Rz. 162

Gem. § 166 Abs. 1 BGB kann bzw. muss sich der Vertretene Willensmängel des Vertreters (etwa im Rahmen der §§ 119 ff. BGB) und seine Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände (etwa im Rahmen des § 626 Abs. 2 BGB) zurechnen lassen. Gem. § 626 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BGB beginnt die Erklärungsfrist für die außerordentliche Kündigung demnach, sobald der Vertreter Kenntnis von den maßgeblichen Tatsachen erlangt. Die Zurechnung setzt grds. eine wirksame Vertretungsmacht voraus.[1] Das BAG hat die Zurechnung jedoch auch schon bei fehlender Vertretungsmacht bejaht, weil davon auszugehen war, dass der Vertreter ohne Vertretungsmacht den Vertretenen unterrichten würde (BAG, Urteil v. 5.5.1977, 2 AZR 297/76[2]).

Im Einzelfall kann sich der Arbeitgeber ggf. nicht auf die späte Kenntniserlangung der kündigungsberechtigten Person berufen, insb. wenn er selbst zielgerichtet verhindert hat, dass die kündigungsberechtigte Person bereits zu einem früheren Zeitpunkt Kenntnis von den maßgebenden Tatsachen erlangt hat. Das setzt zum einen voraus, dass die späte Kenntnis auf einer unsachgemäßen Organisation beruht, die sich als Verstoß gegen Treu und Glauben darstellt. Zum anderen muss die nicht kündigungsberechtigte Person, die bereits früher Kenntnis erlangt hat, eine so herausgehobene Position und Funktion im Betrieb oder in der Verwaltung innehaben, dass sie tatsächlich und rechtlich in der Lage ist, den Sachverhalt so umfassend zu klären, dass der Kündigungsberechtigte allein aufgrund dieses Kenntnisstands und ohne weitere Nachforschungen seine Kündigungsentscheidung abschließend treffen kann. Beide Voraussetzungen (ähnlich selbständige Stellung und treuwidriger Organisationsmangel in Bezug auf die Kenntniserlangung) müssen kumulativ vorliegen. Sie sind vom Arbeitnehmer zu behaupten und im Bestreitensfall zu beweisen, wobei ggf. wegen dessen größerer Sachnähe eine sekundäre Darlegungslast des Arbeitgebers greift (BAG, Urteil v. 5.5.2022, 2 AZR 483/21; BAG, Urteil v. 27.2.2020, 2 AZR 570/19).

[1] MünchHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 108, Rz. 16-17.
[2] AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 11.

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