Rz. 14

Für die Begriffsbestimmung des Arbeitnehmers ist nach § 611a Abs. 1 Satz 1 wesentlich, dass die Arbeit im Dienst eines anderen geleistet werden muss.[1] Dieses Merkmal bezeichnet den Unterschied zum freien Dienstvertrag. Es geht also um die Abgrenzung von den Selbstständigen, auf die das Arbeitsrecht keine Anwendung findet.

Wie diese Unselbstständigkeit zu bestimmen ist, wird nunmehr durch das Gesetz selbst kodifiziert. Ansatzpunkte sind nach § 611a Abs. 1 Satz 1 – wie auch bereits nach ständiger Rechtsprechung – die persönliche Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit. Erforderlich ist eine typologische Bestimmung des Begriffs, wie sie schon nach alter Rechtslage vom BAG praktiziert wurde. Für die Abgrenzung von Arbeitnehmern und "freien Mitarbeitern" gibt es kein Einzelmerkmal, das aus der Vielzahl möglicher Merkmale unverzichtbar vorliegen muss, damit man von persönlicher Abhängigkeit sprechen kann. Damit ist dogmatischer Ausgangspunkt nicht der tatbestandlich scharf umrissene Begriff, der eine einfache Subsumtion ermöglicht, sondern die Rechtsfigur des Typus, der Arbeitnehmer nicht im Detail definiert, sondern ausgehend vom Normalfall beschreibt. Den jeweiligen Typus und dessen Kenntnis setzt das Gesetz stillschweigend voraus; es übernimmt ihn so, wie ihn der Gesetzgeber in der sozialen Wirklichkeit idealtypisch, d. h. im Normal- oder Durchschnittsfall vorfindet. Es ist nicht erforderlich, dass stets sämtliche den Typus kennzeichnenden Merkmale vorliegen. Diese können vielmehr in unterschiedlichem Maße und verschiedener Intensität gegeben sein; je für sich genommen haben sie nur die Bedeutung von Anzeichen oder Indizien. Entscheidend sind jeweils ihre Verbindung, die Intensität und die Häufigkeit ihres Auftretens im konkreten Einzelfall. Maßgeblich ist das Gesamtbild, das in wertender Betrachtung zu beurteilen ist.[2]

In jüngerer Vergangenheit hat das BAG zudem die Auffassung vertreten, dass für den Fall, dass eine Tätigkeit typologisch sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch selbstständig erbracht werden kann, die Entscheidung der Vertragspartner für einen bestimmten Vertragstypus in die Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls einzubeziehen ist.[3]

[2] BVerfG, Beschluss v. 20.5.1996, 1 Br. 21/96, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 82.
[3] BAG, Urteil v. 27.6.2017, 9 AZR 851/16, NZA 2017, 1463, 1466; BAG, Urteil v. 11.8.2015, 9 AZR 98/14, NZA-RR 2016, 288, 290; kritisch hierzu ErfK/Preis, 24. Aufl. 2024, § 611a BGB Rn. 55.

4.2.1 Allgemeines

 

Rz. 15

Kriterium der Arbeitnehmereigenschaft bleibt nach § 611a Abs. 1 Satz 1 die persönliche Abhängigkeit des zur Dienstleistung Verpflichteten vom Dienstberechtigten. Die Ausfüllung des Begriffs kann an die umfangreiche Rechtsprechung des BAG anknüpfen.[1] In leichter Akzentverschiebung definiert sie den Arbeitnehmer auch als denjenigen Mitarbeiter, der seine Dienstleistung "im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt".[2] Insoweit enthalte § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB – jetzt § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB – ein typisches Abgrenzungsmerkmal. Nach dieser Bestimmung ist selbstständig, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbstständig und deshalb persönlich abhängig ist dagegen der Mitarbeiter, dem dies nicht möglich ist. Zwar gilt § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB unmittelbar nur für die Abgrenzung des selbstständigen Handelsvertreters vom abhängig beschäftigten kaufmännischen Angestellten. Über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus enthalte diese Bestimmung jedoch eine allgemeine gesetzgeberische Wertung, die bei der Abgrenzung des Dienstvertrags vom Arbeitsvertrag zu beachten ist, zumal dies vor Inkrafttreten von § 611a BGB die einzige Norm darstellte, die Kriterien dafür enthielt.

Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere darin, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Die Begriffe der Weisungsgebundenheit und der Fremdbestimmung sind eng miteinander verknüpft und überschneiden sich teilweise; eine weisungsgebundene Tätigkeit ist regelmäßig auch fremdbestimmt.[3] Allerdings ist die Weisungsbindung das engere, den Kern des Vertragstypus kennzeichnende Kriterium; nur wenn jedwede Weisungsgebundenheit fehlt, liegt regelmäßig kein Arbeitsverhältnis vor.[4] Dieses Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen.[5]

Für die Abgrenzung von Bedeutung sind in erster Linie die tatsächlichen Umstände, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist, nicht die Bezeichnung, die die Parteien ihrem Rechtsverhältnis gegeben haben.[6] Allerdings misst das BAG der durch die Vertragsparteien gewählten Bezeichnung und damit ihrer Entscheidung für einen bestimmten Vertragstypus in jüngerer Vergangenheit jedenfalls bei Tätigkeiten, die typologisch sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch selbstständig erbrach...

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