Rz. 9

Zur Frage, ob der Kündigungsschutz auch dann besteht, wenn dem Arbeitgeber die Schwerbehinderteneigenschaft des beschäftigten schwerbehinderten Menschen nicht bekannt ist, hat die Rechtsprechung Grundsätze aufgestellt.

 

Rz. 10

Ist die Schwerbehinderteneigenschaft zum Zeitpunkt der Kündigung festgestellt oder wenigstens ein Antrag gestellt, besteht der Kündigungsschutz auch dann, wenn der Arbeitgeber bei der Kündigung hiervon keine Kenntnis hatte.

Hatte der Arbeitgeber von der vor der Kündigung erfolgten Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft keine Kenntnis und hat er die Kündigung infolgedessen ohne Zustimmung ausgesprochen, kann die Kündigung dennoch unwirksam sein. Der Kündigungsschutz besteht nämlich unabhängig davon, ob der Arbeitgeber Kenntnis von der vorliegenden Schwerbehinderteneigenschaft hat. Allerdings muss der Arbeitnehmer, wenn der Kündigungsschutz nicht verwirkt sein will, die Schwerbehinderteneigenschaft dem Arbeitgeber innerhalb einer angemessenen Frist nach Erhalt der Kündigung mitteilen. Als "angemessene Frist" hatte die Rechtsprechung des BAG in der Vergangenheit einen Monat angesehen. Diese Auffassung hat das BAG inzwischen geändert und geht nunmehr unter ausdrücklichem Bezug auf die Vorschrift des § 173 Abs. 3 und die darin festgelegte Frist des § 152 Abs. 1 Satz 3 nur noch von 3 Wochen als angemessene Frist aus (BAG, Urteil v. 11.12.2008, 2 AZR 395/07).

 

Rz. 11

Durch das Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen v. 23.4.2004 (BGBl. I S. 606) ist mit Wirkung zum 1.5.2004 durch eine Ergänzung in § 90 (ab 1.1.2018 § 173) eine Klarstellung zur Geltung des Kündigungsschutzes vorgenommen worden. Durch den dort eingefügten Abs. 2a (ab 1.1.2018 Abs. 3) wird sichergestellt, dass der Arbeitgeber zur Kündigung gegenüber einem schwerbehinderten Menschen nicht der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes bedarf, wenn zum Zeitpunkt der beabsichtigten Kündigung die Schwerbehinderteneigenschaft nicht nachgewiesen ist, also entweder nicht offenkundig ist, so dass es eines Nachweises (Feststellungsverfahren nach § 152) nicht bedarf oder der Nachweis über die Schwerbehinderteneigenschaft nicht durch einen Feststellungsbescheid nach § 152 Abs. 1 oder durch eine Feststellung nach § 152 Abs. 2 erbracht ist. Die Regelung betrifft nicht die Fälle, in denen die Schwerbehinderteneigenschaft vorliegt/festgestellt ist, der schwerbehinderte Mensch diese aber dem Arbeitgeber nicht mitteilt/verschweigt. Für diese Fälle gilt auch weiterhin das in Rz. 10 Gesagte.

Daneben gilt der besondere Kündigungsschutz nach dieser Klarstellung nur in den Fällen, in denen ein Verfahren auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft zwar zum Zeitpunkt der Kündigung anhängig ist, die für die zu treffenden Feststellungen zuständigen Behörden (§ 152 Abs. 1, 2) ohne ein Verschulden des Antragstellers aber noch keine Feststellungen treffen konnten. Die Vorschrift verweist auf die in § 152 Abs. 1 Satz 3 genannte Frist, diese ist ebenfalls durch das o. a. Gesetz eingefügt worden.

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