Rz. 27

Als weitere Sanktionsmöglichkeit sieht Abs. 3 bei Feststellung von Qualitätsmängeln die Möglichkeit der Kürzung von Pflegevergütungen vor. Diese Regelung wurde erstmals durch das Pflegequalitätssicherungsgesetz zum 1.1.2002 eingeführt. Hiernach sind gemäß Abs. 1 Satz 1 die als Kostenträger betroffenen Vertragsparteien berechtigt und verpflichtet, für die Dauer der Verletzung gesetzlicher oder vertraglicher Verpflichtungen durch die Pflegeeinrichtung eine angemessene Kürzung der nach dem 8. Kapitel des SGB XI vereinbarten Pflegevergütungen vorzunehmen. Aus dem Verweis auf § 85 Abs. 2 – eine ausschließlich die stationäre Pflege betreffende Vorschrift – in Abs. 3 Satz 2 wird zu Recht gefolgert, dass eine Kürzung der Pflegevergütung nur im stationären Bereich und nicht im ambulanten Bereich erfolgen soll (so u. a. Leitherer, in: KassKomm., Sozialversicherungsrecht, Bd. 2, SGB XI, § 115 Rz. 28, Stand: 12/2017); a. A. Gutzler, in: Hauck/Noftz, SGB XI, § 115 Rz. 11, Stand: 11/2017).

Nach dem Gesetzeswortlaut des Abs. 3 Satz 1 kommt eine Kürzung der Pflegevergütung grundsätzlich dann in Betracht, wenn die Pflegeeinrichtung ihre gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen, insbesondere ihre Verpflichtungen zu einer qualitätsgerechten Leistungserbringung aus dem Versorgungsvertrag (§ 72), ganz oder teilweise nicht erfüllt. Nach der Rechtsprechung muss es sich hierbei um Verstöße gegen Vorschriften handeln, die zur Sicherung der Qualität bei der Pflege, der sozialen Betreuung, der medizinischen Behandlungspflege, der Unterkunft und Verpflegung sowie bei den Zusatzleistungen eingeführt worden sind, sofern diese Verstöße ursächlich oder mitursächlich für das Auftreten von Qualitätsmängeln sind (BSG, Urteil v. 12.9.2012, B 3 P 5/11 R). Im Schrifttum wird demgegenüber auch unter Verweis auf die Begründung des Gesetzgebers zum Pflegequalitätssicherungsgesetz v. 9.9.2001 (BT-Drs. 14/5395 S. 43 f.) die Vergütungskürzung vornehmlich als Sanktionsinstrument in Fällen der Nichtvorhaltung vereinbarten Personals gesehen (vgl. Leitherer, in: KassKomm., Sozialversicherungsrecht, Bd. 2, SGB XI, § 115 Rz. 29, Stand: 12/2017; ferner Udsching/Schütze, SGB XI, 5. Aufl., § 115 Rz. 16). Allerdings rechtfertigt allein eine personelle Unterdeckung noch nicht den Tatbestand eines ahndungsfähigen Qualitätsmangels, soweit sich nicht aus der Pflichtverletzung anderweitige feststellbare Qualitätsmängel ergeben (vgl. Udsching/Schütze, a. a. O., Rz. 16 auch unter Verweis auf BSG, Urteil v. 12.9.2012, B 3 P 5/11 R). Nach dieser Rechtsprechung ist nämlich eine rückwirkende Kürzung der Pflegevergütung nur bei einer Verletzung solcher gesetzlicher oder vertraglicher Verpflichtungen zulässig, die zu feststellbaren Qualitätsmängeln bei der Pflege geführt haben (vgl. auch obige Anmerkung zum Erfordernis der Ursächlichkeit des Pflichtverstoßes). Allerdings hält das BSG gemäß seinen Ausführungen in dem Urteil vom 12.9.2012 die notwendige Feststellung von Qualitätsmängeln kraft unwiderlegbarer Vermutung ausnahmsweise dann für entbehrlich, wenn entweder in der stationären Pflegeeinrichtung über mehrere Monate hinweg die vereinbarte Personalausstattung um mindestens 8 % unterschritten wird oder aber ein planmäßiger und zielgerichteter Verstoß des Heimträgers gegen gesetzliche oder vertragliche Verpflichtungen zur angemessenen Personalausstattung im Bereich Pflege und soziale Betreuung festgestellt wird.

Zur Klarstellung in der Praxis hat der Gesetzgeber sich mit Einfügung des Abs. 3a durch Gesetz v. 18.7.2017 (BGBl. I S. 2757) die obige Rechtsprechung zum Vorbild genommen und dort in Satz 1 Nr. 1 und 2 entsprechende Regelungen in das Gesetz aufgenommen (vgl. BT-Drs. 18/12587 S. 60). Hiernach wird eine ahndungsfähige Pflichtverletzung i. S. d. Abs. 3 Satz 1 unwiderlegbar vermutet

  • bei einem planmäßigen und zielgerichteten Verstoß des Trägers der Einrichtung gegen seine Verpflichtung zur Einhaltung der nach§ 84 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 vereinbarten Personalausstattung oder
  • bei nicht nur vorübergehenden Unterschreitungen der nach § 84 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 vereinbarten Personalausstattung.

Entsprechendes gilt bei Nichtzahlung der nach § 82c zugrunde gelegten Gehälter und Entlohnung (Abs. 3a Satz 2).

Soweit die Regelung des Abs. 3 Satz 1 eine Kürzung der Pflegevergütung für die Dauer der Pflichtverletzung vorsieht, folgt hieraus ausschließlich die Möglichkeit einer rückwirkenden Kürzung der Vergütung. Eine Absenkung der Vergütung in den nachfolgenden Vergütungszeiträumen soll dagegen unterbleiben, um wiederum hierdurch bedingte personelle Engpässe für die Zukunft zu vermeiden (vgl. Leitherer, in: KassKomm., Sozialversicherungsrecht, Bd. 2, SGB XI, § 115 Rz. 31, Stand: 12/2017 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 14/5395 S. 43).

Die in Abs. 3a Satz 4 getroffene Kündigungsregelung soll nach dem Gesetzeswortlaut ausschließlich in Fällen einer Pflichtverletzung nach Satz 1 Nr. 1 gelten und wird von dem Recht auf Kürzung der Pflegevergütung nicht berührt.

 

Rz. 28

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