Rz. 11

Der Arbeitgeber muss allerdings – wie bei jeder Anwendung des Direktionsrechts – billiges Ermessen ausüben. Im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen hat der Arbeitgeber sein Weisungsrecht gem. § 106 GewO nach billigem Ermessen auszuüben. Das verlangt von ihm eine Abwägung der wechselseitigen berechtigten Interessen unter Einbeziehung verfassungsrechtlicher Wertentscheidungen.[1] Dabei ist zu berücksichtigen, dass es hier nicht um eine abstrakte Prüfung der vertraglichen Gleichwertigkeit geht, sondern um den Schutzzweck der Norm, also das berufliche Fortkommen und das Verbot einer Benachteiligung wegen der Schwangerschaft. Der Arbeitgebermuss bei seiner Entscheidung daher auch die berechtigten Belange der Frau beachten, insbesondere ihre persönliche Situation kurz nach der Geburt des Kindes. Darüber hinaus ist § 16 Abs. 2 MuSchG zu berücksichtigen, wonach der Arbeitgeber der Frau bei Vorliegen eines entsprechenden ärztlichen Zeugnisses keine Tätigkeit zuweisen darf, die die Leistungsfähigkeit der Frau übersteigt. Das dürfte er auch nach § 106 GewO nicht, selbst wenn kein ärztliches Attest darüber vorliegt. Wenn die Frau stillt, sind weiterhin die Einschränkungen der Beschäftigung für stillende Frauen zu beachten.

 

Rz. 12

Eine weitere Grenze für die Ermessensausübung besteht darin, dass der Arbeitgeber für seine Entscheidung, der Frau nach Ende des Beschäftigungsverbots eine neue Tätigkeit zuzuweisen, einen sachlichen Grund benötigt. Der bloße Umstand, dass die Frau wegen des Beschäftigungsverbots den Arbeitsplatz vorübergehend nicht besetzt hat, ist kein Grund. Im Gegenteil wäre es ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot wegen des Geschlechtes nach §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 2 AGG, der zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet. Wenn es dem Arbeitgeber ohne Weiteres möglich ist, die Frau nach Ende des Beschäftigungsverbots wieder auf ihrem alten Arbeitsplatz einzusetzen, dann muss er das tun, wenn er keine nachvollziehbaren Gründe wie betriebliche Notwendigkeiten für die Zuweisung einer anderen Tätigkeit hat. Ist die ausgesprochene Weisung unbillig, ist sie nur für den Arbeitgeber, nicht aber für die Arbeitnehmerin verbindlich. Da mangels Verbindlichkeit die Leistungspflicht nicht in der vom Arbeitgeber bestimmten Art und Weise konkretisiert worden ist, kann dieser die von ihm gewünschten Handlungen nicht verlangen. Die Arbeitnehmerin kann zwar die für sie unverbindliche Weisung befolgen, will sie das jedoch nicht, dann muss sie das binnen einer angemessenen Frist (§ 242 BGB) geltend machen. Kommt die Arbeitnehmerin einer Weisung nicht nach, weil sie diese für unverbindlich hält, handelt sie zunächst auf eigenes Risiko.[2] Überschreitet der Arbeitgeber die Grenzen des Direktionsrechts, kann die Arbeit verweigert werden, ohne dass der Arbeitgeber deshalb zu einer Kündigung berechtigt wäre.

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