Rz. 22

Der Rehabilitationssport hat die Aufgabe, unterstützend das Ziel der medizinischen Rehabilitation zu erreichen oder den Rehabilitationserfolg dauerhaft zu sichern. In der Zeit vom 1.10.1974 (Inkrafttreten des RehaAnglG) bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des SGB IX (1.7.2001) wurde der Rehabilitationssport von den Rehabilitationsträgern in Form eines Zuschusses finanziert. Der pauschale Zuschuss sollte die Mehrkosten, die durch einen eigens für den Rehabilitationssport ausgebildeten Übungsleiter und – bei Herzgruppen – für den während der Übungseinheit notwendig anwesenden Arzt entstehen, abdecken. Die normalen Kosten, die auch die nicht behinderten Menschen für ihre Mitgliedschaft in ihrem ("normalen") Sportverein zahlten, trugen die Menschen mit Behinderung selbst. Damit wurde dem Grundsatz entsprochen, dass Menschen mit Behinderung nicht schlechter gestellt werden als Gesunde. Bis zum Inkrafttreten des SGB IX konnte der Versicherte/Rehabilitand Rehabilitationssport durchweg ohne Unterbrechung über mehrere Jahre hinweg beanspruchen, weil man davon ausging, dass der Betreffende nur solange zur Mitfinanzierung des Rehabilitationssports bereit ist, wie dieser medizinisch notwendig ist.

Mit Inkrafttreten des SGB IX (1.7.2001) wandelte der Gesetzgeber den Rehabilitationssport in eine Naturalleistung um. Ab diesem Zeitpunkt war die Leistung von den Rehabilitationsträgern nicht mehr in Form eines Zuschusses, sondern in Natura, also ohne finanzielle Beteiligung des Rehabilitanden, zu gewähren. Begründet wurde die neue Finanzierung der Leistung damit, dass viele Menschen mit Behinderung nicht die Beiträge aufwenden konnten, die die ungedeckten Mehrkosten ausmachten. Aus Sicht des Autors bewirkte die Umstellung der Leistung von der Zuschuss- auf die Naturalleistung, dass die bis dahin hauptsächlich ehrenamtlich strukturierten Rehabilitationssportvereine sehr schnell dem kommerziellen Gedanken nacheiferten, weil ja alle Kosten von Dritten – nämlich den Rehabilitationsträgern – zu tragen waren.

Aus Sicht der Rehabilitationsträger erforderte die Umwandlung von der Zuschuss- auf die Naturalleistung gleichzeitig eine zeitliche Begrenzung des Rehabilitationssports. Aus diesem Grund konnte fortan die Leistung nur solange beansprucht werden, wie sie medizinisch notwendig war. Nach der ersten Fassung der Rahmenvereinbarung (v. 1.10.2003) bestand der Anspruch auf Rehabilitationssport nur solange, wie der behinderte oder von Behinderung bedrohte Mensch während der Übungsveranstaltungen auf die fachkundige Leitung des Übungsleiters angewiesen war, um Hilfe zur späteren Selbsthilfe zu erhalten. Diese Hilfe zur Selbsthilfe hatte laut Rahmenvereinbarung das Ziel, Selbsthilfepotenziale zu aktivieren, die eigene Verantwortlichkeit des behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen für seine Gesundheit zu stärken sowie ihn zu motivieren und in die Lage zu versetzen, langfristig selbständig und eigenverantwortlich Bewegungstraining durchzuführen, z. B. durch weiteres Sporttreiben im Verein auf eigene Kosten (vgl. auch Ziff. 2.2. der unter Rz. 20 aufgeführten, seit 1.1.2022 geltenden Rahmenvereinbarung). Der Rehabilitationssport bekam somit nach dem Willen der Rehabilitationsträger die Funktion einer Anschubfinanzierung, die gleichzeitig die Eigenverantwortung des Rehabilitanden (vgl. z. B. § 1 Satz 2 und § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V) stärken sollte. Das BSG hat jedoch in mehreren Streitfällen entschieden, dass die Rahmenvereinbarung im Verhältnis zum Versicherten bezüglich der Anspruchsdauer keine Rechtswirkung hat (vgl. Rz. 33 ff.)

 

Rz. 23

Um die leidige Frage, wie lange in jedem Einzelfall Rehabilitationssport aus medizinischen Gründen notwendig war, zu umgehen, wurden seitens der Krankenkassen feste Richtwerte für Anspruchsdauern geschaffen, für die die medizinische Notwendigkeit pauschal unterstellt wurde (z. B. 50 Übungseinheiten, die der Betroffene innerhalb von 18 Monaten in Anspruch nehmen konnte). Die Krankenkassen gingen zunächst davon aus, dass der Rehabilitationssport-Teilnehmer – von bestimmten Personenkreisen abgesehen – nach Ablauf der "standardisierten" Anspruchsdauer alle Übungen erlernt haben müsste, um diese zu Hause oder im Sportverein alleine und auf eigene Kosten durchführen könnte. Diese Auffassung beanstandete später das BSG. Näheres hierzu unter Rz. 33 ff.

Der Rentenversicherungsträger sah seine Zuständigkeit – also die medizinische Notwendigkeit für die Zeit nach von ihm durchgeführter medizinischer Rehabilitationsleistungen – nur für einen Zeitraum von grundsätzlich 6 Monaten. Der Zeitraum beginnt mit der erstmaligen Teilnahme. Das ist auch heute noch so.

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