2.1 An Gesundheitsförderung orientiertes Bewegungs- und Bildungsangebot

Seit Ende der 1990er-Jahre kam die "klassische" Rückenschule mit ihrer biomedizinischen Ausrichtung aufgrund fehlender Wirkungsnachweise immer mehr in die Kritik. Nach Analyse der aktuellen wissenschaftlichen Studien sind die wesentlichen Ursachen für Rückenschmerzen auf psycho-soziale Faktoren zurückzuführen, z. B.:

  • Stress,
  • Depression,
  • Arbeitsunzufriedenheit.

Ursachen sind auch besondere körperliche Belastungen, z. B.:

  • schweres Heben und Tragen,
  • ungünstige Arbeitshaltungen,
  • monotones Sitzen oder Stehen.

Daraus entwickelte sich ab 2006 die "Neue Rückenschule" mit einem salutogenetischen Ansatz, basierend auf der bio-psycho-sozialen Betrachtung des Menschen. Bewegungsorientierte und erfahrungsorientierte Lernprozesse wollen die Teilnehmer motivieren, ein rückenfreundlicheres Verhalten aufzubauen und beizubehalten.

Eine so ganzheitlich ausgerichtete Rückenschule besteht aus Trainingsmaßnahmen zur Verbesserung von Haltung, Verhalten und von kognitiven Einstellungen. Das Haltungstraining richtet sich v. a. an die kleine, tiefliegende, autochtone Wirbelsäulenmuskulatur. Diese befindet sich zwischen den einzelnen Wirbelkörpern. Sie stabilisiert den Rumpf und dient als Ausgangsbasis für Bewegungen.

Beim Verhaltenstraining lernen die Teilnehmer Methoden kennen, wie sie rückenfreundliche Verhaltensweisen initiieren und gegen innere und äußere Widerstände aufrechterhalten können. Sie verbessern dazu ihre Körperwahrnehmung und sie werden angeleitet zum Aufbau von aktiven Schmerzbewältigungsstrategien.

Das Einstellungstraining zielt ab auf eine achtsame Hinwendung zu den gesunden Anteilen und Funktionen des Körpers. Es richtet die Aufmerksamkeit auf die subjektiv bedeutsamen Aspekte der verschiedensten Lebenssituationen. Gemeint ist damit ein wertschätzender Umgang mit sich selbst, der sich auf das Wahrnehmen und Ernstnehmen der eigenen Bedürfnisse gründet.

Der Wirkort der Rückenschule ist nicht nur der Rücken, sondern auch das Gehirn bzw. der ganze Mensch. "Der Rücken beginnt im Kopf" – dies ist eine Losung der "Neuen Rückenschule".

Im Gegensatz zu früher soll bei Beschwerden der Rücken nicht geschont werden, sondern fortlaufend sanft und achtsam weiterbewegt werden!

2.2 Am Arbeitsplatz orientiertes betriebliches Rückenschulprogramm

Wenn die "Neue Rückenschule" den wissenschaftlichen Ansprüchen zur Prävention und Rehabilitation gerecht werden will, dann müssen die erwachsenen Menschen in ihrer Lebenswelt, am Arbeitsplatz, erreicht werden. Der Settingansatz der Weltgesundheitsorganisation (Ottawa Charta 1986) bedeutet, die Gesundheit "an jenen Orten zu fördern, an denen sie die alltägliche Umwelt erleben und erschaffen". Das Muskel-Skelett-System unterliegt bei körperlicher Arbeit – je nach Tätigkeit – unterschiedlichen Belastungen. I. d. R. führen Belastungen zu funktionellen Anpassungen an diese Belastungen. Sind die Belastungen jedoch unfunktionell bzw. unergonomisch, einseitig, zu hoch oder zu niedrig, so können sie zu akuten und chronischen Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems führen.

Fast die Hälfte aller Erwerbstätigen (42,5 %) klagt lt. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) über Rückenschmerzen, oft in Kombination mit Schulter- und Nackenbeschwerden (46,2 %). Sie verursachen rund 21,7 % aller betrieblichen Ausfalltage. Ein multimodaler Ansatz zur "Förderung der Rückengesundheit am Arbeitsplatz" sollte Verhalten und Verhältnisse miteinander vernetzen:

 
Verhältnisprävention Verhaltensprävention
Ergonomische Maßnahmen Unterweisungen
Arbeitsorganisatorische Maßnahmen Aufklärungs-, Beratungsangebote
Erhöhung des Handlungsspielraums Rückenschule, Wirbelsäulengymnastik
Abbau autoritären Führungsstils betriebliche Sportangebote
Verbesserung der Kommunikation im Unternehmen Pausengymnastik
Personalentwicklung Stressbewältigungs- und Entspannungskurse
Mitarbeiterbeteiligung Auszubildendenschulungen

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