Rz. 22

§ 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 verbietet auch die Kündigung gegenüber einer Frau bis zum Ablauf von 4 Monaten nach einer Fehlgeburt nach der 12. Schwangerschaftswoche. Nach der überwiegenden Auffassung zur Vorgängerregelung des § 9 MuSchG a. F.[1] stellte eine Fehlgeburt keine Entbindung dar. Das BAG[2] wendete zur Abgrenzung der Tot- von der Fehlgeburt § 31 der Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes (PStV) an. Danach liegt eine Totgeburt vor, wenn das Kind keines der in Abs. 1 genannten Lebensmerkmale Herzschlag, pulsierende Nabelschnur oder natürliche Lungenatmung gezeigt, das Gewicht der Leibesfrucht jedoch mindestens 500 Gramm betragen hat. Beträgt das Gewicht dagegen weniger als 500 Gramm, so ist eine Fehlgeburt gegeben.

Diese Differenzierung ist durch die Neuregelung des § 17 Abs. 1 Nr. 3 hinfällig geworden. Nach der Auffassung des Gesetzgebers[3] war diese Unterscheidung aus medizinischer Sicht nicht sachgerecht. Sie werde auch der Intention des MuSchG nicht gerecht, da auch Frauen nach einer Fehlgeburt unabhängig von der Gewichtsgrenze des Kindes von 500 Gramm einer besonderen Belastungssituation ausgesetzt seien. Der Gesetzgeber führte daher eine Stichtagsregelung nach der 12. Schwangerschaftswoche ein. Damit wollte er dem Umstand Rechnung tragen, dass im Allgemeinen die Schwangerschaft der Frau aus psychologischer Sicht danach als "sicher" bewertet wird und sich die Bindung der Mutter zu ihrem ungeborenen Kind ab diesem Zeitraum besonders intensiviert.

 

Rz. 23

Der Kündigungsschutz besteht im Fall der Fehlgeburt nach der 12. Schwangerschaftswoche bis zum Ablauf des 4. Monats nach der Fehlgeburt.

Zur Berechnung der 4-Monats-Frist finden wiederum die §§ 187, 188 BGB Anwendung. Unter Anwendung der BAG-Rechtsprechung zum Beginn des Kündigungsschutzes (Rückrechnung um 280 Tage, vgl. Rz. 15) endet die 12. Schwangerschaftswoche am 196. Tag vor dem errechneten Entbindungstermin. Der besondere Kündigungsschutz für Fehlgeburten beginnt mit dem 195. Tag vor dem errechneten Entbindungstermin und endet mit Ablauf des Tages, der unter Hinzurechnung von 4 Monaten durch seine Benennung dem Tag entspricht, auf den die Entbindung fällt. Dabei ist unerheblich, ob der letzte Tag der Frist ein Samstag, Sonn- oder Feiertag ist, da § 193 BGB wiederum keine Anwendung findet.[4]

 
Praxis-Beispiel

Die Fehlgeburt in der 15. Schwangerschaftswoche erfolgt am 23.6.2023. Der besondere Kündigungsschutz endet am 22.10.2023, dabei ist es gleichgültig, dass dies ein Sonntag ist.

Tritt eine Fehlgeburt aber bis zur 12. Schwangerschaftswoche auf, endet der besondere Kündigungsschutz mit der Fehlgeburt, insoweit bestehen keine Besonderheiten zur früheren Rechtslage. Maßgeblich ist dabei der Zeitpunkt der Trennung der Leibesfrucht vom Mutterleib.[5]

[1] LAG Köln, Urteil v. 21.1.2000, 11 Sa 1195/99, NZA-RR 2001, 303; LAG Hamburg, Urteil v. 26.11.2003, 4 Sa 62/03, NZA-RR 2005, 72. Vgl. zur Vorgängerregelung Buchner/Becker, 8. Aufl. 2008, § 1 MuSchG, Rz. 157 ff.; Meisel/Sowka, 5. Aufl. 1999, § 6, Rz. 2a; für eine Erweiterung des Kündigungsschutzes auf diese Fälle KR/Bader/Gallner, 11. Aufl. 2016, § 9 MuSchG, Rz. 31; HK-MuSchG/BEEG/Schöllmann, 3. Aufl. 2014, § 9 MuSchG, Rz. 26.
[3] Vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 230/16 v. 6.5.2016 S. 98 ff.
[4] Vgl. Brose/Weth/Volk/Volk, § 17 MuSchG, Rz. 31.

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