Voraussetzungen für einen im Sinne der Begründer von Nudging gut gestalteten Nudging-Prozess sind Transparenz und freie Wahlentscheidungen. Nudging-Angebote müssen immer so transparent und eindeutig interpretierbar sein, dass der Entscheidende souverän seine Entscheidung treffen kann. Die Person darf für ihre Wahlentscheidung keinerlei explizite Beeinflussung oder gar Sanktionen erfahren.

Nudges branchenspezifisch zu gestalten ist eine anspruchsvolle und herausfordernde Aufgabe. Es gibt verschiedene Gestaltungsmodelle und Leitlinien, mit denen konkrete Nudges für die betriebliche Praxis abgeleitet werden können. Bekannt sind die MINDSPACE-Checkliste, das EAST-Gestaltungsmodell und das 4Ps-Framework.[1] Sie alle basieren auf Erkenntnissen der Verhaltenswissenschaften und fokussieren Selbstregulationsprozesse.

Ein interessanter Aspekt und zugleich Effekt eines Nudging-Instruments sind Opt-out- oder Opt-in-Optionen. Bei Opt-out-Optionen gilt das Einverständnis für eine Alternative so lange als gegeben, bis Personen (Beschäftigte, Kunden, Patienten) dieser widersprechen und eine alternative Handlungsoption wählen.

Bei der Opt-in-Option entscheiden sich Menschen bereits im Vorfeld aktiv für eine Handlungsalternative. Es hat sich gezeigt, dass es viel mehr Menschen gibt, die an voreingestellten Optionen festhalten, als Menschen, die aktiv eine Alternativoption wählen.

 
Praxis-Beispiel

Opt-in und Opt-out

Man ist in Ländern wie Österreich oder Belgien automatisch Organspender (Opt-in), solange man sich nicht aktiv dagegen ausspricht (Widerspruchsregelung als Opt-out).

Alle Beschäftigten erhalten einen Termin für einen Gesundheitscheck (Opt-in). Wer nicht teilnehmen möchte, kann sich wieder abmelden (Opt-Out).

Tab. 1 ist eine Zusammenschau der bekannten Gestaltungsempfehlungen. Die Techniken können einzeln oder in Kombination eingesetzt werden.

 
Wirkprinzip Erläuterung Übersetzung in Nudging Möglicher Nudge
Informationsbedürfnis, Interesse an Verhaltensfeedback Menschen brauchen Informationen, um sich zu orientieren und handeln zu können. Auch Feedback über ihr Verhalten ist handlungsleitend.

Informationen in einfache verständliche Einheiten übersetzen, die relevant sind und zeitlich passend vorliegen.

Hinweisschilder plakativ (und interessant gestaltet) im direkten Blickfeld positionieren.
  • Hinweisschild am Aufzug, dass Treppensteigen zwar mühsamer, aber gesünder ist als Aufzugfahren.
  • Aktuellen Strom- und Energieverbrauch anzeigen (Feedback) oder Kalorienverbrauchsanzeige in jedem Stockwerk bei Benutzung der Treppe (statt Aufzug).
Beeinflussung durch den sozialen Kontext und Normen Verhalten entsteht in einem sozialen und kulturellen Kontext. Menschen orientieren sich an Normen, anderen Menschen und wichtigen Gruppen. Verhalten anderer wird als sozialer Referenzpunkt herausgestellt.
  • Mitteilung, dass x % der Kollegen an der Mitarbeiterbefragung teilnehmen.
  • Führungsverantwortliche sind Vorbild: Sie tragen immer PSA, nutzen immer die Treppe ….
Minimierung des Aufwands und Wunsch nach Bequemlichkeit Je größer der Aufwand für ein bestimmtes Verhalten, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass es umgesetzt wird. Den Aufwand so gering wie möglich halten (physisch, Zugänglichkeit einer Option).
  • PSA griffbereit und vor Ort vorhalten (Gehörschutzspender).
  • Verschiedene PSA zur Auswahl anbieten.
Scheu vor Veränderungen Menschen neigen dazu, keine Veränderungen in ihrem Verhalten vorzunehmen und beim Status quo zu bleiben. Automatische Anmeldung zu Aktionen, mit der Option, sich wieder abzumelden oder anders zu entscheiden (Opt-in und Opt-out).
  • Voreinstellungen (Defaults) beim Drucker: es wird immer doppel- statt einseitig gedruckt.
  • Einladung zur Grippeimpfung und deren Terminierung mit der Gehaltsabrechnung mit der Option, sich aktiv abzumelden.
Streben nach innerer Konsistenz Die Diskrepanz zwischen Wissen und Verhalten führt zu unangenehmen Gefühlen (Dissonanz-Erleben).

Freiwillige (Selbst-)Verpflichtungen ermöglichen.

Selbstbindung durch Öffentlichkeit schaffen.
  • Vorlage "Vertrag mit sich selbst" aushändigen: Jede(r) trägt für sich ein, wie oft oder wie oft nicht …. (Treppe, PSA genutzt …).
  • Die Vorlage kann auch für einen spielerischen Wettbewerb im Team genutzt werden.
Suche nach Spaß und Abwechslung Menschen wünschen sich Spaß, Anregungen, Abwechslung und Wettbewerb. Einsatz von spielerischen Elementen (Gamification).
  • Schrittzähler-Wettbewerbe als sportliche Herausforderung.
  • Gewinnspiel bei Teilnahme an Befragungen oder Gesundheitsevents.
Wunsch nach Wohlbefinden Menschen verhalten sich so, dass sie sich persönlich wohl- oder besser fühlen. Gestaltung von positiven Umgebungs- und Umfeldbedingungen.
  • Wohlriechende Seifen in den Sanitäranlagen laden zum Händewaschen ein.
  • Aufenthalts- und Pausenräume werden attraktiv (hell, freundlich) gestaltet, sodass Vermüllung gar nicht erst geschieht.
Emotionen (Affekte) bestimmen unsere Handlungen Emotionen – positive wie negative – haben (unbewusst) einen großen Einfluss auf Entscheidungen. Schaffen vo...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge