Rz. 33

In seiner Bedeutung für das Kündigungsrecht ist relevant, dass § 612a BGB gesetzliches Verbot i. S. v. § 134 BGB ist. Ist § 134 BGB auf die benachteiligende Maßnahme des Arbeitgebers nicht anwendbar, weil sie nicht die Voraussetzungen eines Rechtsgeschäfts erfüllt, so ist sie, etwa als tatsächliche Maßnahme, bei einem Verstoß gegen § 612a BGB rechtswidrig.

 

Rz. 34

Besteht die Maßnahme des Arbeitgebers in einer Kündigung wegen zulässiger Rechtsausübung, so ist die Nichtigkeit dieser Kündigung ein Mangel, der innerhalb der Klagfrist des § 4 KSchG geltend zu machen ist, und zwar unabhängig davon, ob die Vorschriften des allgemeinen Kündigungsschutzes auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Seit der Änderung des KSchG durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt, das eine Vereinheitlichung der Klagfrist für alle Unwirksamkeitsgründe anstrebte[1], bestimmt § 13 Abs. 3 KSchG, dass die Vorschriften der §§ 1-14 KSchG, jedoch "mit Ausnahme der §§ 4-7" auf eine Kündigung, die bereits aus anderen als den in § 1 Abs. 2 und 3 bezeichneten Gründen rechtsunwirksam ist, keine Anwendung finden. Die §§ 4-7 KSchG sind folglich auch für die Geltendmachung der Rechtsunwirksamkeit nach § 134, § 612a BGB zu beachten.

 

Rz. 35

Sofern die Kündigung, die nach § 612a, § 134 BGB unwirksam ist, nicht als sittenwidrige (§ 138 BGB) Kündigung aufgefasst wird, sondern als eine "aus anderen als den in § 1 Abs. 2 und 3 (KSchG) bezeichneten Gründen" rechtsunwirksame Kündigung i. S. v. § 13 Abs. 3 KSchG, kann nicht die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach §§ 9-12 KSchG beantragt werden, und zwar weder nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG noch nach dessen Satz 2. Denn diese Vorschriften werden von dem Ausschluss des § 13 Abs. 3 KSchG erfasst.

Allerdings handelt es sich bei § 612a BGB nach der Rechtsprechung des BAG um einen Sonderfall der Sittenwidrigkeit.[2] Demnach gilt, mit der Folge, dass die Möglichkeit des Auflösungsantrags nach § 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 sowie §§ 10-12 KSchG besteht, allerdings nur für den Arbeitnehmer und nicht für den Arbeitgeber, denn § 13 Abs. 2 KSchG verweist nur auf Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 des § 9 KSchG.[3]

 

Rz. 36

Bei einer Verletzung des § 612a BGB kann dem Arbeitnehmer u. U. ein Schadensersatzanspruch zustehen: Weigert sich der Arbeitgeber nur deshalb, mit dem befristet beschäftigten Arbeitnehmer einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu schließen, weil der Arbeitnehmer auf einer Betriebsversammlung in seiner Eigenschaft als Leiter des gewerkschaftlichen Vertrauenskörpers gegenüber dem Arbeitgeber Kritik geäußert hat, kommt eine Benachteiligung i. S. d. § 612a BGB in Betracht; der Arbeitnehmer kann aber keinen Folgevertrag verlangen, weil § 15 Abs. 6 AGG entsprechend anzuwenden ist.[4]

[1] BT-Drucks. 15/1204 S. 13; Thüsing/Stelljes, BB 2003, 1673, 1678.
[2] BAG, Urteil v. 27.9.2022, 2 AZR 5/22, AP Nr. 73 zu § 9 KSchG 1969; vgl. Rz. 5 sowie § 13 Rz. 20.
[3] Anders Voraufl.

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