Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankengeld. kein Wegfall des Anspruchs beim Bezug einer privaten Berufsunfähigkeitsrente

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine private Berufsunfähigkeitsrente führt nicht gemäß § 44 Abs 2 S 1 Nr 4 SGB 5 zum Wegfall des Anspruchs auf Krankengeld.

2. Private Vorsorgeleistungen sind keine Renten aus einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder einer anderen vergleichbaren Stelle.

 

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 19.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.3.2011 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Erstattungsbescheides.

Der 1961 geborene Kläger ist selbständiger Dachdeckermeister. Den letzten Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung zahlte er im Jahre 1998. Er ist bei der Beklagten freiwillig krankenversichert mit Anspruch auf Krankengeld ab dem 22. Tag der Arbeitsunfähigkeit.

Ab dem 31.8.2009 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt wegen chronischer Polyarthritis mit Beschwerden des rechten Handgelenkes, die Beklagte zahlte Krankengeld vom 21.9.2009 bis zum 21.10.2010.

Der Kläger hatte am 1.5.1998 bei der H M (inzwischen E Lebensversicherungs-AG) eine Kapitallebensversicherung mit Überschussbeteiligung für die Dauer von 23 Jahren abgeschlossen. Die Versicherung beinhaltete unter anderem eine Beitragsbefreiung bei Berufs- und Dienstunfähigkeit vor dem 1.6.2021 und eine monatliche Rentenzahlung (LV). Weiterhin war bei der gleichen Versicherungsgesellschaft eine Direktversicherung (Versorgungsbezug) abgeschlossen worden (LV).

Mit Schreiben vom 5.10.2010 teilte die E Lebensversicherung-AG dem Kläger mit, dass sie ihre Leistungspflicht wegen Berufsunfähigkeit ab dem 1.9.2009 anerkenne. Die monatliche Rente aus der LV betrage monatlich 476,20 Euro und ab dem 1.1.2010 monatlich 479,55 Euro. Die Nachzahlung für den Zeitraum vom 1.9.2009 bis 1.11.2010 betrug 10.952,62 Euro. Aus der LV bewilligte die E Lebensversicherung-AG dem Kläger eine monatliche Rente von 2.090,25 Euro, der Nachzahlungsbetrag für den Zeitraum vom 1.9.2009 bis 1.11.2010 betrug 37.004,62 Euro.

Nachdem die Beklagte vom Kläger über die Zahlung aus der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung informiert worden war und der Kläger das Schreiben der E Lebensversicherung-AG vom 5.10.2010 vorgelegt hatte, teilte die Beklagte ihm mit Schreiben vom 29.10.2010 mit, er sei bereits mit Schreiben vom 15.9.2010 informiert worden, dass bei Zubilligung von Leistungen aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung auch rückwirkend der Anspruch auf Krankengeld ganz oder teilweise entfalle. Die Kasse habe dann einen Anspruch auf die Rentennachzahlung. Um abschließend prüfen zu können, auf welche der Rentenzahlungen und in welcher Höhe ein Erstattungsanspruch der Beklagten bestehe, benötige sie genauere Angaben. Es werde daher um Einreichung von Kopien der Versicherungsverträge gebeten. Nachdem der Kläger die entsprechenden Unterlagen vorgelegt hatte, machte die Beklagte mit Bescheid vom 19.11.2010 einen Erstattungsanspruch in Höhe von 27.184,23 Euro für den Zeitraum vom 21.9.2009 bis 21.10.2010 geltend. Zur Begründung wurde ausgeführt, ab dem 1.1.2009 habe § 44 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) eine Änderung erfahren. § 44 SGB V regele in Abs 2, in welchen Fällen kein Anspruch auf Krankengeld bestehe. Er sei ab dem 1.1.2009 um die Nr 4 erweitert worden. Hier heiße es, dass für Versicherte, die eine Rente aus einer öffentlich-rechtlichen Versicherung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe oder von vergleichbaren Stellen beziehen, die ihrer Art nach den in § 50 Abs 1 SGB V genannten Leistungen entsprächen, § 50 Abs 2 SGB V entsprechend gelte, soweit sie eine Leistung bezögen, die ihrer Art nach den in dieser Vorschrift aufgeführten Leistungen entspräche. Leistungen nach § 50 Abs 1 SGB V seien zB eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, Erwerbsunfähigkeit oder eine Vollrente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung. § 50 Abs 2 SGB V bestimme, dass Krankengeld um den Zahlbetrag zB eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, Berufsunfähigkeit oder der Teilrente wegen Alters der gesetzlichen Rentenversicherung zu kürzen sei. Die Erweiterung des § 44 SGB V führe dazu, dass das Krankengeld des Klägers rückwirkend ab dem 21.9.2009 um den Rentenzahlbetrag der E Lebensversicherung-AG zu kürzen sei. Die bewilligte Leistung entspreche ihrer Art nach der Leistung des § 50 Abs 2 SGB V und werde von einer “anderen vergleichbaren Stelle„ gezahlt.

Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23.3.2011 zurückgewiesen. Die Beklagte führte ergänzend zu den Ausführungen im Bescheid vom 19.11.2010 aus, Rechtsgrundlage für den Erstattungsbescheid sei entweder § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X oder § 45 SGB X. Sie habe dem Kläger durch das ungekürzt ausgezahlte Krankengeld einen rechtlich erheblichen Vorteil zugebilligt, somit liege ei...

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