Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Bemessung des Arbeitslosengeldes nach einem fiktiven Arbeitsentgelt. Höhe des anzusetzenden fiktiven Arbeitsentgelts

 

Orientierungssatz

1. Kann im maßgeblichen Bemessungsrahmen ein Bemessungszeitraum von 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nicht festgestellt werden, so ist der Bewilligung des Arbeitslosengeldes nach § 152 Abs. 1 SGB 3 ein fiktives Arbeitsentgelt als Bemessungsentgelt zugrunde zu legen.

2. Zeiten des Bezugs von Krankengeld und Mutterschaftsgeld sind nicht zu berücksichtigen, weil es sich dabei nicht um Arbeitsentgelt i. S. von § 151 SGB 3 handelt. Die gesetzliche Regelung ist verfassungsgemäß.

3. Die Höhe des nach § 152 Abs. 2 SGB 3 anzusetzenden fiktiven Arbeitsentgelts bestimmt sich einmal nach der Beschäftigung, auf welche die Arbeitsagentur die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hat und zum anderen, welche Qualifikation für diese Tätigkeit erforderlich ist. Danach ist die Einordnung in die in § 152 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 bis 4 SGB 3 genannten Qualifikationsgruppen vorzunehmen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 12.03.2020; Aktenzeichen B 11 AL 61/19 B)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Fulda vom 25. Juli 2018 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe des der Klägerin zustehenden Arbeitslosengeldes nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III).

Die 1979 geborene Klägerin meldete sich am 4. Oktober 2016 bei der Beklagten persönlich arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld mit Wirkung zum 5. Oktober 2016. Sie hatte bereits im Jahr 1998 die Gesellenprüfung zur Friseurin bestanden. Von 2001 bis 2008 war sie als Verkäuferin bei der C. GmbH, von 2008 bis 2010 in einer Spielhalle/Casino für die D. Entertainment GmbH tätig, bevor sie dann vom 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2012 bei der E. GmbH und im Anschluss daran vom 1. Januar 2013 bis 30. Juni 2015 als Lager- bzw. Montagearbeiterin bei der F. GmbH & Co. KG in A-Stadt mit einem Bruttoentgelt von zuletzt 2.457,00 € beschäftigt war. In dem Zeitraum vom 3. November 2014 bis 7. November 2014 bezog sie Krankengeld und vom 9. November 2014 bis 23. Februar 2015 Mutterschaftsgeld. In dem Zeitraum vom 7. April 2015 bis 19. April 2015 sowie erneut vom 1. Juli 2015 bis zur Aussteuerung am 4. Oktober 2016 bezog die Klägerin wiederum Krankengeld.

Mit Schreiben vom 4. November 2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde gelegt worden sei, da die Klägerin in den letzten zwei Jahren weniger als 150 Tage Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt habe. Das fiktive Arbeitsentgelt richte sich nach der Beschäftigung, auf die sich die Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit in erster Linie zu erstrecken hätten sowie nach der dazugehörigen Qualifikationsstufe. Die Klägerin sei für eine Tätigkeit als Helfer/in Büro, Verwaltung geeignet. Hierfür sei keine Ausbildung erforderlich (Qualifikationsgruppe 4, § 152 Abs. 2 Nr. 4 SGB III).

Mit Bescheid vom 7. November 2016 (Bl. 36 der Verwaltungsakte der Beklagten, künftig: VA) bewilligte die Beklagte der Klägerin sodann Arbeitslosengeld ab dem 5. Oktober 2016 mit einer Anspruchsdauer von 360 Kalendertagen und einem täglichen Leistungsbetrag in Höhe von 22,51 € unter Zugrundelegung eines täglichen Bemessungsentgelts in Höhe von 58,10 €.

Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten am 7. Dezember 2016 Widerspruch und ließ zur Begründung vortragen, dass sie innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens insgesamt 158 Tage Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt habe (vgl. Bl. 41 + 65 VA).

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2017 (Bl. 77 VA) wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 7. November 2016 als unbegründet zurück. Die Beklagte erläuterte hierin im Detail die Berechnung der Höhe des der Klägerin zustehenden Arbeitslosengeldes unter Berücksichtigung eines fiktiven Arbeitsentgelts als Bemessungsentgelt, da auch im erweiterten Bemessungsrahmen vom 5. Oktober 2014 bis 4. Oktober 2016 keine 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt festzustellen seien. Die Zeit vom 4. Oktober 2014 bis 31. Oktober 2014 könne nicht berücksichtigt werden, da der Bemessungszeitraum nicht vollständig im Bemessungsrahmen liege. Das Entgelt vom 1. November bis 2. November 2014 sowie das Entgelt vom 24. Februar bis 6. April 2014 (richtig: 2015) sei berücksichtigt worden. Sonstige Versicherungszeiten, wie z. B. Mutterschaftsgeld und Krankengeld blieben außer Betracht. Der Bemessung sei ein fiktives Arbeitsentgelt nach der Qualifikationsgruppe 4 zugrunde zu legen, weil sich die Vermittlungsbemühungen für die Klägerin in erster Linie auf Beschäftigungen dieser Quali...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge