Leitsatz (amtlich)

1. Der Anspruch des Gefangenen, Eigengeld in angemessener Höhe für den Einkauf (§ 25 HmbStVollzG) zu verwenden, wenn er ohne Verschulden nicht über Haus- oder Taschengeld in angemessenem Umfang verfügt (§ 48 Abs. 3 HmbStVollzG), kann nicht von der vollständigen Überweisung einer Altersrente auf das Eigengeldkonto abhängig gemacht werden.

2. Die Auslegung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ist - wenn streitig - im Rahmen eines Verfahrens nach § 766 ZPO vor den Zivilgerichten zu klären. Es ist Sache des Gefangenen als Schuldner, dieses Verfahren zu betreiben. Aufgabe der JVA und der Strafvollstreckungskammer ist es hingegen, den nicht rechtskundigen Gefangenen auf diese Rechtslage hinzuweisen. Das ergibt sich aus der Fürsorgepflicht der Anstalt und des Gerichts.

3. Die Rechtsprechung des BGH zur Unanwendbarkeit der Pfändungsfreigrenze des § 850c ZPO auf das Arbeitsentgelt des Gefangenen für eine ihm zugewiesene Beschäftigung (BGHZ 160, 112) bedeutet nicht, dass das Eigengeldguthaben eines Gefangenen uneingeschränkt pfändbar ist. Es ist vielmehr in der zivilrechtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass dem bedürftigen Gefangenen ein Teil seines Eigengeldes zur Befriedigung seiner persönlichen Bedürfnisse pfändungsfrei verbleibt.

4. Allerdings ist die Bestimmung der Pfändungsgrenze im Einzelfall grundsätzlich den Zivilgerichten zugewiesen, die im Rahmen des Verfahrens nach § 766 ZPO über Einwendungen gegen den Umfang der Pfändung zu entscheiden haben. Das gilt aber dann nicht, wenn die Unpfändbarkeit der in Rede stehenden Forderung klar auf der Hand liegt. Dem Schuldner - auch dem inhaftierten - ein Geldbetrag zur Befriedigung seiner grundlegenden privaten Bedürfnisse pfändungsfrei zu belassen, ergibt sich aus den zivilrechtlichen Pfändungsvorschriften - hier: § 811 Abs. 1 Nr. 8 ZPO - und ist letztlich Ausdruck des sozialen Rechtsstaats.

5. Die Zahlung jedenfalls eines Betrages von monatlich 43 Euro an einen Gefangenen, der über keinerlei Haus- und Taschengeld verfügt, ist nach § 811 Abs. 1 Nr. 8 ZPO pfändungsfrei.

 

Normenkette

HmbStVollzG § 48 Abs. 3; ZPO § 811 Abs. 1 Nr. 8

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Entscheidung vom 03.09.2010; Aktenzeichen 613 Vollz 89/10)

 

Tenor

1. Der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 03.09.2010 wird aufgehoben.

2. Der Widerspruchsbescheid der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel vom 25.03.2010 wird aufgehoben, soweit er den Antrag auf Umbuchung von monatlich 43,00 Euro ab März 2010 vom Eigengeld- auf das Hausgeldkonto des Beschwerdeführers betrifft.

3. Die Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel wird verpflichtet, dem Beschwerdeführer für die Monate ab März 2010 jeweils einen Eigengeldbetrag von 43,00 Euro nach Eingang bei der Zahlstelle auf das Hausgeldkonto des Beschwerdeführers umzubuchen.

4. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Rechtsbeschwerde sowie die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers fallen der Staatskasse zur Last. Der Gegenstandswert beträgt 516 Euro.

 

Gründe

I. Der Beschwerdeführer verbüßt in der JVA Fuhlsbüttel der Beschwerdegegnerin (im Folgenden: JVA) eine langjährige Freiheitsstrafe wegen Menschenraubes. Er ist seit August 2006 Rentner und bezieht eine Altersrente in Höhe von 240,69 Euro monatlich. Die Rente wird monatlich auf das Bankkonto einer dritten Person überwiesen, die dem Beschwerdeführer einen Betrag von monatlich 43 Euro auf sein Eigengeldkonto überweist. Der Beschwerdeführer ist aus Altersgründen in der Anstalt ohne Arbeit und Einkommen. Deshalb buchte die JVA in der Zeit von April 2008 bis Februar 2010 monatlich 43 Euro auf das Hausgeldkonto zur freien Verfügung des Beschwerdeführers um. An dieser Umbuchung sah sich die JVA weder durch einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 25. Oktober 2002 eines Gläubigers in Höhe von 15.279,05 Euro gehindert noch durch den Umstand, dass zur vollständigen Ansparung des Überbrückungsgeld noch ein Betrag von 48 Euro fehlte.

In zahlreichen Widerspruchsverfahren aus dem Jahre 2009 stritten sich die JVA und der Beschwerdeführer darüber, ob monatlich 103 Euro - also entsprechend § 45 Abs. 1 HmbStVollzG 3/7 der Rente von 240 Euro - auf das Hausgeldkonto umzubuchen sind. Ab März 2010 änderte die JVA nach vorheriger Ankündigung ihre Umbuchungspraxis dahingehend, dass sie die Umbuchung von 43 Euro verweigerte, sich hingegen bereit erklärte, einen Betrag von 103 Euro auf das Hausgeldkonto umzubuchen, wenn der Beschwerdeführer seine Rente insgesamt auf das Eigengeldkonto einzahle, mit der Folge, dass der verbleibende Teil der Rente aufgrund der ausgebrachten Pfändung dem Gläubiger zugutekomme. Hierzu war der Beschwerdeführer nicht bereit.

Die JVA lehnte den Antrag des Gefangenen, für den Monat März 2010 und alle Folgemonate weiterhin 43 Euro vom Eigengeld- auf sein Hausgeldkonto umzubuchen, ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die JVA mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2010 zurück und führte zur Begründung aus: Sie habe die bis dahin praktizierte Umbuchung wegen d...

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