Rz. 26

Abs. 4 stellt eine Kompromisslösung des Gesetzgebers für die Arbeitsverwaltung dar. Einerseits will der Gesetzgeber die Agentur für Arbeit von vermeidbarem Verwaltungsaufwand entlasten, andererseits das vermittlerische Handeln auf die Ebene der Versicherungstätigkeit beschränken, dabei aber sich ergebendes Potenzial gleichwohl zur Senkung der Arbeitslosigkeit nutzen.

 

Rz. 27

Im Grundsatz sollen die Agenturen für Arbeit nur in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen vermitteln. Dies entspricht dem Ansatz der Arbeitslosenversicherung, versicherte Personen wieder in eine Beschäftigung zu integrieren, aus der heraus sie auch wieder Beiträge in die Arbeitslosenversicherung einzahlen (müssen). Die Erstentscheidung über eine Versicherungspflicht trifft jeweils der Arbeitgeber, wenn er den eingestellten Arbeitnehmer zur Arbeitslosenversicherung bei der Krankenkasse anmeldet oder nicht. Überprüfende Stelle ist die Krankenkasse, die den Arbeitgeber ggf. zur Beitragszahlung heranzieht. Am Ende der Beschäftigung erhält der Beschäftigte eine Arbeitsbescheinigung, wenn er versicherungspflichtig beschäftigt war, ansonsten nicht. Erst im Zuge einer Antragstellung auf Versicherungsleistungen bei der Agentur für Arbeit fallen ggf. Ungereimtheiten auf, weil Beiträge abgeführt wurden, obwohl Versicherungspflicht nicht bestand, oder Arbeitslosengeld (Alg) begehrt wird, der Arbeitgeber aber mangels versicherungspflichtiger Beschäftigung keine Arbeitsbescheinigung i. S. v. § 312 ausstellen will.

 

Rz. 28

Wäre die Agentur für Arbeit gesetzlich verpflichtet, nur in arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung zu vermitteln, bedeutete dies eine Prüfung eines Stellenangebotes in jedem Einzelfall, ob durch die angebotene Beschäftigung Versicherungspflicht begründet wird oder nicht. Abs. 4 Satz 1 entbindet die Agentur für Arbeit nun von der Pflicht zu prüfen, ob es sich bei der angebotenen Beschäftigung um eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit handelt. Das hat zur Folge, dass sich die Beratungs- und Vermittlungsfachkraft der Agentur für Arbeit keine weiteren Gedanken darum machen muss, ob einem Stellenangebot möglicherweise eine selbstständige Tätigkeit zugrunde liegt, in die sie nicht vermitteln dürfte. Insoweit kann der Agentur für Arbeit nicht vorgeworfen werden, sie habe rechtswidrig gehandelt. Diese gesetzliche Regelung erspart den mitunter hohen Prüfaufwand für die Beratungs- und Vermittlungsfachkräfte. Gerade in Grenzfällen würden die Fachkräfte der Agentur für Arbeit zu Prüfungen der Versicherungspflicht gezwungen statt ihrer originären Tätigkeit nachzugehen, Arbeitsuchende und Arbeitslose in Arbeit zu vermitteln. Abs. 4 Satz 1 entscheidet somit zugunsten der vermittlerischen Aktivitäten.

 

Rz. 29

Abs. 4 Satz 2 greift den Einwand auf, dass aus einem Stellenangebot mitunter offensichtlich wird, dass eine selbstständige Tätigkeit vergeben werden soll. Der Gesetzgeber unterstellt richtigerweise, dass die Beratungs- und Vermittlungsfachkraft der Agentur für Arbeit dies im Regelfall erkennen wird. Es liegt dann in seiner Kompetenz, gleichwohl Arbeitslose und Arbeitsuchende auf das Stellenangebot hinzuweisen, insoweit also vermittlerisch tätig zu werden. Das bedingt allerdings, dass die angebotene Tätigkeit nicht (erkennbar) gegen ein Gesetz oder die guten Sitten verstößt.

 

Rz. 30

Abs. 4 Satz 2 eröffnet damit die Möglichkeit, letztlich auch in selbstständige Tätigkeit zu vermitteln, ohne als Vermittler tätig zu werden. Durch den Hinweis auf die selbstständige Tätigkeit geht die Agentur für Arbeit keinerlei Verpflichtung ein, sie übernimmt keine Garantie für bestimmte Rahmenbedingungen oder Umstände einer Tätigkeit. Sie hat lediglich geprüft, ob das Stellenangebot ersichtlich gegen ein Gesetz oder die guten Sitten verstößt.

 

Rz. 31

Den Störfall, dass die Beratungs- und Vermittlungsfachkraft den Charakter einer unselbstständigen Tätigkeit verkennt und dorthin vermittelt oder auf eine selbstständige Tätigkeit nur hinweist, obwohl tatsächlich eine arbeitslosenversicherungspflichtige abhängige Beschäftigung angeboten wird, regelt das Gesetz nicht. Die jeweiligen Rechtsfolgen richten allein danach, ob dem Stellenangebot objektiv eine abhängige Beschäftigung oder nicht abhängige Tätigkeit zugrunde liegt. Im Falle einer Ablehnung durch den arbeitslosen Bezieher von Alg ohne wichtigen Grund kann daher z. B. eine Sperrzeit nach § 159 nur eintreten, wenn es sich um ein Arbeitsangebot mit abhängiger Beschäftigung gehandelt hat. Hat die Agentur für Arbeit eine selbstständige Tätigkeit angenommen und deshalb nur auf die Tätigkeit hingewiesen, kann eine Sperrzeit nicht eintreten, weil es an einem ordnungsgemäßen Arbeitsangebot mit Rechtsfolgenbelehrung fehlt. Im umgekehrten Fall tritt eine Sperrzeit nicht ein, weil der Arbeitslose nicht verpflichtet ist, eine selbstständige Tätigkeit aufzunehmen, um dadurch seine Arbeitslosigkeit zu beenden.

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