3.1 Vorbemerkung

 

Rz. 10

Nach Abs. 1 Satz 1 haben der Betriebsrat und der Arbeitgeber darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt und nicht benachteiligt werden. Arbeitgeber und Betriebsrat haben sich aktiv für die Beachtung und Verwirklichung dieser Grundsätze einzusetzen, müssen sich gegenseitig auf Mängel und Verstöße hinweisen und sich um deren Beseitigung bemühen. Aus der Überwachungspflicht folgt außerdem, dass Arbeitgeber und Betriebsrat sich an die Grundsätze von Recht und Billigkeit auch bei ihrem eigenen Verhalten halten müssen.[1]

[1] Fitting/Engels, § 75 BetrVG Rz. 17.

3.2 Geschützter Personenkreis

 

Rz. 11

Die Pflicht von Arbeitgeber und Betriebsrat bezieht sich auf alle im Betrieb tätigen Personen.[1] Dazu gehören alle Arbeitnehmer des Betriebs i. S. v. § 5 Abs. 1 BetrVG. Dabei ist irrelevant, ob sie als Vollzeit- oder Teilzeitkräfte, als Auszubildende oder aushilfsweise beschäftigt werden (BAG, Beschluss v. 20.11.1990, AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG Gleichberechtigung). Umstritten ist, ob auch Leiharbeiter erfasst werden.[2] Zumindest bei zulässiger gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung dürfte dies nicht der Fall sein, weil das Arbeitsverhältnis regelmäßig mit dem Verleiher, nicht mit dem Entleiher besteht. Aus diesem Grund ist es auch abzulehnen, § 75 BetrVG auf sog. Fremdfirmenarbeitnehmer, also z. B. auf im Betrieb als Bau- oder Montagearbeitnehmer tätige Mitarbeiter anderer Unternehmen anzuwenden.[3]

Für die leitenden Angestellten gem. § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG gilt nicht § 75 BetrVG, sondern die Sonderregelung in § 27 SprAuG, die eine dem § 75 BetrVG entsprechende Überwachungspflicht von Arbeitgeber und Sprecherausschuss enthält.

 

Rz. 12

Nicht erfasst vom Schutzbereich des § 75 BetrVG werden Personen, die im Betrieb keine abhängige Tätigkeit ausüben. Dies gilt selbst dann, wenn sie vorübergehend in Ausübung ihrer Tätigkeit vor Ort im Betrieb sind.

 
Praxis-Beispiel

Der von der X-GmbH beauftragte Wirtschaftsprüfer hält sich zwecks Durchsicht und Prüfung der Bücher mehrere Tage in den Räumen der X-GmbH auf. Arbeitgeber und Betriebsrat haben in Bezug auf ihn keine Überwachungsbefugnis nach § 75 Abs. 1 BetrVG.

 

Rz. 13

Noch nicht (z. B. Bewerber) oder nicht mehr (z. B. Pensionäre) im Betrieb Tätige werden nach dem Wortlaut des § 75 BetrVG von der Regelung nicht erfasst. Ungeachtet dessen sind nach überwiegender Meinung in der Literatur bei Regelungen, die im Rahmen betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben getroffen werden und die auch und gerade diesen Personenkreis ansprechen, die Grundsätze von § 75 BetrVG zu beachten (z. B. bei Regelungen über die betriebliche Altersversorgung). Bejaht wird dies überwiegend zumindest für nicht mehr im Betrieb tätige Arbeitnehmer[4], für Arbeitsplatzbewerber ist dies dagegen abzulehnen.[5] Daran ändert auch die Neufassung des § 75 Abs. 1 BetrVG durch das AGG nichts. Wer in den Schutzbereich des § 75 BetrVG fällt, richtet sich nach den Vorschriften dieses Gesetzes, insbesondere nach dessen § 5 BetrVG. Dieser ist durch das AGG, das gem. § 6 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ausdrücklich auch für Arbeitsplatzbewerber und Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist, gilt, nicht geändert worden. Hätte der Gesetzgeber eine Ausweitung des Geltungsbereichs des § 75 BetrVG ausdrücklich auch auf diesen Personenkreis gewollt, hätte er eine entsprechende Regelung in das BetrVG aufgenommen bzw. § 5 BetrVG ebenfalls an die Regelungen des AGG angepasst.

[1] Fitting/Engels, § 75 BetrVG Rz. 9.
[2] Bejahend Richardi, § 75 BetrVG Rz. 7; ablehnend GK-BetrVG/Kreutz, § 75 BetrVG Anm. 13.
[3] So zutreffend GK-BetrVG/Kreutz, § 75 BetrVG Anm. 13; a. A. Fitting/Engels, § 75 BetrVG Rz. 14.
[4] So u. a. Richardi, § 75 BetrVG Rz. 8.
[5] So MünchArb/v. Hoyningen-Huene, § 301 BetrVG Rz. 69.

3.3 Überwachungspflicht und Überwachungsrecht

 

Rz. 14

§ 75 BetrVG begründet eine Überwachungspflicht von Betriebsrat und Arbeitgeber. Diese Pflicht besteht allerdings nicht nur im Verhältnis zwischen den Betriebspartnern, sondern auch im Verhältnis des Betriebsrats und der einzelnen Betriebsratsmitglieder gegenüber den Arbeitnehmern des Betriebs ebenso wie im Verhältnis des Arbeitgebers zu den einzelnen Arbeitnehmern.[1]

Arbeitgeber und Betriebsrat haben aktiv auf die Beachtung der in § 75 BetrVG normierten Grundsätze hinzuarbeiten und für ihre Einhaltung einzutreten. Sie haben sich gegenseitig auf Mängel und Verstöße hinzuweisen und sich um deren Beseitigung zu bemühen. Auch dürfen sie selbst keine Verstöße gegen diese Grundsätze begehen, selbst wenn davon betroffene Arbeitnehmer mit derartigen Verstößen einverstanden sein sollten.[2]

Die Überwachungspflicht ist eine allgemeine Aufgabe, zu deren Durchführung der Arbeitgeber den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend zu unterrichten hat (BAG, Beschluss v. 10.10.2006, 1 ABR 68/05[3]).

 

Rz. 15

Arbeitgeber und Betriebsrat haben die Grundsätze des § 75 BetrVG auch beim Erlass von Betriebsvereinbarungen zu beachten (BAG, Beschluss v. 11.11.1986, AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Gleichberechtigung; BAG, Urteil v. 22.3.2005, 1 A...

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