0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift wurde durch Art. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) mit Wirkung zum 1.1.2020 in das SGB IX eingefügt.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Vorschrift bestimmt in Abs. 1 die Notwendigkeit einer Antragstellung und legt in Abs. 2 fest, in welchen Fällen es keines Antrages bedarf.

2 Rechtspraxis

2.1 Antragserfordernis (Abs. 1)

 

Rz. 3

In Satz 1 wird für Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Teil 2 des SGB IX in Abweichung zu den Regelungen im Recht der Sozialhilfe, unter das bis zum 31.12.2019 auch das Recht der Eingliederungshilfe im SGB XII fiel, ein grundsätzliches Antragserfordernis geregelt. Im Recht der Sozialhilfe im SGB XII gilt mit Ausnahme der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im 4. Kapitel, dass der Träger von Amts wegen tätig werden muss, es eines ausdrücklichen Antrages nicht bedarf (§ 18 SGB XII). Im Recht der Sozialhilfe ist die Regelung mit der Notwendigkeit begründet, die Leistungen zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage erbringen zu können, ohne dass ein förmlicher Antrag vorliegen muss.

 

Rz. 4

In der Begründung zum Gesetzentwurf (BT-Drs. 18/9522) hat der Gesetzgeber die mit der Übernahme des Rechts der Eingliederungshilfe aus dem SGB XII in den Teil 2 des SGB IX erfolgte Regelung zur Notwendigkeit einer Antragstellung damit begründet, dass bei der Eingliederungshilfe keine "gegenwärtige Notlage" eintrete, die mit Notsituationen im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des SGB XII vergleichbar sei und ein Festhalten an der Offizialmaxime rechtfertigen könnte. Zwischen der Hilfe zum Lebensunterhalt und den Leistungen der Eingliederungshilfe bestehe vielmehr bereits insoweit ein Unterschied, als ein bestehender Bedarf an Leistungen der Eingliederungshilfe erst im Rahmen eines umfassenden Gesamtplanverfahrens ermittelt werden kann. Es reiche nicht aus, dass die Leistungsberechtigung noch ungewiss sei, sondern der Bedarf an Eingliederungshilfe müsse dem Leistungsträger so bekannt sein, dass tatsächlich Hilfe erwartet werden könne.

Die Einführung des Antragsprinzips korrespondiere darüber hinaus mit dem Anliegen, die Eingliederungshilfe aus dem System der Sozialhilfe herauszulösen. In der Konsequenz habe dies dann auch die Abkehr von der Regelung des § 18 SGB XII zur Folge, die allein in der Besonderheit des Fürsorgerechts (des SGB XII) begründet sei. Mit der Einführung des Antragserfordernisses werde zudem Kompatibilität mit den Vorschriften in den §§ 14 und 15 in Teil 1 hergestellt.

 

Rz. 5

Durch die Regelung des Satzes 2 wird erreicht, dass für zurückliegende Zeiten keine Leistungen erbracht werden dürfen. Die begrenzte Rückwirkung auf den Ersten des Monats der Antragstellung räumt jedoch einen begrenzten Spielraum bis zur Antragstellung ein. Die Leistungen müssen nicht "spitz" auf den Tag ab der Antragstellung berechnet werden. Außerdem dient die Regelung der Verwaltungsvereinfachung.

2.2 Verzicht auf das Antragserfordernis (Abs. 2)

 

Rz. 6

In Abs. 2 hat der Gesetzgeber eine Regelung getroffen, dass ein Antrag nicht gesondert gestellt werden muss, wenn in einem Gesamtplanverfahren ein Bedarf für die jeweiligen Leistungen bereits festgestellt worden ist. Der Gesetzgeber war der Auffassung, das uneingeschränkte Erfordernis eines Antrags für alle Leistungen der Eingliederungshilfe könnte erhebliche Nachteile sowohl für die leistungsberechtigten Personen als auch für den Leistungserbringer mit sich bringen. So könnten in Unkenntnis der Ansprüche einzelne Leistungen nicht beantragt werden. Würde nach Ablauf des Bewilligungszeitraums vergessen, einen neuen Antrag zu stellen, könnten – zumindest bis zu einer erneuten Antragstellung – keine Leistungen bewilligt werden. Ein uneingeschränktes Antragserfordernis wäre zudem für den leistungsberechtigten Menschen mit Behinderungen als auch für den Leistungserbringer mit einem erheblichen Aufwand verbunden.

 

Rz. 7

Diesen Besonderheiten wird durch die Regelung in Abs. 2 Rechnung getragen. Soweit in dem Gesamtplanverfahren ein Bedarf für Leistungen der Eingliederungshilfe ermittelt worden ist, ist ein Antrag für die einzelnen Leistungen nicht notwendig. Das gilt nicht nur für das anfängliche Gesamtplanverfahren, sondern auch für das Verfahren zur Überprüfung und Fortschreibung des Gesamtplanes. Wird also erst bei Fortschreibung des Gesamtplans ein Bedarf für eine weitere Leistung festgestellt, bedarf es hierfür keines zusätzlichen Antrages.

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