Rz. 27

Der Krankenversicherungspflicht unterliegen auch die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Damit werden von den in § 7 Abs. 2 SGB IV genannten Personen, die zum Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung tätig sind, für die Krankenversicherungspflicht nach Abs. 1 Nr. 1 an sich nur die erfasst, die sich in betrieblicher Berufsausbildung befinden. Eine solche Differenzierung wird jedoch offenbar in der Rechtsprechung nicht vorgenommen, obwohl die Vorschriften auch im Wortlaut eindeutig zwischen der umfassenderen betrieblichen Berufsbildung (die auch Anlernberufe, Volontäre u.Ä. umfasst) und der engeren betrieblichen Berufsausbildung als dem Erwerb umfassender Fachkenntnisse für einen bestimmten Beruf in einem geordneten Ausbildungsgang (vgl. BSG, Urteil v. 17.12.1980, 12 RK 20/79, USK 80286) differenzieren. Die Berufsbildung und auch die Berufsausbildung gelten als Beschäftigung. Diese Fiktion des Vorliegens einer Beschäftigung beruht darauf, dass gerade die betriebliche Berufsausbildung nicht primär den für eine Beschäftigung typischen Austausch von Arbeitskraft gegen Lohn beinhaltet, sondern dem Erwerb von Kenntnissen für eine solche spätere Tätigkeit dient. Ebenso ergibt sich aus dem betrieblichen Berufsausbildungsverhältnis der Anspruch auf Ausbildungsvergütung (§ 10 BBiG), so dass damit auch die typischen Voraussetzungen der Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt (Ausbildungsvergütung) erfüllt sind.

 

Rz. 28

Die betriebliche Berufsausbildung umfasst auch Ausbildungen, die rechtlich nicht auf einem Vertrag mit einem Betrieb beruhen, sondern mit verselbständigten Schulen, bei denen jedoch die praktische Ausbildung in einem Betrieb stattfindet, an den diese Schulen zumeist auch angegliedert sind, z. B. Kranken- und Kinderkrankenpflegeschulen (vgl. LSG Berlin, Urteil v. 14.8.1996, L 15 Kr 12/95, Die Beiträge Beilage 1997 S. 348). Auch der praktische Teil einer Fahrlehrerausbildung ist betriebliche Berufsausbildung (vgl. BSG, Urteil v. 27.7.2011, B 12 R 16/09 R, BSGE 109 S. 22).

 

Rz. 29

Auch die betriebliche Berufsausbildung muss jedoch als Beschäftigung von der Eingliederung in den Betrieb geprägt sein, zumindest in Form der zeitlichen Verpflichtung und der Unterstellung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers zu Ausbildungszwecken (§ 9 BBiG). Insofern entsprechen die vom BBiG geregelten Verpflichtungen des Auszubildenden den Verhältnissen, die sich typischerweise auch aus einem Arbeitsverhältnis ergeben.

 

Rz. 30

Der Gesetzgeber hat mit der Änderung des Abs. 1 Nr. 10 (Ergänzung "ohne Arbeitsentgelt") auch die entgeltlich tätigen Praktikanten den abhängig Beschäftigten zuordnen wollen (BT-Drs. 14/1245 S. 59). Deren Tätigkeit ist jedoch gerade keine betriebliche Berufsausbildung nach Abs. 1 Nr. 1. Auch wird die Tätigkeit als Praktikant nicht typischerweise in der Form einer abhängigen Beschäftigung erbracht (vgl. Rz. 153 ff.).

 

Rz. 31

Desgleichen wurde mit Art. 1 Nr. 2 GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 der Abs. 4a (jetzt:) Satz 3 und mit Art. 3 Nr. 1 Job-AQTIV-Gesetz der Abs. 4a (jetzt:) Satz 1 eingefügt, mit denen Auszubildende mit einem Ausbildungsvertrag nach dem BBiG in außerbetrieblichen Einrichtungen und nicht satzungsmäßige Mitglieder geistlicher Genossenschaften, die für den Dienst außerschulisch ausgebildet werden (Postulanten und Novizen), den zur Berufsausbildung nach Abs. 1 beschäftigten Auszubildenden gleichgestellt wurden. Da aber für Auszubildende nach Abs. 1 Nr. 1 erst über § 7 Abs. 2 SGB IV eine Beschäftigung fingiert wird, diese Regelung für beide Personengruppen jedoch nicht unmittelbar anwendbar ist, weil es an einer betrieblichen Berufsausbildung fehlt, und eine Änderung des § 7 Abs. 2 SGB IV nicht erfolgte, ist zweifelhaft, ob man deshalb diese Personen ohne weiteres als Beschäftigte ansehen kann; zumindest sind diese Gesetzesänderungen systematisch unbefriedigend (vgl. Rz. 244 ff.). Gleiches gilt für die mit Wirkung zum 1.1.2012 über die Gleichstellung mit zur Berufsausbildung Beschäftigten in Abs. 4a Satz 2 angeordnete Krankenversicherungspflicht für Teilnehmer an einem dualen Studiengang (vgl. Rz. 248a ff.).

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