Rz. 42

Verstößt eine Partei gegen die ihr gem. § 74 Abs. 2 obliegende Unterlassungspflicht, so konnten bislang Betriebsrat wie Arbeitgeber hiergegen gem. § 2a ArbGG einen Unterlassungsanspruch im Wege eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens geltend machen.

Das BAG war bisher der Ansicht, dass sich aus dem in § 74 Abs. 2 Satz 2 normierten Unterlassungsgebot auch für beide Seiten ein Unterlassungsanspruch ergebe (BAG, Beschluss v. 12.06.1986, 6 AB 67/84). Auch an dieser Rechtsprechung hält das BAG nicht länger fest. Es vertritt nun die Auffassung, dass lediglich dem Betriebsrat, nicht aber dem Arbeitgeber ein Unterlassungsanspruch nach § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG zustehen könne. Zur Begründung verweist das BAG (BAG, Beschluss v. 17.03.2010, 7 ABR 95/08) auf den Gesamtzusammenhang und die Konzeption des § 23 Abs. 1 BetrVG. § 23 BetrVG gibt dem Betriebsrat einen Unterlassungsanspruch gegen den Arbeitgeber bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten. Umgekehrt gewährt § 23 BetrVG dem Arbeitgeber bei groben Verstößen des Betriebsrats gegen seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten keinen Unterlassungsanspruch, sondern nur die Möglichkeit, die Auflösung des Betriebsrats zu verlangen. Hintergrund für diese Unterscheidung in § 23 BetrVG ist nach Ansicht des BAG, dass eine Auflösung des Arbeitgebers bei Verstößen nicht in Betracht kommt, ein Unterlassungsanspruch gegen ihn dagegen ohne weiteres vollstreckt werden kann. Umgekehrt kann ein Unterlassungsanspruch gegen den Betriebsrat wegen dessen Mittellosigkeit in der Regel nicht vollstreckt werden, stattdessen kann er aber aufgelöst werden. Daraus schließt das BAG, dass ein Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat nicht besteht, er aber ggf. Auflösung des BR verlangen kann. Die Entscheidung des BAG vom 17.03.2010 bezieht sich in erster Linie auf das Verbot der parteipolitischen Betätigung in § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG. Ob das BAG dem Arbeitgeber in allen Fällen des § 74 Abs. 2 BetrVG keinen Unterlassungsanspruch, sondern nur einen Anspruch auf Auflösung zubilligt, ist streitig.[1]

 

Rz. 43

Grobe Verstöße gegen die Pflichten aus § 74 Abs. 2 können darüber hinaus zum Ausschluss einzelner Betriebsratsmitglieder oder zur Auflösung des Betriebsrats gem. § 23 BetrVG führen.[2]

 

Rz. 44

Einzelne Betriebsratsmitglieder können sich zudem nach § 823 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig machen, wenn sie in unzulässiger Weise in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingreifen. Dies ist beispielsweise der Fall bei einem unrechtmäßigen Streik über Fragen aus dem Betriebsverfassungsgesetz.[3]

 

Rz. 45

Verletzt der Verstoß gegen § 74 Abs. 2 gleichzeitig Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, kommt ggf. auch eine außerordentliche Kündigung des handelnden Betriebsratsmitglieds in Betracht.[4]

 

Rz. 46

Verstößt der Arbeitgeber gegen seine Pflichten aus § 74 Abs. 2, kann ihm nach § 23 Abs. 3 BetrVG vom Arbeitsgericht ein gesetzmäßiges Verhalten aufgegeben und er im Fall der Zuwiderhandlung zu einem Ordnungsgeld verurteilt werden.[5]

 

Rz. 47

Über Streitfragen betreffend die gewerkschaftliche Tätigkeit von Betriebsratsmitgliedern nach § 74 Abs. 3 ist im Rahmen eines Beschlussverfahrens nach § 2a ArbGG vom Arbeitsgericht zu entscheiden.

[1] Fitting/Engels, § 74 Abs. 2 Satz 3, Rz. 74a m. w. N.
[2] Fitting/Engels, § 74 BetrVG Rz. 74.
[4] GK-BetrVG/Kreutz, § 74 BetrVG Anm. 95.
[5] GKBetrVG/Kreutz, § 74 BetrVG Anm. 91, 126, 140.

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