Aus wirtschaftlicher Perspektive kann ein Unternehmen – sehr vereinfacht gesprochen – nur dann überleben, wenn es mindestens so viel Geld erwirtschaftet, wie es ausgibt. In vielen Unternehmen ist das Thema der Umsatzgenerierung, besser: Gewinnerwirtschaftung oder zumindest die Erledigung von aktuellen bis „brennenden“ Aufgaben entsprechend prioritär zu allen anderen Aktivitäten – teilweise auch den Aufgaben der strategischen oder zumindest nicht zu umgehenden Investition in die Zukunft. Dies treffen vielerorts insbesondere die Weiterbildung und Personalentwicklung. Entsteht ein kurzfristiger Handlungsdruck (z. B. Abarbeitung von Auftragsspitzen, Lösen eines akuten Problems oder vergleichbare Anforderungen) werden viele Bildungsmaßnahmen kurzfristig storniert – und diese Entscheidung „von höchster Stelle“ meist entsprechend legitimiert. Die Konsequenzen für die Führungskraft: Sieht man von einem vielleicht punktuell unzufriedenen Mitarbeiter, einer resignierenden Personalentwicklungsabteilung und der Verbuchung von Stornokosten ab: In der Regel keine.

Je öfter Szenarien wie diese in der Vergangenheit stattgefunden haben (oder in der Gegenwart stattfinden) desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine unausgesprochene Regel einprägt, die lautet: „Weiterbildung und Personalentwicklung kann man dann machen, wenn keine Business-relevante Erfordernis dem entgegensteht:“ oder: „Weiterbildung und Personalentwicklung ist nicht so wichtig wie andere Aspekte“. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Punktuell kann diese Entscheidung richtig sein, was bemängelt wird, ist die daraus erwachsende Habitualisierung, die sich als Kulturmerkmal niederschlägt.

Ist das Kulturkennzeichnen zur Bedeutung von Weiterbildung und Personalentwicklung erst einmal in einer Unternehmenskultur etabliert, werden Führungsverantwortliche, die mit einer hohen Arbeitsverdichtung konfrontiert sind, zunehmend mehr Entscheidungen zugunsten des operativen Geschäfts treffen und im schlechtesten Fall damit den Ast absägen auf dem sie sitzen, nicht nur mit Blick auf die Motivation der Mitarbeitenden, sondern auch mit Blick auf Vorbereitung aktueller und kommender Herausforderungen. Es ist eine Spielart der Analogie des Mannes, der keine Zeit hat seine Axt zu schärfen, weil er so viele Bäume fällen muss.

Erschwerend kommt hinzu, dass nicht nur diese punktuellen Entscheidungen – aus nachvollziehbaren – und fallweise berechtigten – Gründen in den meisten Unternehmen so getroffen werden, sondern dass auch außerhalb der „akuten Situation“ genau dieses Verhaltensmuster bestärkt wird. Ohne in die Tiefe einzusteigen: Überlegen Sie mit welcher Tonalität eine Führungskraft ihr Jahresgespräch mit der eigenen Führungskraft beispielsweise mit der Geschäftsführung erleben wird, wenn sie

  • Variante A: Top Geschäftsergebnisse bringt aber ein mäßig motiviertes Team bzw. Mitarbeiter und einen Mangel an Vorbereitung auf kommende Herausforderungen hat – im Vergleich zu einer Führungskraft, die
  • Variante B: Ein gut vorbereitetes und motiviertes Team hat, aber mit Blick auf die zu erzielenden Ergebnisse unterhalb der Erwartungen geblieben ist.

Die Lektion wird in der Regel sein: Performance hat die höchste Priorität. Und: So wie das Bonmot „Culture eats Strategy for Breakfast“ bereits andeutet, so werden selbst die besten Entwicklungsabsichten von Führungsverantwortliche schnell relativiert.

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