Rz. 140

In den Genuss von Elterngeld soll nur kommen, wer sich voraussichtlich dauerhaft im Inland aufhalten wird.[1] Denn mit dem Elterngeld verfolgt der Gesetzgeber den legitimen Zweck, eine nachhaltige Bevölkerungsentwicklung in Deutschland zu fördern.[2] Bei nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländern kann von einem dauerhaften Aufenthalt im Inland jedoch nicht ohne Weiteres ausgegangen werden. Deshalb macht das Gesetz den Bezug von Elterngeld vom Besitz eines der in § 1 Abs. 7 bezeichneten Aufenthaltstitel abhängig. Nur der Antragsteller muss im Besitz eines solchen Aufenthaltstitels sein; über welchen aufenthaltsrechtlichen Status das Kind verfügt, ist nicht von Bedeutung.[3]

 

Rz. 141

Aufenthaltstitel werden als Visum, Aufenthaltserlaubnis, Blaue Karte EU, ICT-Karte, Mobile-ICT-Karte, Niederlassungserlaubnis und Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG erteilt (§ 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Für § 1 Abs. 7 ist entscheidend, ob der Antragsteller über eine Niederlassungserlaubnis oder eine der dort genannten Aufenthaltserlaubnisse verfügt. Über § 9a Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU der Niederlassungserlaubnis gleichgestellt.

 

Rz. 142

Im Vergleich zur Niederlassungserlaubnis[4] vermittelt die Aufenthaltserlaubnis eine schwächere Rechtsposition, da sie nach § 7 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AufenthG nur befristet und in Zusammenhang mit einem bestimmten Aufenthaltszweck erteilt wird. Grundsätzlich sind nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer nach § 1 Abs. 7 Nr. 2 anspruchsberechtigt, wenn sie sich im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis befinden, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder hierzu in der Vergangenheit berechtigt hat.[5] Dies gilt jedoch nicht für die unter die Aufzählung des § 1 Abs. 7 Nr. 2a bis c fallenden Erlaubnisse. Gemeinsam ist diesen Aufenthaltstiteln, dass sie keinen dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet erwarten lassen. Für Aufenthaltserlaubnisse i. S. d. § 1 Abs. 7 Nr. 2c bestimmen Nr. 3 und 4 des § 1 Abs. 7 eine Gegenausnahme. Im Umkehrschluss zu § 1 Abs. 7 Nr. 2a bis c steht der Inanspruchnahme von Elterngeld der Besitz eines Aufenthaltstitels etwa nach § 20 Abs. 1 und 6, 21 oder 22 AufenthG nicht entgegen.

 

Rz. 143

Erforderlich ist jedoch stets, dass sich der nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer im Besitz einer Niederlassungs- oder Aufenthaltserlaubnis befindet. Dies stellt der Wortlaut des § 1 Abs. 7 unmissverständlich klar. Es ist somit nicht ausreichend, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungs- oder Aufenthaltserlaubnis vorliegen, sich dessen Ausstellung aber verzögert.[6] Weder obliegt es der Elterngeldstelle, eine Berechtigung zu überprüfen, noch zählt es zu ihren Aufgaben, die Rechtmäßigkeit eines bereits erteilten Aufenthaltstitels im Rahmen der Entscheidung über den Antrag auf Elterngeld zur Disposition zu stellen. Für sie ist nur der tatsächliche Besitz eines Aufenthaltstitels i. S. d. § 1 Abs. 7 maßgebend.[7] Ausreichend ist indes auch eine Zusicherung nach § 38 VwVfG oder ein von der Ausländerbehörde abgegebenes prozessuales Anerkenntnis.[8]

 
Praxis-Beispiel

Verzögerung bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis

F hat am 1.4.2022 ihre Tochter T zur Welt gebracht. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis liegen zu diesem Zeitpunkt bereits vor, eine solche wird jedoch erst zum 1.7.2022 erteilt. F beantragt Elterngeld für die ersten 12 Lebensmonate der T, eine Bewilligung erfolgt indes erst ab dem 4. Lebensmonat. Ist F zu raten, Klage zum Sozialgericht zu erheben?

Lösung

Die Klage der F bleibt ohne Erfolg, weil sie sich zum 1.4.2022 noch nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis befand. Ein Anspruch auf Elterngeld nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs scheidet ebenfalls aus, da zwischen der das Elterngeld bewilligenden Stelle und der Ausländerbehörde keine Funktionseinheit besteht.[9] Allerdings kommt grundsätzlich ein Amtshaftungsanspruch in Betracht.[10] Hierfür ist jedoch nicht die Sozial-, sondern die ordentliche Gerichtsbarkeit zuständig (Art. 34 Satz 3 GG). F ist daher anzuraten, jedenfalls von einer Klage vor den Sozialgerichten abzusehen.

 

Rz. 144

 
Wichtig

Fiktion eines Aufenthaltstitels bis zur Entscheidung der Behörde

Nach der Fiktion des § 81 Abs. 4 AufenthG gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde fort, wenn ein Ausländer die Verlängerung seines Aufenthaltstitels oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels beantragt hat. Vom Besitz eines Aufenthaltstitels i. S. d. § 1 Abs. 7 ist auch in diesen Fällen auszugehen.[11]

Hingegen stellt die beschränkte Fortgeltungswirkung des Aufenthaltstitels für Zwecke der Aufnahme oder Ausübung einer Erwerbstätigkeit nach § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG kein Besitz eines Aufenthaltstitels i. S. v. § 1 Abs. 7 Nr. 2 dar.[12]

 

Rz. 145

Wird der Antrag auf Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels oder auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt, kommt die Fort...

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