Rz. 14

Nicht selten ist eine Person zum Zeitpunkt ihrer Berufung zum Organ der Gesellschaft bereits Arbeitnehmer der Gesellschaft.

 

Beispiel

Der bereits seit 15 Jahren bei der GmbH angestellte Prokurist Müller wird nach dem Ausscheiden des Geschäftsführers Meier zum Geschäftsführer der GmbH berufen.

Die Bestellung kann dazu führen, dass das bisherige Arbeitsverhältnis als ruhendes Arbeitsverhältnis fortbesteht. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass es sich um ein vom Geschäftsführer-Dienstverhältnis zwischen der juristischen Person und dem Organvertreter eindeutig abgrenzbares, mit Bestandsschutz versehenes Arbeitsverhältnis handelt. Der Fortbestand des (ursprünglichen) Arbeitsverhältnisses hängt von dem Willen der Parteien ab. Dieser ist im jeweiligen Einzelfall zu ermitteln.

 

Rz. 15

Nach der gefestigten Rechtsprechung des BAG spricht eine Vermutung dafür, dass Parteien, die einen neuen Dienstvertrag abschließen, damit im Zweifel den alten Arbeitsvertrag aufheben wollen.[1]

Schließt ein Arbeitnehmer mit einem Arbeitgeber einen schriftlichen Dienstvertrag, der Grundlage für eine Bestellung zum Geschäftsführer ist, besteht eine tatsächliche Vermutung, dass damit zugleich das zuvor begründete Arbeitsverhältnis aufgelöst worden ist. Zugleich stellt der neue Vertrag die ausschließliche Grundlage der rechtlichen Beziehungen der Parteien – sofern nicht etwas anderes vereinbart ist – dar. Durch den schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrag werden die zuvor vereinbarten Rechte und Pflichten der Parteien aus einem Arbeitsverhältnis konkludent aufgehoben. Mit dem schriftlichen Dienstvertrag liegt eine Vertragsurkunde vor, die dem Arbeitnehmer deutlich vor Augen führt, dass die bisherigen vertraglichen Beziehungen zu seinem Arbeitgeber geändert und auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt worden sind.[2] Etwas anderes gilt nur, wenn sich nach den Umständen des Einzelfallsergibt, dass mit Abschluss des Geschäftsführer-Anstellungsvertrags das bisherige Arbeitsverhältnis nicht aufgehoben werden sollte.[3]

 

Rz. 16

Aufgrund der seit 1.5.2000 für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag erforderlichen Schriftform (§ 623 BGB) ist eine konkludente Aufhebung bzw. Beendigung eines Arbeitsverhältnisses jedoch nicht mehr möglich. Voraussetzung für die Beendigung des (alten) Arbeitsverhältnisses ist deshalb entweder ein gesonderter Aufhebungsvertrag oder eine entsprechende Klausel im (neuen) Geschäftsführer-Anstellungsvertrag.[4]

 
Hinweis

Eine entsprechende Klausel im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag könnte lauten:

"Dieser Geschäftsführer-Anstellungsvertrag ersetzt den Arbeitsvertrag der Parteien vom … sowie sämtliche sonstigen vertraglichen Vereinbarungen."

oder

"Mit Abschluss dieses Geschäftsführer-Anstellungsvertrags wird der Arbeitsvertrag der Parteien vom … aufgehoben."

Ferner ist darauf zu achten, dass der Vertrag für die Gesellschaft von dem gesellschaftsrechtlich zuständigen Organ unterzeichnet wird.[5]

 

Rz. 17

Endet die Organstellung, verwandelt sich der zugrunde liegende Anstellungs- bzw. Geschäftsführerdienstvertrag nicht (wieder) in einen Arbeitsvertrag. Ein wirksam aufgehobenes früheres Arbeitsverhältnis lebt durch die Abberufung als Geschäftsführer nicht – jedenfalls nicht ohne Weiteres – wieder auf, ebenso wenig entsteht ein neues Arbeitsverhältnis.[6]

Es müssen vielmehr weitere Umstände hinzutreten, aus denen sich ergibt, dass entweder neben dem Geschäftsführerdienstvertrag noch ein Arbeitsvertrag – ruhend – fortbestanden hat und nach der Abberufung wieder aufleben soll oder dass nach der Abberufung ein Arbeitsverhältnis neu begründet worden ist.[7] Behauptet der gekündigte Geschäftsführer, es hätten 2 schuldrechtliche Rechtsverhältnisse bestanden (Geschäftsführerdienstverhältnis und ruhendes Arbeitsverhältnis), hat er im Einzelnen die Tatsachen darzulegen, aus denen sich ergeben soll, dass eine klar unterscheidbare und trennbare Doppelstellung vorlag.[8]

 

Rz. 18

Die Antwort auf die Frage nach dem rechtlichen Schicksal des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses nach der Bestellung des Arbeitnehmers zum Organ der Gesellschaft hängt also von den Umständen des Einzelfalls und den jeweils getroffenen Regelungen sowie ggf. von der Einhaltung der Schriftform ab. Besteht das ursprüngliche Arbeitsverhältnis nach der Bestellung zum Organ als ruhendes Arbeitsverhältnis weiter, gelten für dieses die Regelungen des allgemeinen und besonderen Kündigungsschutzes.

[1] Ausführlich dazu Lembke, § 623 BGB Rz. 5 ff.; Gehlhaar, NZA-RR 2009, 569; Goll-Müller/Langenhan-Komus, NZA 2008, 687; Bauer/Arnold, DB 2008, 255.
[2] BAG, Beschluss v. 3.2.2009, 5 AZB 100/08, NZA 2009, 669; Diller, NJW 2008, 1019; BAG, Urteil v. 5.6.2008, 2 AZR 754/06, NZA 2008, 1002; ebenso BAG, Urteil v. 25.10.2007, 6 AZR 1045/06, NZA 2008 S. 168; BAG, Urteil v. 19.7.2007, 6 AZR 774/06, BB 2008 S. 390 m. Anm. Lembke.
[3] BAG, Urteil v. 25.4.2002, 2 AZR 352/01, NZA 2003, 272; zustimmend ErfK/Kiel, § 14 KSchG, Rz. 5; Löwisch/Schlünder/Spinner/Wertheimer, KSchG,...

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