Rz. 77

Der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist ein richterrechtliches Grundprinzip des deutschen Arbeitsrechts und weitgehend unbestritten.[1] Die dogmatische Herleitung variiert. Verbreitet wird – dogmatisch sicherlich angreifbar und in der Formulierung eher verwaschen – auf Art. 3 Abs. 1 GG Bezug genommen.[2] Andere Begründungsansätze sehen im allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz eine Ausprägung der Verteilungsgerechtigkeit, die überall da gesichert werden müsse, wo ein Gemeinschaftsverhältnis besteht, das nach einheitlichen Grundsätzen behandelt wird.[3] Auch gibt es gedankliche Anlehnung an § 315 Abs. 1 BGB, wonach die arbeitsrechtliche Gleichbehandlungspflicht als ein Unterfall der allgemeinen Billigkeits- und Inhaltskontrolle von arbeitsrechtlichen Einheitsregelungen gewertet wird.[4] Ein weiterer Ansatz sieht den Grund der Gleichbehandlungspflicht des Arbeitgebers im Vollzug einer selbst gesetzten Norm; maßgeblich ist die Freiwilligkeit der Leistung und des darin liegenden Normenvollzugs, der einheitlich zu erfolgen habe.[5] In den Instanzgerichten wird der Gleichbehandlungsgrundsatz vor allem als Ausdruck der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, des Grundsatzes von Treu und Glauben bzw. allgemeiner sozialer Gerechtigkeitserwägungen angesehen.[6] Die verschiedenen Begründungen ergänzen sich gegenseitig und münden im allgemeinen Rechtsbewusstsein, wonach Diskriminierung durch den Arbeitgeber verhindert werden soll. Einige gehen daher bereits von einer gewohnheitsrechtlichen Anerkennung des Gleichbehandlungsgrundsatzes aus.[7]

 

Rz. 78

Worin auch der Ursprung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gesehen werden mag, Einigkeit besteht über seinen Inhalt und seine Voraussetzungen. Dieser Grundsatz verpflichtet den Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern gleich zu behandeln, soweit sie sich in gleicher oder vergleichbarer Lage befinden. Verboten ist nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung.[8]

[3] G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, S. 127 ff., 169 ff.
[4] Söllner/Waltermann, Arbeitsrecht, § 29, Rz. 772; Fischinger in MünchArbR, § 14, Rz. 9.
[5] Bötticher, RdA 1953, S. 161; Fischinger in MünchArbR, § 14, Rz. 25.; Löwisch, FS Müller, S. 303.
[6] LAG Düsseldorf, Urteil v. 11.11.1981, 22 Sa 421/81, DB 1982 S. 2715.
[7] Müller-Glöge in MünchKom, § 611 BGB, Rz. 1122.
[8] BAG, Urteil v. 24.10.2006, 9 AZR 681/05, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 263.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge