht ist dies durch das vorliegende MuSchG erfolgt.

Zwar verpflichtet bereits die umfassende Grundsatzvorschrift des § 9 Abs. 1 den Arbeitgeber, bei der Gestaltung des Arbeitsplatzes alle erforderlichen Vorkehrungen und Maßnahmen zum Schutz von Leben und Gesundheit der werdenden oder stillenden Mutter zu treffen. Diese und die fortfolgenden Regelungen berücksichtigen das durch die Art. 4-6 der Mutterschutz-Richtlinie vorgegebene und vom Arbeitgeber zu beachtende stufenweise Vorgehen bei der Gestaltung des Arbeitsplatzes zum Schutze der betroffenen Frauen.[7]

Die Europäische Sozialpolitik nimmt eine Aufteilung in Arbeitsrecht und Sozialpolitik nicht vor; vielmehr wird der Arbeitsvertrag und seine sozialpolitische Bedeutung in Art. 151 AEUV[8] als vorrangiges Ziel einer europäischen Sozialpolitik definiert.[9] Damit sind der Schutz der Arbeitnehmer und die Sicherheit der Arbeitsplätze (aus dem Blickwinkel der Gesundheitsvorsorge), einschließlich des Arbeitsumfeldes und der Arbeitsbedingungen primäres Betätigungsfeld des Europarechts.[10] Die Umsetzung des Gesundheits- und Arbeitsschutzes in nationales Recht erfolgt durch die einzelnen Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes, der Arbeitsstättenverordnung sowie der speziellen Arbeitsschutzverordnungen und – für den Spezialfall der Schwangerschaft – des Mutterschutzgesetzes.

Das Mutterschutzgesetz trat erstmals am 6.2.1952 in Kraft und greift die in den internationalen Dokumenten beschriebenen Schutzziele auf. Ergänzt wurde es durch die "Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz (MuSchArbV)". Die EU-Mutterschutz-Richtlinie definiert seit 1992 europaweit Mindeststandards für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz. Das Mutterschutzgesetz wurde mehrfach geändert und im Mai 2017 neu gefasst, wobei dabei die MuSchArbV in das Gesetz (redaktionell und inhaltlich) integriert wurde.

 

Rz. 9

Das Mutterschutzgesetz ist zwingendes Recht. Auf die Rechtsposition des Mutterschutzgesetzes in der Normenpyramide kann nicht verzichtet werden. Ein Vertrag, der die Rechte einer werdenden Mutter einschränkt oder die Normen des Mutterschutzgesetzes an Bedingungen knüpfen würde, ist rechtswidrig. Das MuSchG enthält zwingende, allgemeine, privatrechtliche Fürsorgepflichten des Arbeitgebers und Gebotsnormen, deren Geltung weder durch kollektivrechtliche Regelungen (Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen) noch durch Einzelvertrag eingeschränkt werden können.[11] Als spezialgesetzliche Regelung könnten Bestimmungen des MuSchG auch durch die Norm eines Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung nicht ausgehebelt werden.

Gleiches gilt für Anweisungen und Vorgaben...

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