Prof. Dr. Mark Lembke, Dr. Jens-Wilhelm Oberwinter
Rz. 18
Der Entscheidungsträger hat vor seiner Entscheidung den Arbeitgeber und den Betriebsrat anzuhören (§ 20 Abs. 3 Satz 1 KSchG). Bestehen in einem Unternehmen mehrere Betriebsräte, ein Gesamt- oder Konzernbetriebsrat, ist grds. der örtlich zuständige Betriebsrat anzuhören (vgl. §§ 50, 58 BetrVG), dessen Betrieb von der Massenentlassung betroffen ist. Sofern durch die geplanten Entlassungen mehrere oder alle Betriebe eines Unternehmens betroffen sind, erstreckt sich die Anhörungspflicht auch auf alle weiteren Betriebsräte, den Gesamt- und Konzernbetriebsrat. Insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie bei den Auskunfts-, Unterrichtungs- und Beratungspflichten durch den Arbeitgeber. Arbeitgeber und Betriebsrat können sich dabei im Verfahren nach allgemeinen Grundsätzen – auch von Verbandsvertretern – vertreten lassen.
Rz. 19
Da eine Form gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, kann die Anhörung sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgen. Vor allem aus Beweisgründen ist eine schriftliche Anhörung jedoch zweckmäßig. Arbeitgeber und Betriebsrat können sich auch durch Bevollmächtigte ihrer Verbände vertreten lassen (§ 13 SGB X). Das Anhörungserfordernis ist zwingend ("hat … anzuhören"). Der Entscheidungsträger kann von der Anhörung insbesondere nicht mit der Begründung absehen, dass die Anzeige des Arbeitgebers nach § 17 Abs. 1 KSchG sowie die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG bereits eine ausführliche Darlegung beider Seiten enthalten. Das Anhörungserfordernis verfolgt den Zweck, dem Entscheidungsträger die Gelegenheit zu geben, alle zur Entscheidung erforderlichen Aspekte mit Arbeitgeber und Betriebsrat selbst zu erörtern und sich selbst ein Bild vom Stand der Beratungen zu verschaffen. Gleichzeitig sollen die Beteiligten in die Lage versetzt werden, ihre Ansichten unmittelbar dem Entscheidungsträger vorzutragen. Wird die Anhörung fehlerhaft durchgeführt oder unterlassen, ist die Entscheidung anfechtbar (zum Rechtsschutz vgl. Rz. 29 f.).
Rz. 20
Im Rahmen der Anhörung sind Arbeitgeber und Betriebsrat dazu verpflichtet, dem Entscheidungsträger die für erforderlich gehaltenen Auskünfte zu erteilen (§ 20 Abs. 3 Satz 2 KSchG). Zwar kann der Entscheidungsträger zur Erwirkung der Auskünfte keine Zwangsmittel anwenden, im Fall der Verweigerung dürfte sich dies jedoch regelmäßig zu Ungunsten des die Aussage Ablehnenden auswirken. Allerdings ist zu beachten, dass der Entscheidungsträger stets die Umstände des Einzelfalls umfassend zu würdigen hat. Ist einer Stelle die erbetene Auskunft aus nicht von ihr zu vertretenden Gründen unmöglich, darf sich dies nicht automatisch zu ihren Lasten auswirken. Der Entscheidungsträger ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen (Untersuchungsgrundsatz) und kann sich aller Beweismittel bedienen, die er zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält (§§ 20, 21 SGB X). Im Rahmen der Ermittlung kann der Entscheidungsträger Auskünfte jeder Art einholen, weitere Personen anhören, wie etwa Arbeitnehmer des Betriebs oder Sachverständige, sowie Urkunden und Akten beiziehen (§ 21 Abs. 1 SGB X).