Rz. 2

Die Grundsätze und die Inhalte der Berufsberatung legen eine insbesondere im Hinblick auf die Bedeutung der Berufswahlentscheidung Jugendlicher notwendige Objektivität der Beratung nahe. Es entspricht deshalb dem objektiven Schutzbedürfnis jedes Ratsuchenden, Kenntnis über alle Einflussfaktoren zu erhalten, die sich auf den Inhalt oder die Zielrichtung der Beratung auswirken können.

 

Rz. 3

Der Gesetzgeber hat keine Einwände dagegen, dass Berufsberatung durch Dritte auch deshalb betrieben wird, um Ratsuchende zu einer Berufswahlentscheidung im Interesse des Dritten zu bewegen. Dies bedeutet letztlich eine Form von "Nachwuchsarbeit" für den eigenen Betrieb oder den betreuten Wirtschaftszweig. Der Gesetzgeber will aber gewährleisten, dass gegenüber dem Ratsuchenden gerade darüber Transparenz hergestellt wird, damit dieser sich darüber im Klaren ist, dass er je nach Verlauf der Beratung zu einer Berufswahlentscheidung für oder gegen den Arbeitgeber oder die Einrichtung gelenkt werden könnte. Damit gibt der Gesetzgeber den Maßstab für die gebotene Transparenz vor. Der Beratende hat der beratenen Person jegliche Verbindung offenzulegen und darauf hinzuweisen, dass aufgrund der Verbindung eine Einflussnahme auf die Inhalte der Beratung und die Werturteile möglich ist.

 

Rz. 4

Berufsberatende nehmen die Interessen eines Arbeitgebers oder einer Einrichtung insbesondere dann wahr, wenn sie bei dem Arbeitgeber oder der Einrichtung angestellt sind und in dessen oder deren Auftrag handeln. Das ist z. B. der Fall, wenn große Unternehmen oder Konzerne über ihre Personalabteilung systematisch oder im Rahmen von Aktionen, z. B. einem Tag der offenen Tür, Berufsberatung anbieten und durchführen oder es zu den direkten oder indirekten selbstgestellten Aufgaben von Einrichtungen gehört, durch Berufsberatung den Zugang zu dem betreffenden Wirtschaftszweig zu fördern, etwa durch Industrie- und Handels- oder Handwerkskammern. Bei Arbeitgebern ist die Interessenwahrnehmung sehr viel direkter auf eine Berufswahlentscheidung gerichtet, für die es Beschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb oder Unternehmen tatsächlich gibt oder in nächster Zeit geben wird. Bei Interessenverbänden geht es mehr um die Bewerbung des Wirtschaftszweigs. Tendenziell verstärkt sich die Interessenwahrnehmung mit dem Mangel an verfügbaren Fachkräften am Arbeitsmarkt. Auch Nebentätigkeiten für einen Arbeitgeber oder eine Einrichtung können die Objektivität der Beratung beeinträchtigen.

 

Rz. 5

Die Interessen einer Einrichtung werden auch dann wahrgenommen, wenn sie nicht direkt auf die Berufswahlentscheidung abzielen, sondern unter wirtschaftlichen Aspekten auf die Teilnahme an Bildungsmaßnahmen, die von der Einrichtung angeboten und gegen Entgelt durchgeführt werden.

 

Rz. 6

Verbindungen zu einer Einrichtung unterhalten Berufsberatende schon dann, wenn nur lose Verknüpfungen bestehen, die sich aber auf die persönlichen Anschauungen auswirken können. Das kann auch bei religiös hinterlegten Verbindungen der Fall sein.

 

Rz. 7

Die Mitteilung der Identität des Arbeitgebers oder der Einrichtung nach Satz 1 darf sich nicht allein mit der Benennung begnügen, wenn daraus der Charakter und der mögliche Einfluss auf die Beratung allein nicht deutlich werden. Das trifft insbesondere auf Einrichtungen zu. Der Hinweis an den Ratsuchenden, dass sich die Interessenwahrnehmung auf die Beratungstätigkeit auswirken kann, muss gegenüber dem Ratsuchenden so dargelegt werden, dass sich dieser ein Bild z. B. darüber verschaffen kann, in welchem Berufsberatungszweig eine tendenziöse Beratung stattfindet oder ob und ggf. welche beruflichen Tätigkeiten ausgeblendet werden. Die Berufsberatung etwa einer religiösen Einrichtung wird berufliche Tätigkeiten ausklammern, die von der Einrichtung aus Glaubensgründen abgelehnt oder jedenfalls nicht unterstützt werden.

 

Rz. 8

Die Pflicht nach Satz 2 ist sehr viel allgemeiner gehalten und kann nur auf mögliche Risiken aufmerksam machen. Es genügt, wenn Berufsberatende i. S. d. Wortlauts darauf hinweisen, dass sie ihre Tätigkeit als Berufsberatende in einer gewissen Abhängigkeit ausübt, die seine Anschauungen prägen. Anders als bei Satz 1 genügt ein Risiko schlechthin, dass die Berufsberatung nicht vollständig objektiv und i. S. d. § 31 Abs. 1 verlaufen könnte. Der Ratsuchende soll Überlegungen anstellen, ggf. eine weitere Berufsberatung durch eine andere Einrichtung in Anspruch zu nehmen. Der Begriff der Offenbarung i. S. des Satz 2 bezieht sich auf Satz 1. Das bedeutet, dass die Offenbarungspflicht den Hinweis auf mögliche Auswirkungen auf die Beratungstätigkeit einschließt.

 

Rz. 9

Fraglich ist insbesondere, wie die Einhaltung des § 289 überprüft werden könnte und wie auf einen Verstoß zu reagieren ist. § 289 enthält selbst dazu keinen Auftrag, auch nicht an die Agentur für Arbeit. Es kann daher lediglich auf § 288a zurückgegriffen werden. Ein Verstoß gegen die Offenbarungspflicht kann einen Missbrauch i. S. d. § 288a darstellen; in schwerwiegenden Fällen hat di...

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