Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Versorgung mit (Pflege-)Hilfsmittel. Duschrollstuhl in vollstationärer Einrichtung der Behindertenhilfe. Vorhaltepflicht des Heimträgers. kein vorrangiger Anspruch gegenüber der Pflegekasse. keine Genehmigungsfiktion

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Pflicht der gesetzlichen Krankenversicherung zur Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln endet nach der Konzeption des SGB 5 und des SGB 11 dort, wo bei vollstationärer Pflege die Pflicht des Heimträgers auf Versorgung der Heimbewohner mit Hilfsmitteln einsetzt (vgl BSG vom 10.2.2000 - B 3 KR 17/99 R = SozR 3-2500 § 33 Nr 36). Dies gilt auch, wenn sich der Versicherte nicht in einem vollstationären Pflegeheim, sondern in einer vollstationären oder teilstationären Einrichtung iS von §§ 43a, 71 Abs 4 SGB 11 befindet.

2. Ist das Profil der Einrichtung - nach den vertraglichen Vorgaben - auf geh- bzw stehbehinderte Personen ausgerichtet, hat der Einrichtungsträger zur Sicherstellung der angemessenen Grundpflege für den beschriebenen Personenkreis einen Duschrollstuhl in der Regel vorzuhalten.

3. Bei einem handelsüblichen Duschrollstuhl handelt es sich nicht um ein individuell angepasstes und nur für eine Person verwendbares Hilfsmittel im Sinne der Rechtsprechung des BSG vom 10.2.2000 - B 3 KR 26/99 R = BSGE 85, 287 = SozR 3-2500 § 33 Nr 37.

 

Orientierungssatz

1. Ein (vorrangiger) Anspruch gegen die Pflegekasse auf Versorgung mit einem Duschrollstuhl als Pflegehilfsmittel scheidet von vornherein aus, weil die Pflegekassen nur für die Versorgung der Versicherten mit Pflegehilfsmitteln im häuslichen Bereich zuständig sind, nicht aber im stationären Bereich (vgl BSG vom 10.2.2000 - B 3 KR 26/99 R aaO RdNr 17).

2. Da es bei einem Duschrollstuhl um einen Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich, nicht aber um solche "zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" iSv § 33 Abs 1 S 1 Alt 1 SGB 5 geht, kann die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs 3a S 6 SGB 5 zu Gunsten des Versicherten nicht greifen (vgl ua BSG vom 15.3.2018 - B 3 KR 18/17 R = BSGE 125, 189 = SozR 4-2500 § 13 Nr 41).

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 24. Juni 2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Bereitstellung eines Duschrollstuhls.

Der 1977 geborene, bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Kläger, der durch seinen Vater als Betreuer vertreten wird, leidet an infantiler Cerebralparese, Epilepsie, Skoliose und einem operierten Klumpfuß. Er ist pflegebedürftig nach der Pflegestufe III.

Seit dem 7. Mai 2004 wohnt der Kläger in einem Wohnheim für behinderte Menschen der Beigeladenen zu 1, einer Einrichtung der Behindertenhilfe im Sinne von § 43a und § 71 Abs. 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI). Der Kläger schloss hierzu mit der Beigeladenen zu 1 am 28. September 2004 einen Heimvertrag ab. Nach Ziffer 2 e) erbringt die Beigeladene zu 1 entsprechend dem individuellen Hilfebedarf pflegerische Leistungen, wozu unter anderem das Baden/Duschen gehört.

Der zu 2 beigeladene überörtliche Sozialhilfeträger übernimmt die Kosten des Aufenthalts des Klägers im Wohnheim für behinderte Menschen der Beigeladenen zu 1 als Leistung der Eingliederungshilfe. Zur Ermittlung der Vergütung der Beigeladenen zu 1 ist der Kläger der Hilfebedarfsgruppe 4 zugeordnet. Das Rechtsverhältnis zwischen der Beigeladenen zu 1 und dem Beigeladenen zu 2 regelt die Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) vom 1. Oktober 2007 in Verbindung mit der Leistungsbeschreibung der Beigeladenen zu 1 vom Februar 2004, in der Fassung vom Oktober 2013, sowie der Rahmenvertrag gemäß § 79 Abs. 1 SGB XII für den Freistaat Sachsen vom 29. Juni 2006. In § 1 der Vereinbarung nach § 75 Ab. 3 SGB XII ist niedergelegt, dass es sich bei der Einrichtung der Beigeladenen um ein Wohnen für erwachsene Menschen mit geistiger/Mehrfachbehinderung (im Heim) handelt; für die Zielgruppe erwachsene geistig und/oder mehrfachbehinderte Menschen, die eine Werkstatt für behinderte Menschen nicht oder nicht mehr besuchen können und interne tagesstrukturierende Maßnahmen im Heim erhalten. In der Leistungsbeschreibung (Stand Oktober 2013) ist die Körpergrundpflege unter Ziffer 4 b) als Leistungsinhalt aufgeführt. In der fünften Spalte "Strukturqualität" ist unter anderem ein behindertengerechter Sanitärbereich, ein Pflegebad pro Etage sowie eine Barrierefreiheit der Einrichtung beschrieben.

Am 9. Dezember 2013 beantragte der Kläger unter Vorlage einer Verordnung der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. W... vom 25. November 2013 und eines Kostenvoranschlags des Gesundheitsfachgeschäfts Rehatechnik V... vom 5. Dezember 2013 über einen Betrag in Höhe von 1.024,71 EUR die Versorgung mit einem Duschrollstuhl (Heilmittelverordnungsnummer 18.46.03.0032) nebst B...

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