Leitsatz (amtlich)

1. Wird auf einer Straßenbaustelle der Lkw eines Betriebes durch einen Bagger eines anderen Betriebes beladen und wird dabei ein Mitarbeiter dieses anderen Betriebes, der dazu abgestellt war, begleitend zu dem Ladevorgang die von dem Bagger oder dem Lkw auf die Straße herabfallenden "Erdklumpen" zu beseitigen und die Tiefe der erfolgten Ausschachtung nachzumessen und den Baggerführer entsprechend zu informieren, durch den Lkw überrollt, liegt eine betriebliche Tätigkeit des Geschädigten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte mit dem Lkw-Fahrer vor, zu dessen Gunsten das Haftungsprivileg der §§ 105 Abs. 1 Satz 1, 106 Abs. 3 SGB VII greift.

2. Es kommt nicht darauf an, ob der Geschädigte genau in dem Zeitpunkt, als er von dem Lkw erfasst wurde, (noch) mit der Durchführung der in seinen Aufgabenkreis fallenden Vermessungs- und/oder Reinigungsarbeiten beschäftigt war.

3. Eine Gefahrengemeinschaft zwischen dem Lkw-Fahrer, dem Baggerführer und dem Geschädigten liegt vor, weil diese sich aufgrund der engen räumlichen Verknüpfung der wechselseitigen Tätigkeiten gegenseitig schädigen konnten; selbst wenn eine unmittelbare Schädigung des Lkw-Fahrers durch den Geschädigten wenig wahrscheinlich war, hätte dieser den Baggerführer, mit dem er ein "Team" bildete, bei dessen Tätigkeit ablenken oder in sonstiger Weise behindern können, wodurch dann mittels des Baggers eine ernsthafte Gefährdung des Lkw-Fahrers hätte eintreten können.

4. Dass der Lkw-Fahrer seinen Lkw auf der Baustelle ohne Einweiser rückwärts bewegt hat, vermag objektiv den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit zu begründen, ohne dass deshalb in subjektiver Hinsicht zwingend eine Verhaltensweise anzunehmen ist, die den Grad eines unter keinen Umständen noch hinnehmbaren, völlig unentschuldbaren Handelns erreichen würde.

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Aktenzeichen 5 O 254/16)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 14.03.2019, Az. 5 O 254/16, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

3. Das in Ziffer 1. genannte Urteil des Landgerichts Koblenz und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt vorbehalten, Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckbaren Betrages leisten.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 900.000 EUR festgesetzt

 

Gründe

A. Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin als Unfallversicherungsträgerin die Beklagten aus auf sie gemäß § 116 SGB X übergegangenem Recht gesamtschuldnerisch auf Ersatz an ihren Versicherungsnehmer, den Zeugen L., erbrachter Leistungen für unfallbedingt erforderlich gewordene Heilbehandlungs-, Fahrt- und Transportkosten sowie die Zahlung von Verletztengeld und die Erstattung sonstiger sozialversicherungsrechtlicher Aufwendungen in Anspruch und begehrt darüber hinaus im Wege der Klage nach § 256 ZPO die Feststellung, dass die Beklagten für künftige, von ihr zu erbringende, aus dem Unfallereignis vom xx.xx.2010 resultierende Leistungen unter Berücksichtigung eines 30%-igen Mitverschuldens des Versicherten L. Ersatz zu leisten haben.

Hinsichtlich der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts Koblenz vom 14.03.2019 Bezug genommen.

Durch diese Entscheidung hat das Landgericht die Klage nach Durchführung einer umfangreichen Beweisaufnahme abgewiesen. Das Landgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass zugunsten des Beklagten zu 1. eine Haftungsprivilegierung nach §§ 105 Abs. 1 S. 1, 106 Abs. 3 SGB VII greife; eine Haftung der Beklagten zu 2. sei insoweit nach den Grundsätzen des "gestörten Gesamtschuldverhältnisses" ausgeschlossen. Es fehle hier somit insgesamt an einer Haftungsverantwortlichkeit der Beklagten zu 1. und 2., für die die Beklagte zu 3. versicherungsrechtlich einzustehen habe.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie unter Wiederholung, Vertiefung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihr Klagebegehren weiterverfolgt.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 14.03.2019 abzuändern und

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 564.601,48 EUR zu zahlen, den die Beklagten als Gesamtschuldner nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen haben:

aus 251.572,79 EUR ab dem 08.11.2011,

aus weiteren 36.000,00 EUR ab dem 14.11.2012,

aus weiteren 100.433,79 EUR ab dem 29.06.2013

aus weiteren 58.993,35 EUR ab dem 06.06.2014,

aus weiteren 24.310,19 EUR ab dem 14.12.2014,

aus weiteren 46.091,24 EUR ab dem 21.04.2015

und im Übrigen ab Rechtshängigkeit;

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr d...

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