Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Regelungsanordnung. Anordnungsanspruch. Asylbewerberleistung. Analogleistung. Leistungsausschluss für Auszubildende nach § 22 Abs 1 S 1 SGB 12. Arbeitsförderung. Berufsausbildungsbeihilfe. Sonderregelung für die Ausbildungsförderung von Ausländern. Prognose eines rechtmäßigen dauerhaften Aufenthalts. Folgenabwägung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Leistungsausschluss nach § 22 Abs 1 S 1 SGB 12 erfasst Analogleistungsberechtigte nach § 2 AsylbLG, wenn sie eine Ausbildung aufnehmen, die dem Grunde nach mit Leistungen nach dem BAföG oder mittels Berufsausbildungsbeihilfe förderungsfähig ist. Ein "Aufstocken" mit Grundleistungen nach § 3 AsylbLG kommt nicht in Betracht.

2. Ob ein rechtmäßiger dauerhafter Aufenthalt im Sinne des § 132 SGB 3 zu erwarten ist, hängt womöglich nicht lediglich von der Gesamtschutzquote des betreffenden Herkunftsstaats ab. Aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 28.9.2017 - 1 BvR 1510/17 = NJW 2018, 40 ist im Hauptsacheverfahren zu prüfen, ob bei der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals individuelle Umstände des betroffenen Asylbewerbers zu berücksichtigen sind.

3. Im Eilverfahren ist bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens eine Folgenabwägung vorzunehmen. Nach den Umständen des Einzelfalls kann die Bundesagentur für Arbeit dazu verpflichtet werden, einstweilen Berufsausbildungsbeihilfe zu gewähren.

 

Tenor

I. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung dazu verpflichtet, dem Antragsteller Berufsausbildungsbeihilfe zu zahlen in Höhe von 113 Euro monatlich.

II. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers dem Grunde nach zu erstatten. Darüber hinaus sind keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin die Förderung seiner Berufsausbildung zum Einzelhandelskaufmann mittels Berufsausbildungsbeihilfe.

Der 1999 geborene Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger. Dort absolvierte er eine Schulausbildung von September 2006 bis Juli 2014. Er reiste am 04.11.2015 in das Bundesgebiet ein. Seinen Antrag auf Asyl vom 17.03.2016 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) am 23.01.2017 ab, ebenso die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzstatus. Abschiebungsverbote bestünden nicht. Es sei davon auszugehen, dass der Antragsteller als gesunder junger Mann ohne familiäre Bindungen auch ohne nennenswertes Vermögen, ohne abgeschlossene Berufsausbildung und ohne familiären Rückhalt im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland dazu in der Lage wäre, sich zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren und allmählich wieder in die afghanische Gesellschaft zu integrieren. Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am 09.02.2017 vor dem Verwaltungsgericht Leipzig Klage erhoben. Über diesen Rechtsbehelf hat das Verwaltungsgericht noch nicht entschieden. Seit dem 27.03.2016 verfügt der Antragsteller über eine Aufenthaltsgestattung, die ihm der beigeladene Landkreis ausgestellt hat. Dieser Aufenthaltstitel besteht bis zum 09.01.2019.

Mit Bescheid vom 24.02.2017 wies der Beigeladene den Antragsteller bis auf Widerruf der von ihm angemieteten Wohnung in der A-Straße in A... zu, wo der Antragsteller auch derzeit noch lebt. Vom 01.03.2017 an erhielt der Antragsteller vom Beigeladenen sogenannte "Analogleistungen" nach § 2 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Zuvor hatte er Grundleistungen nach § 3 AsylbLG erhalten. Im Bewilligungsbescheid vom 14.07.2017 weist der Berechnungsbogen für März 2017 Kosten für Unterkunft und Heizung von 288,95 Euro monatlich aus.

Am 12.06.2018 schloss der Antragsteller mit der "C-oHG" in C... einen Berufsausbildungsvertrag nach §§ 10, 11 Berufsbildungsgesetz (BBiG). Demnach soll der Antragsteller vom 01.08.2018 bis zum 31.07.2021 zum Einzelhandelskaufmann ausgebildet werden. Die Ausbildungsvergütung beträgt im ersten Ausbildungsjahr 705 Euro brutto monatlich (netto: 572,58 Euro). Zuvor hatte der Antragsteller von Juli 2016 bis Juni 2017 an einem berufsvorbereitenden Jahr am Beruflichen Schulzentrum in A... teilgenommen und dieses mit dem Hauptschulabschluss beendet.

Mit Bescheid vom 02.08.2018 erlaubte der Beigeladene dem Antragsteller die Aufnahme der Berufsausbildung. Zugleich forderte dieser den Antragsteller dazu auf, bei der Antragsgegnerin umgehend Berufsausbildungsbeihilfe zu beantragen. Vorsorglich meldete der Beigeladene bei der Antragsgegnerin einen Erstattungsanspruch an.

Schließlich nahm der Beigeladene die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen nach dem AsylbLG zurück ab dem 01.10.2018 (Bescheid vom 26.09.2018). Da § 22 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) entsprechend anzuwenden sei, greife im Falle des Antragstellers ein Leistungsausschluss, da dessen Berufsausbildung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) bzw. mittels Berufsausbildungsbeihilfe förderfähig sei. Ein besonder...

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