Entscheidungsstichwort (Thema)

Bemessung des Arbeitslosengeldes. Bemessungsentgelt. Leistungsentgelt. Krankengeld kein Arbeitsentgelt. Online-Selbstberechnung. keine Zusicherung. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Überprüfungsverfahren. Nichtberücksichtigung bestehender ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung bei Erlass des Verwaltungsaktes. fiktive Bemessung unter Berücksichtigung der Bezugsgröße West

 

Leitsatz (amtlich)

1. Krankengeld stellt kein Arbeitsentgelt im Sinne von § 151 SGB III dar und ist damit nicht bei der Berechnung des Leistungsentgeltes im Sinne von § 153 SGB III zu berücksichtigen.

2. Bei dem Ergebnis einer Online-Selbstberechnung eines Anspruches auf Arbeitslosengeld handelt es sich um einen Orientierungswert und nicht um eine Zusicherung im Sinne von § 34 SGB X.

3. Von dem Anwendungsbereich des als Ausnahmevorschrift eng auszulegenden § 330 Abs 1 Alt 2 SGB III sind von vornherein Fallgestaltungen nicht erfasst, in denen die Verwaltung eine bei Erlass des Verwaltungsakts bereits bestehende ständige höchstrichterliche Rechtsprechung nicht ausreichend berücksichtigt oder fehlerhaft interpretiert hat.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 9. November 2017 und der Bescheid der Beklagten vom 1. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juli 2016 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Bewilligungsbescheid vom 24. Juli 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides 12. August 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2015 abzuändern und der Klägerin Arbeitslosengeld auf der Grundlage der Bezugsgröße West zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt 1/2 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Zahlung höheren Arbeitslosengeldes.

Die Klägerin war seit dem 1. September 1985 als ausgebildete Sekretärin bei der Y.... Elektrotechnik X.... GmbH & Co. KG beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch ordentliche betriebsgedingte arbeitgeberseitige Kündigung vom 8. März 2013 im Ergebnis eines gerichtlichen Vergleichs vom 23. September 2013 vor dem Arbeitsgericht B.... (Az.: ….) mit Ablauf des 31. Dezember 2013. Die Klägerin bezog vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Dezember 2013 ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von insgesamt 33.889,09 EUR und erhielt eine Abfindung in Höhe von 64.774,83 EUR.

Die Klägerin war vom 19. Dezember 2013 bis zum 26. Juni 2015 fortlaufend arbeitsunfähig krank geschrieben und ist seit dem 1. September 2015 ausgesteuert. Sie erhielt vom 19. Dezember 2013 bis zum 31. August 2015 von der AOK Sachsen Krankengeld in Höhe von täglich 50,16 EUR.

Die Klägerin meldete sich am 10. Juni 2013 arbeitssuchend und am 11. September 2013 arbeitslos. Mit dem ihr ausgehändigten Antragsformular beantragte sie zunächst mit Wirkung zum 1. Januar 2014 und sodann korrigiert mit Wirkung zum 1. September 2015 mit Unterschrift vom 22. Juni 2015 Arbeitslosengeld. Sie gab im Antrag an, sich aufgrund gesundheitlicher Gründe und der notwendigen intensiven Betreuung ihres Kindes bei Beschäftigungen zeitlich auf 30 Wochenstunden einschränken zu müssen. Die Betreuung sei nicht sichergestellt, wenn sie diese nicht übernehmen könne. Bei einer ärztlichen Begutachtung sei sie bereit, sich im Rahmen des festgestellten Leistungsvermögens für die Vermittlung zur Verfügung zu stellen.

Mit Bescheid vom 24. Juli 2015 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem 1. September 2015 für 360 Kalendertag vom 1. September 2015 bis zum 31. August 2016 Leistungen in Höhe von täglich 24,79 EUR auf der Grundlage eines täglichen Bemessungsentgeltes in Höhe von 49,54 EUR (Steuerklasse II, Prozentsatz 67). Zur Bemessungsgrundlage erhalte sie ein ergänzendes Schreiben.

Mit Schreiben vom 24. Juli 2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie in den letzten zwei Jahren weniger als 150 Tage Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt habe, so dass bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde gelegt werde, welches sich nach der Beschäftigung richte, auf die sich die Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit in erster Linie erstrecken würde. Sie sei für eine Tätigkeit als Sekretärin geeignet. Hierfür sei eine Ausbildung erforderlich (Qualifikationsgruppe 3).

Mit Schreiben vom 27. Juli 2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie sich 30 Stunden pro Woche dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt habe, da sie nicht mehr als diese Arbeitszeit leisten könne. Das Bemessungsentgelt vermindere sich daher entsprechend dem Verhältnis der hier aktuell möglichen wöchentlichen Arbeitsstunden zu der Arbeitszeit, die bei Entstehung des Anspruchs für Angestellte im öffentlichen Dienst des Bundes (39 Stunden) gelte.

Die Klägerin sprach am 10. August 2015 persönlich bei der Beklagten vor und gab an, dass sie im Antrag auf Arbeitslosengeld feh...

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