Laut Eichhorn und Ott fand im Anwendungsgebiet von Prävention und Betrieblicher Gesundheitsförderung (BGF) bis dato kaum eine konzeptionelle Auseinandersetzung mit dem Nudge-Ansatz statt. "Bei der Konzipierung von klassischen Angeboten, Maßnahmen oder Kampagnen im Rahmen der Prävention und BGF werden die menschlichen Denkfehler meist nur unzureichend bedacht. Genau hier setzt das Nudging als Instrument an: am realen Entscheidungsverhalten".[1]

[1] Eichhorn/Ott (2019): Nudging im Unternehmen. Den Weg für gesunde Entscheidungen bereiten (IGA-Report Nr. 38), Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Dresden, Zugriff am 9.7.2019, verfügbar unter https://www.iga-info.de/fileadmin/redakteur/Veroeffentlichungen/iga_Reporte/Dokumente/iga-Report_38_Nudging_im_Unternehmen.pdf, S. 13.

4.1 Beispiele von BGM-Nudges

Im Unternehmen sieht Nudging beispielsweise so aus, dass die Entscheidungsalternative "Aufzug vs. Treppe" in einer Firma derart gestaltet wird, dass die Hinweisschilder auf den Aufzug deutlich verkleinert und die Schilder für die Treppe entsprechend prominenter dargestellt werden. Somit haben die Mitarbeiter immer noch beide Alternativen, sie werden aber deutlicher mit der bewegungsfördernden Variante "Treppe" konfrontiert. Ein alternatives Beispiel wäre, dass der Süßwarenautomat in einer Kantine in einer versteckten Ecke aufgestellt wird. Auch der Einbezug spielerischer Elemente (Gamification) in Gesundheitsmaßnahmen, wie die Gestaltung von Wettbewerben, die die Umsetzung gesunden Verhaltens mit Spaß ausfüllen, sind eine Gestaltungsmöglichkeit für Nudges (Tab. 3).

 
Handlungsfeld Nudging Beispiele
Bewegung
  • Angabe von potenziell verbrauchten Kalorien auf Treppenstufen (s. Abb. 3)
  • Hinweisschilder/Erinnerungsfunktionen zur Nutzung des höhenverstellbaren Schreibtisches
  • Push-Benachrichtigung mit virtuellen Medaillen, wenn ein sportliches Ziel/vorgegebene Anzahl an Schritten erreicht wurde
Ernährung
  • Ampelkennzeichnung von Lebensmitteln in der Kantine
  • Positionierung von Lebensmitteln (gesündere Lebensmittel/Speisen vor ungesündere platzieren)
  • Digitale Erinnerungsfunktion mit Hinweis, dass ausreichend Wasser getrunken werden soll
  • Bereitstellung von kostenlosem Wasser
Entspannung
  • Hinweisschilder/Erinnerungsfunktionen zur Nutzung der Kaffee-/Mittagspause
  • Push-Benachrichtigung zur Einhaltung von Ruhephasen

Tab. 3: Exemplarische Nudges im Rahmen des BGM

4.2 Anwendung im BGM

Wie eingangs beschrieben, handeln viele Menschen in verschiedenen Lebensbereichen selbstschädigend, ob in Form von ungesunder Ernährung, Bewegungsmangel oder Alkohol- und Tabakkonsum. Eine ungesunde Lebensweise kann sich negativ auf die Gesundheit und dadurch auf das Arbeitsleben auswirken, weshalb u. a. Unternehmen mit (steigenden) Krankenständen zu kämpfen haben. Daneben stehen auch viele Unternehmen vor der Herausforderung, dass sie zwar ihren Mitarbeitern Maßnahmen zur Gesundheitsförderung anbieten, diese jedoch lediglich von denjenigen beansprucht werden, die sich ohnehin bereits gesundheitsförderlich verhalten; die eigentlich anvisierten Zielgruppen werden aber oftmals nicht erreicht und Teilnahmequoten fallen gering aus.

Zieht man nun das Stufenmodell der Verhaltensänderung (s. Abschn. 1 und Abb. 2) heran, kann der Nudging-Ansatz hier Anwendung finden. Gerade weil die erste Phase (Absichtslosigkeit) so stabil oder hartnäckig ist, macht es hier Sinn, Nudges zu integrieren, also mit Tricks zu arbeiten. Nutzen beispielsweise in einem Unternehmen vermehrt Übergewichtige den Aufzug, können Sie durch ansprechende Schilder/Schrittzähl-Apps dazu motiviert werden, öfter die Treppe zu nehmen. Zudem können in der Kantine gesunde Speisen prominenter platziert werden.

Zudem können Nudges auch in der letzten Stufe Anwendung finden, um die Aufrechterhaltung eines gesundheitsförderlichen Lebensstils zu unterstützen. Jedoch empfiehlt es sich, hier mit anderen Nudges zu arbeiten. Dabei sollten neuere, frischere Methoden genutzt werden, da ggf. die Nudges der ersten Stufe bereits zu alt/überholt sind oder an diese erste, hartnäckige Phase erinnern.

Dies setzt jedoch voraus, dass dem Unternehmen/den BGM-Beauftragten die jeweiligen Stufen und Personen-/Risikogruppen, die den jeweiligen Stufen zugeordnet sind, bekannt sind.

Abb. 2: Beispielhafte Anwendung im BGM

Gestaltungsmodelle können im Rahmen von Nudging als Leitlinie für die Entwicklung von passgenauen Nudges gesehen werden.[1] Nach dem folgenden Modell sollten Verhaltensanreize nach den Prinzipien einfach (easy), attraktiv (attractive), sozial relevant (social) und zeitlich klug (timely) gewählt sein.

 
  Was ist zu tun? Warum? Beispiel
Make it easy (Einfachheit)
  • Informationen leicht verständlich aufbereiten
  • Einfachen Zugang zu den Informationen sicherstellen
Menschen bevorzugen Entscheidungen, die einfach und ohne Aufwand zu treffen sind. Das Hinweisschild zur Nutzung der Treppe ist im direkten Blickfeld, es stellt alle Informationen kurz und knapp bereit.
Make it attractive (Attraktivität)
  • Botschaften und Anreize attraktiv formul...

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