Rz. 157

Die gleiche Rechtswirkung wie in Rz. 156 tritt ein, wenn die Frau zu Beginn des Mutterschaftsgeldes bezahlten oder unbezahlten Urlaub hatte (GR v. 06.12.2017-II i.d.F. v. 23.03.2022, Abschn. 9.4.3.1 Abs. 6).

 
Praxis-Beispiel

Eine jugendliche Auszubildende wollte nicht, dass man im Betrieb frühzeitig von ihrer Schwangerschaft erfuhr. Deshalb hielt sie dies geheim. Nach dem Mutterpass (= kein Zeugnis i. S. d. § 24i Abs. 3 Satz 4 SGB V bzw. § 3 Abs. 2 Satz 3 MuSchG) sollte sie am 12.10. entbinden. Während des gesamten Monats August nahm sie ihren Jahresurlaub. Erst als sie am 1.9. aus dem Urlaub zurückkehrte, informierte sie – ohne die Arbeit aufgenommen zu haben – unter Vorlage des erst am 31.8. ausgestellten Zeugnisses sowohl ihren Arbeitgeber als auch die Krankenkasse, bei der sie Mitglied ist. Sie wurde tatsächlich am 27.9. von einem gesunden Sohn entbunden.

Lösung:

Da die Krankenkasse über kein Zeugnis bzw. keine Bescheinigung über einen voraussichtlichen Entbindungstag verfügt, kann § 24i Abs. 3 Satz 3 nicht angewandt werden. Der Zeitraum, für den Mutterschaftsgeld zu zahlen ist, wird allein vom tatsächlichen Entbindungstag (27.9.) aus berechnet. Der Anspruch auf Mutterschaftsgeld besteht deshalb grundsätzlich ab dem 16.8. (= 42 Tage vor dem 27.9.).

Allerdings hatte die Auszubildende aufgrund ihres Urlaubs noch bis 31.8. Arbeitsentgelt bezogen. Deshalb greift jetzt Art. 8 Abs. 1 der EG-Mutterschutzrichtlinie 92/85/EWG und bestimmt, dass die Zahlung von Mutterschaftsgeld erst nach dem letzten Tag des bezahlten Urlaubs beginnen kann. Somit verschiebt sich der Beginn des 99 bzw. 127 Tage umfassenden Mutterschaftsgeldanspruchs auf den 1.9.

 

Rz. 158

Nach dem GR v. 06.12.2017-II i.d.F. v. 23.03.2022, Abschn. 9.4.3.1 Abs. 6, verschiebt sich der Beginn der Mutterschaftsgeldzahlung ebenfalls, wenn die Arbeitnehmerin wegen eines Beschäftigungsverbots nach dem MuSchG (außerhalb einer Schutzfrist) Arbeitsentgelt nach § 18 MuSchG (Mutterschutzlohn) bezog.

 
Praxis-Beispiel

Eine Busfahrerin befindet sich seit Beginn des 4. Schwangerschaftsmonats in einem Beschäftigungsverbot nach § 11 Abs. 5 Nr. 5 MuSchG (Bus = Beförderungsmittel). Sie entbindet am 27.9. bereits im 7. Schwangerschaftsmonat, also vor Beginn der Schutzfrist. Bis zum Tag davor hatte sie wegen des Beschäftigungsverbots Mutterschutzlohn (= Arbeitsentgelt) bezogen.

Ein Zeugnis bzw. eine Bescheinigung über den voraussichtlichen Entbindungstag i. S. d. § 24i Abs. 3 Satz 4 SGB V bzw. § 3 Abs. 2 Satz 3 MuSchG kann sie der Krankenkasse nicht nachweisen.

Lösung:

Da die Krankenkasse über kein Zeugnis bzw. keine Bescheinigung über einen voraussichtlichen Entbindungstag verfügt, kann § 24i Abs. 3 Satz 3 nicht angewandt werden. Der Zeitraum, für den Mutterschaftsgeld zu zahlen ist, wird allein vom tatsächlichen Entbindungstag (27.9.) aus berechnet. Der Anspruch auf Mutterschaftsgeld besteht deshalb grundsätzlich ab dem 16.8. (= 42 Tage vor dem 27.9.).

Allerdings hatte die Busfahrerin noch bis 26.9. Arbeitsentgelt in Form des Mutterschutzlohns bezogen. Um der Frau den in Deutschland bestehenden Anspruch auf 99 bzw. 127 Tage Mutterschaftsgeld zu bewahren, bestimmt Art. 8 Abs. 1 der EG-Mutterschutzrichtlinie 92/85/EWG, dass die Zahlung von Mutterschaftsgeld erst nach dem Mutterschutzlohn einsetzt. Die Busfahrerin hat somit für die Zeit ab 27.9. noch einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld für 99 Tage bzw. bei einer Mehrlings- oder Frühgeburt bzw. bei einem Kind mit Behinderung für 127 Tage.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge