Sachverhalt

Eine Arbeitnehmerin arbeitete als Verkaufshilfe in einem Betrieb der Systemgastronomie 3 Tage in der Woche. Vertraglich stand ihr auf Grundlage einer 6-Tage-Woche ein Urlaubsanspruch von jährlich 28 Werktagen zu, also bei einer 3-Tage-Woche 14 Urlaubstage. In den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 arbeitete sie wegen der Corona-Pandemie nicht. Sie befand sich in dieser Zeit durchgehend in Kurzarbeit 0. Die Arbeitnehmerin meinte, das habe keinen Einfluss auf ihre Urlaubsansprüche, da die Kurzarbeit im Interesse der Arbeitgeberin erfolgt sei. Die Arbeitgeberin meinte, sie dürfe den Urlaubsanspruch entsprechend kürzen, weil während Kurzarbeit 0 keine Arbeitspflicht bestehe.

Ergebnis

Das LAG Düsseldorf[1] hatte die Berufung gegen die bereits erstinstanzlich erfolglose Klage zurückgewiesen und ausgeführt, für jeden vollen Monat der Kurzarbeit 0 sei der Urlaub um 1/12 zu kürzen. Das stehe in Einklang mit dem europäischen Recht, nach dem während der Kurzarbeit 0 der europäische Mindesturlaubsanspruch aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG nicht entgegenstehe. Das deutsche Recht enthalte dazu keine günstigere Regelung.

Das BAG[2] ist dieser Auffassung gefolgt und hat ausgeführt, das Bestehen des Arbeitsverhältnisses genüge zwar "dem Grunde nach" für das Entstehen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs gem. §§ 1, 3 Abs. 3 BUrlG. Der Umfang des Anspruchs sei aber gem. § 3 Abs. 1 BUrlG zu berechnen, wobei die Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht und damit letztlich die regelmäßige Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage maßgeblich sei. Der in § 3 Abs. 1 BUrlG festgelegte Urlaubsanspruch von 24 Tagen bei einer 6-Tage-Woche unterliege bei geringerem bzw. infolge der Änderung verringertem Umfang der Arbeitspflicht der Umrechnung. Abzustellen sei auf die tatsächliche Gesamtzahl der Tage mit Arbeitspflicht im Jahr, die mit den möglichen Gesamtarbeitstagen ins Verhältnis zu setzen seien. Freie Arbeitstage, d. h. Arbeitsausfälle führten damit rechnerisch zu einer Minderung der Urlaubstage.

Eine Umrechnung habe aber nicht im Hinblick auf alle denkbaren Fälle ausgefallener Arbeitstage zu erfolgen. Soweit keine gesetzlichen Regelungen bestünden (z. B. § 24 Satz 1 MuSchG, § 17 BEEG), seien Arbeitsausfälle, die auf punktuellen Umständen beruhten, von einzel- oder kollektivvertraglich vereinbarten Änderungen des regelmäßigen Arbeitsrhythmus zu unterscheiden. Punktuelle Arbeitsausfälle seien gerade nicht als mindernde Tage ohne Arbeitspflicht in die Berechnungsformel einzusetzen, sondern Tagen mit Arbeitspflicht gleichzustellen. Genannt werden vom BAG[3] gesetzliche Feiertage, deren rechtliche Behandlung in §§ 9 bis 13 ArbZG und in § 3 EFZG geregelt ist, Freistellungen für Bildungsveranstaltungen, vorübergehende Verhinderung nach § 616 BGB, krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nach § 1 EFZG oder Suspendierungen nach §§ 2, 3 PflegeZG. Diese punktuellen Arbeitsausfälle hätten keinen prägenden Einfluss auf die für das Arbeitsverhältnis maßgebliche – regelmäßige – Verteilung der Arbeitszeit. Der arbeitsvertragliche Arbeitsrhythmus werde dadurch nicht berührt.

Wegen Kurzarbeit ausgefallene – ganze – Arbeitstage seien – anders als Feier- oder Krankheitstage – nicht solchen mit Arbeitspflicht gleichzustellen, sodass sich durch sie die Anzahl der Urlaubstage verringere. Schließlich ergebe sich aus der Einführung von Kurzarbeit eine neue, die vertragliche Arbeitspflicht des Arbeitnehmers bestimmende Verteilung der Arbeitszeit, die eine Neuberechnung der Urlaubstage nach sich ziehe, wofür die Gesetzessystematik spreche.

Das Ergebnis sei mit dem Unionsrecht vereinbar und gelte – vorbehaltlich abweichender Abreden – auch für den Mehrurlaub. Schließlich könne der Arbeitnehmer sich in solchen Fällen ausruhen oder Freizeitaktivitäten nachgehen.[4]

 
Hinweis

Vor der in Kapitel 18 dargestellten Entscheidungen zum Sonderurlaub vom 19.3.2019 hatte das BAG das "bloße Bestehen eines Arbeitsverhältnisses" nach § 4 BUrlG für das Entstehen des Urlaubsanspruchs genügen lassen. Das wird nun deutlich relativiert, weil es inzwischen nur "dem Grunde nach" gilt.

Jetzt wird auch abgestellt auf den Umfang des Urlaubs, der nach § 3 Abs. 1 BUrlG von der "Zahl der Tage mit Arbeitspflicht" abhängt. Damit wird differenziert zwischen dem Anspruch "dem Grunde nach" und "der Höhe nach".[5] Wie der EuGH[6] führt das BAG jetzt aus, der Zweck des Urlaubsanspruchs beruhe auf der "Prämisse, dass der Arbeitnehmer im Laufe des Bezugszeitraums tatsächlich gearbeitet hat".

Damit hat sich das "Regel-Ausnahme-Verhältnis" geändert. Früher reichte der Bestand des Arbeitsverhältnisses für den vollen Urlaubsanspruch aus, jetzt ist es die Regel, dass eine tatsächliche Arbeitsleistung gefordert wird. Ändert sich der Arbeitsrhythmus aufgrund einer kollektivvertraglichen (Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung) oder einzelvertraglichen Regelung, hat dies grds. eine Umrechnung nach der in Fall 17 vom BAG entwickelten Formel zur Folge.[7]

Dies gilt nur dann nicht, wenn ein Ausnahmetatb...

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