0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Ursprungsfassung des BSHG v. 30.6.1961 (BGBl. I S. 815) sah in § 40 bereits Besuchsbeihilfen im Zusammenhang mit "Maßnahmen der Eingliederungshilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung" vor. Musste die Besuchsbeihilfe nach dem BSHG "im Einzelfall gerechtfertigt sein", so trat mit Einfügung des BSHG in das Sozialgesetzbuch als dessen XII. Buch an die Stelle der Rechtfertigung die Erforderlichkeit der Beihilfe, § 54 Abs. 2 SGB XII (v. 27.12.2003, BGBl. I S. 3022).

 

Rz. 2

Nach Inkorporierung der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII in das SGB IX – Recht der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – regelt § 113 Abs. 2 Nr. 9 i. V. m. § 115 SGB IX die Besuchsbeihilfen (mit Wirkung zum 1.1.2020 – BTHG v. 23.12.2016, BGBl. I S. 3234). Die neuen Vorschriften berücksichtigen unter Beibehaltung der bisherigen Systematik insbesondere die mit dem BTHG erfolgte Aufhebung der Unterscheidung von ambulanten, teilstationären und stationären Leistungen sowie das bereits mit Wirkung zum 1.1.2018 durch das BTHG eingeführte Rechtsinstitut der "Anderen Anbieter" (§ 60).

Die Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Änderung des Neunten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Rechtsvorschriften v. 30.11.2019 (BGBl. I S. 1948) mit Wirkung zum 1.1.2020 redaktionell geändert.

1 Allgemeines

 

Rz. 3

§ 113 Abs. 2 normiert die prägenden, wesentlichen Leistungen zur Sozialen Teilhabe in einem offenen Katalog ("insbesondere"). In Nr. 9 von Abs. 2 der Vorschrift wird die Besuchsbeihilfe ausdrücklich als Teilhabeleistung benannt. Die Konkretisierung der Besuchsbeihilfe - für die anderen Leistungen zur Sozialen Teilhabe geschieht dies über § 113 Abs. 3 in den §§ 77 bis 84 – findet sich in § 115, damit also im Recht der Eingliederungshilfe, weil das allgemeine soziale Teilhaberecht in den §§ 76 ff. Besuchsbeihilfen nicht vorsieht.

 

Rz. 4

Während auf Leistungen zur Sozialen Teilhabe bei Vorliegen der Voraussetzungen grundsätzlich ein Rechtsanspruch besteht (§ 38 SGB I), ist dies bei der Besuchshilfe nicht der Fall, vielmehr besteht nach dem klaren Wortlaut des § 115 lediglich ein Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens ("können"; § 39 SGB I). Das Fehlen eines Rechtsanspruchs ist damit zu begründen, dass es sich bei der Besuchsbeihilfe (lediglich) um eine unselbständige, sich zur Hauptleistung (§ 113 Abs. 2 Nr. 1 bis 8) komplementär verhaltende Nebenleistung handelt; unselbständig deshalb, weil eine eigenständige, isoliert zu erbringende Besuchsbeihilfe über kein Substrat verfügt, dem zu dienen sie bestimmt wäre. Daher setzt die Besuchsbeihilfe eine andere an den Leistungsberechtigten zu erbringende Leistung zur Sozialen Teilhabe voraus. Zu dieser Hauptleistung steht die Besuchsbeihilfe als Nebenleistung in einem komplementären Verhältnis, ohne deren integraler Bestandteil zu sein (missverständlich insoweit: LSG Schleswig-Holstein, Urteil v. 27.11.2019, L 9 SO 20/18, Rz. 34). Sie ist ein zusätzlicher Leistungstatbestand der Eingliederungshilfe "sui generis" (vgl. auch RegE BTHG, BT-Drs. 18/9522, zu § 113; im Ergebnis ebenso: Mayer, in: Oestreicher/Decker, SGB XII, § 54 Rz. 119, unter Hinweis auf LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 10.10.2007, L 12 SO 19/06).

 

Rz. 5

Eine wesentliche Folge dieser Systematik besteht darin, dass im Rahmen der Besuchsbeihilfe die Vorschriften über den Beitrag, den der Leistungsberechtigte zu den Aufwendungen der Leistung aufzubringen oder – je nach Leistungsart – nicht aufzubringen hat (§§ 135 ff.), keine Anwendung finden. Vielmehr entspricht es dem Wesen einer im Wege des Ermessens zu leistenden Beihilfe, dass diese die Besuchskosten ganz oder auch nur zu einem Teil abdecken können. Der nach § 115 Leistungsberechtigte hat im letzteren Fall die verbleibenden Besuchskosten selbst zu tragen (BVerwG, Uteil v. 11.3.1970, V C 112/69; Mayer, in: Oestreicher/Decker, SGB XII, § 54 Rz. 119)

 

Rz. 6

Von der Beihilfe zu den Kosten einer Besuchsreise ist die Assistenzleistung für eine Begleitperson zu unterscheiden (§ 113 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 i. V. m. § 78 Abs. 2 S. 2 Nr. 1). Diese Leistung ist, anders als die Besuchsbeihilfe, keine Komplementärleistung, vielmehr "umfasst" (§ 78 Abs. 2 Satz 2) die Assistenzleistung u. a. auch die Begleitung des Leistungsberechtigten, sie ist deren integraler Bestandteil.

 

Rz. 7

Die persönliche Begleitung im Rahmen der Assistenz hat daher keine Berührungspunkte mit der Besuchsbeihilfe. Beide Leistungen stehen unverbunden nebeneinander und verfolgen unterschiedliche Zwecke: Im Fall der Besuchsbeihilfe ist das die Kommunikation mit Angehörigen im Rahmen gegenseitiger Besuche, im anderen Fall die begleitende Unterstützung der Bewältigung des Alltages (§ 78 Abs. 1 Satz 1). Als zwingende Folge sind die Regelungen des Aufwendungsbeitrages des Leistungsberechtigten anzuwenden (§§ 135 ff.).

2 Rechtspraxis

2.1 Voraussetzungen des § 115

 

Rz. 8

Zentrale Voraussetzung zum Erhalt von Besuchsbeihilfen ist die Erbringung von Leistungen der Sozialen Teilhabe gemäß § 113 an den Antragsteller. Dabei verlangt § 115 einengen...

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