Rz. 30

Die vorläufige Bewilligung der Leistungen bildet in der Praxis den Regelfall. Die Regelung gilt für das Basiselterngeld, das Elterngeld Plus und auch für den Partnerschaftsbonus. Die Geschwister- und Mehrlingszuschläge sind Teil der jeweiligen Leistung. Die Elterngeldstelle ist ermächtigt, die Bewilligung unter dem Vorbehalt der Vorläufigkeit auszusprechen. Der Vorbehalt muss in dem Bewilligungs-VA klar zum Ausdruck kommen (sog. Vorbehaltsbescheid[1]). Maßstab für die Auslegung des Verwaltungsakts ist die Sicht eines verständigen Empfängers. Da ein Verwaltungsakt nach § 33 Abs. 1 SGB X hinreichend bestimmt sein muss, gehen Unklarheiten zulasten der Behörde.[2] Dies gilt auch für die Frage, ob ein Bescheid die Leistung nur vorläufig bewilligt.[3] Allerdings hält es die Rechtsprechung des BSG für möglich, den Bescheid nachträglich, z. B. noch im Widerspruchsverfahren, mit einem Vorläufigkeitsvorbehalt zu versehen.[4]

 

Rz. 31

Der Vorbehalt der Vorläufigkeit ist eine Nebenbestimmung, die gesondert anfechtbar und ggf. vom Gericht aufhebbar ist. Ggf. kann die Rückkehr von der endgültigen zur vorläufigen Regelung erstritten werden.[5] Die Elterngeldstelle kann die Leistung aber nicht nur vorläufig bewilligen, sondern deren Zahlung bei Bekanntwerden neuer Tatsachen auch ohne Verwaltungsakt vorläufig einstellen (§ 26 Abs. 2 BEEG i. v. m. § 328 Abs. 3 SGB III[6]).

 

Rz. 32

Die vorläufige Leistung von Elterngeld nach § 8 Abs. 3 Satz 1 betrifft nur die Höhe der Leistung und ist in folgenden Konstellationen, die alternativ nebeneinander stehen, geboten:

  • Nr. 1: Zum Zeitpunkt der Antragstellung liegt der Steuerbescheid für den letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes nicht vor (Alt. 1) und es ist nicht sicher, ob die Einkommenshöchstgrenzen für Leistungen nach dem BEEG überschritten werden (dazu § 1 Abs. 8 BEEG). Auch die Unsicherheit über die steuerrechtliche Behandlung "sonstiger Bezüge" kann dazu führen, dass die Leistung bis zur Vorlage des Steuerbescheids vorläufig bewilligt wird. Es genügt schon, dass der Steuerbescheid für einen Teil des Bemessungszeitraums (§ 2b BEEG) noch nicht vorliegt.[7]
  • Nr. 2: Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt kann (noch) nicht ermittelt werden. Auch hier wird die Ermittlung häufig daran scheitern, dass der Steuerbescheid für den Bemessungszeitraum oder einen Teil von diesem noch nicht vorliegt.[8]
  • Nr. 3: Die oder der Berechtigte hat im Antrag angegeben, dass sie oder er während des Leistungsbezugs voraussichtlich Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt.
 

Rz. 33

Ein typischer Anwendungsfall der Nr. 1 ist die Unsicherheit, ob die Einkommenshöchstgrenzen überschritten werden. Zwar wird auch insoweit auf den letzten Veranlagungszeitraum vor der Geburt abgestellt. Es kommt also auf die Einkommenshöhe im Kalenderjahr vor der Geburt an. Wird aber ein Kind am Anfang eines Jahres geboren, wird noch nicht feststehen, wie hoch das Einkommen nach § 2 Abs. 5 EStG im Vorjahr war.

 

Rz. 34

Typischer Anwendungsfall der Nr. 2 ist die selbstständige Tätigkeit, deren Einkommen sich erst nach Ermittlung des steuerrechtlichen Gewinns genau bestimmen lässt. § 2d Abs. 2 BEEG verweist zwar auf den im Einkommensteuerbescheid des maßgeblichen Veranlagungszeitraums angegebenen Gewinn. Der Steuerbescheid wird im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Elterngeld aber nur ausnahmsweise bereits vorliegen. Regelmäßig sind dieser Personengruppe Leistungen nach dem BEEG nur vorläufig zu bewilligen. Sobald der Einkommensteuerbescheid vorliegt und vorgelegt wird, ist abschließend über die Höhe der Leistung zu entscheiden. Aber auch bei Beschäftigten mit unsteten Entgelten (Provisionen, Akkordlohn u. Ä.) kann das zu ersetzende Einkommen nicht zu ermitteln und die Leistung nur vorläufig zu bewilligen sein.

 

Rz. 35

Nr. 3 betrifft alle Bezieher von Elterngeld, die im Antrag angegeben haben, dass sie während des Leistungsbezugs Einkommen erzielen werden. In diesen Fällen lässt sich die Höhe des Anspruchs erst nach Ablauf des Bezugszeitraums sicher bestimmen, weil das tatsächlich erzielte Einkommen noch nicht feststeht. Es kann während des Leistungsbezugs durch verschiedene Faktoren, wie Krankheit, Kurzarbeit, Entgelterhöhung, Auftragslage bei selbstständiger Tätigkeit beeinflusst werden. Auch in diesen Fällen ist die Leistung nur vorläufig zu bewilligen. Nicht nach der Vorschrift ist der Fall zu behandeln, dass der maßgebliche Steuerbescheid zwar ergangen ist, von dem Antragsteller aber entgegen Abs. 1 der Vorschrift nicht vorgelegt wird. Ist die Einkommensgrenze in solchen Fällen überschritten, ist die Bewilligung von Anfang an rechtswidrig und kann ohne Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 SGB X zurückgenommen werden.[9]

 
Achtung

Inhalt des Bescheids geht vor

Wird von der zuständigen Stelle (zu Unrecht) eine Bewilligung ausgesprochen, die der Empfänger als endgültig verstehen darf, wird der Verwaltungsakt mit diesem Inhalt wirksam und bindend, auch wenn die Bewilligung nur ...

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