Rz. 21

§ 1 Abs. 1 Satz 1 legt die Personengruppe fest, die einen Anspruch auf Elterngeld hat. Erste Voraussetzung für die Gewährung von Elterngeld ist dabei ein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Bundesgebiet (Nr. 1). Als weitere Voraussetzung sieht § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft mit dem Kind vor, für das Elterngeld in Anspruch genommen werden soll. Dessen Betreuung und Erziehung durch den Anspruchsberechtigten (Nr. 3) ist ebenso erforderlich wie eine Reduzierung oder vollständige Aufgabe der Erwerbstätigkeit (Nr. 4). Alle Merkmale des § 1 Abs. 1 Satz 1 sind vom Antragsteller kumulativ zu erfüllen. Auch Ausländer können Elterngeld in Anspruch nehmen. Für freizügigkeitsberechtigte Ausländer gilt dies ohne Weiteres, nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer müssen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 7 erfüllen.[1] § 1 Abs. 1 Satz 2 stellt klar, dass bei Mehrlingsgeburten nur ein Anspruch auf Elterngeld besteht.

 

Rz. 22

 
Wichtig

Bewilligungsbescheid kann zurückgenommen werden

Stellt sich während des Leistungsbezugs oder im Nachhinein heraus, dass eine oder mehrere Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 von Anfang an nicht erfüllt waren oder während des Bezugszeitraums entfallen sind, kann die nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BEEG zuständige Behörde die Bewilligungsentscheidung nach Maßgabe des § 26 Abs. 1 BEEG i. V. m. § 45 SGB X zurücknehmen bzw. nach § 48 SGB X aufheben.[2]

Fallen die Voraussetzungen für den Leistungsbezug nachträglich ganz oder teilweise weg, wird die Behörde nach Maßgabe des § 26 Abs. 2 BEEG i. V. m. § 331 SGB III sogar in die Lage versetzt, die Zahlungen vorläufig einzustellen, ohne dass es hierfür bereits eines entsprechenden Aufhebungsbescheids bedarf.[3]

 

Rz. 23

Liegen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 vor, besteht ein Rechtsanspruch auf die Bewilligung von Elterngeld. Die nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BEEG zuständigen Behörde hat demnach kein Ermessen bei der Entscheidung über den jeweiligen Antrag. Die frühere Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 BErzGG, nach der ein Anspruch auf Erziehungsgeld nur dann bestand, wenn die Anspruchsvoraussetzungen bei Beginn des Leistungszeitraums vorlagen, hat der Gesetzgeber im BEEG aufgegeben. Es ist daher möglich, Elterngeld auch noch zu einem späteren Zeitpunkt in Anspruch zu nehmen, sofern die Anspruchsvoraussetzungen innerhalb des Bezugszeitraums des § 4 BEEG vorliegen. Insoweit ist auch hier der ebenfalls im Rahmen des BEEG anwendbare § 40 Abs. 1 SGB I maßgebend, der Ansprüche auf Sozialleistungen entstehen lässt, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen.[4]

 
Praxis-Beispiel

Anspruch erst ab Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen

M geht in den USA einer Erwerbstätigkeit nach, ohne die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zu erfüllen. Seine Frau F bringt am 1.6.2021 den gemeinsamen Sohn S zur Welt. Die Familie kehrt zum 1.2.2022 nach Deutschland zurück. F beantragt Elterngeld für 4 Monate. Kann ihrem Antrag entsprochen werden?

Lösung

Da die Anspruchsvoraussetzungen nicht bereits zum Beginn des Leistungszeitraums und damit zum Zeitpunkt der Geburt des S vorliegen müssen, kann F Elterngeld antragsgemäß noch für den 9. bis 12. Lebensmonat (1.2.2022 bis 31.5.2022) des S in Anspruch nehmen. Eine rückwirkende Gewährung von Elterngeld nach § 7 Abs. 1 Satz 2 BEEG scheidet indes aus, da die Anspruchsvoraussetzungen vor dem 1.2.2022 noch nicht erfüllt waren.[5]

[1] S. hierzu im Einzelnen Rz. 128 ff. und Rz. 140 ff.
[2] S. Senger, § 26, Rz. 9.
[3] Vgl. zu den Voraussetzungen im Einzelnen Senger, § 26, Rz. 17 ff.
[4] Vgl. Brose/Weth/Volk/Brose, § 1, Rz. 13.
[5] So auch Brose/Weth/Volk/Brose, § 1, Rz. 14.

2.1 Anforderungen an Wohnsitz und Aufenthalt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1)

 

Rz. 24

Die unter § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 aufgeführte gebietsbezogene Voraussetzung eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts ist dem Territorialitätsprinzip geschuldet, das grds. für das gesamte Sozialrecht leitend und in § 30 SGB I kodifiziert ist.

2.1.1 Wohnsitz

 

Rz. 25

Nach § 30 Abs. 3 Satz 1 SGB I hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Der Begriff der Wohnung umfasst all jene Räumlichkeiten, die sich für einen längeren Aufenthalt eignen und die Befriedigung von elementaren Lebensbedürfnissen zulassen. Von dem Beibehalten einer Wohnung kann ausgegangen werden, wenn sie auf unbestimmte Zeit unterhalten wird; werden regelmäßig die grundlegenden Bedürfnisse des Lebens in der Wohnung befriedigt, liegt ein Benutzen der Wohnung vor.[1]

 

Rz. 26

Der sozialrechtliche Wohnsitzbegriff zeichnet sich durch seine Eigenständigkeit aus, er kann somit nicht mit dem bürgerlich-rechtlichen Verständnis der §§ 7 ff. BGB gleichgesetzt werden. Volljährigkeit ist zur Begründung und Aufrechterhaltung eines Wohnsitzes somit ebenso wenig Voraussetzung wie Geschäftsfähigkeit. Abzustellen ist – vergleichbar dem Steuerrecht[2] – auf die tatsächlichen Verhältnisse, weshalb eine polizeiliche Meldung nicht ausreicht.[3] Da...

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