Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Rückausgleich der an den geschiedenen Ehegatten im Wege des Versorgungsausgleichs übertragenen Rentenanwartschaften

 

Orientierungssatz

1. Nach § 37 VersAusglG wird ein Anrecht der ausgleichspflichtigen Person auf Antrag nicht länger aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzt, wenn die ausgleichsberechtigte Person verstorben ist und diese das aus dem Versorgungsausgleich erworbene Anrecht nicht länger als 36 Monate bezogen hat.

2. In besonders gelagerten Einzelfällen kann die Stellung eines Antrags im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden (BSG Urteil vom 06. März 2003, B 4 RA 38/02 R). Dieser setzt u. a. die Verletzung einer Beratungspflicht der Behörde voraus.

3. Aus dem Sozialrechtsverhältnis zwischen Rentenversicherungsträger und dem im Rentenbezug stehenden Versicherten folgt für Ersteren keine Beratungspflicht. Die Sozialleistungsträger sind nicht verpflichtet, über alle Rechtsänderungen und Gestaltungsmöglichkeiten individuell zu beraten.

4. Eine Pflicht, in geeigneten Fällen Hinweise zu erteilen, setzt voraus, dass für den Versicherungsträger aus dessen Datenbestand ohne einzelfallbezogene Sachaufklärung erkennbar ist, dass ein abgrenzbarer Kreis von Berechtigten die Anspruchsvoraussetzungen für eine Leistung erfüllt. Zu einer solchen geeigneten, durch gespeicherte Daten hinreichend präzise abgrenzbaren Personengruppe gehört ein Ausgleichsberechtigter nicht.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 28.10.2015 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen (für 32 Monate, Zeitraum vom 1.9.2009 bis zum 30.4.2012).

Der im Dezember 1938 geborene Kläger war von April 1962 bis Juli 1984 mit der im August 1940 geborenen S L verheiratet. Im Zuge des Scheidungsverfahrens wurden 1984 im Wege des Versorgungsausgleichs vom Versichertenkonto des Klägers für die Ehezeit von April 1962 bis Februar 1984 Versorgungsanwartschaften in Höhe von DM 368,90 (umgerechnet 11,5983 Entgeltpunkte(EP)) auf das Versichertenkonto der geschiedenen Ehefrau (im Folgenden: Ausgleichsberechtigte) übertragen.

Die Beklagte gewährte dem Kläger ab dem 1.1.1999 eine um die übertragenen Versorgungsanwartschaften gekürzte Altersrente für Schwerbehinderte (Bescheid vom 22.10.1999). Der Ausgleichsberechtigen gewährte die Beklagte ab dem 1.9.2000 Regelaltersrente unter Berücksichtigung der übertragenen Versorgungsanwartschaften. Nach dem Tod der Ausgleichsberechtigten am 9.8.2003 beantragte der Kläger, ihm unter Rückübertragung der Versorgungsanwartschaften höhere Altersrente zu gewähren. Die Beklagte lehnte den Antrag ab: Der für einen Rückausgleich gesetzlich festgelegte Grenzwert von zwei Jahresbeträgen sei überschritten, da aus der Versicherung der Ausgleichsberechtigten für drei Jahre (nämlich vom 1.9.2000 bis zum 31.8.2003) eine Regelaltersrente geleistet worden sei (Bescheid vom 30.9.2003).

Am 3.4.2012 beantragte der Kläger unter Hinweis auf die zwischenzeitlich (zum 1.9.2009) geänderte Rechtslage die Überprüfung des Bescheides vom 30.9.2003 und die Rückübertragung der auf die Ausgleichsberechtigte übertragenen Versorgungsanwartschaften zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Die Beklagte entsprach dem Begehren ab dem 1.5.2012 und zahlte dem Kläger ab diesem Zeitpunkt eine um 286,26 EUR höhere Altersrente. Die Voraussetzungen für die Zahlung der ungekürzten Rente seien erfüllt, weil die Ausgleichsberechtigte nur für 36 Monate Leistungen aus dem durchgeführten Versorgungsausgleich bezogen habe (Bescheid vom 16.4.2012). Mit seinem Widerspruch machte der Kläger den Wegfall der Kürzung ab Änderung der Rechtslage (= Inkrafttreten des Versorgungsausgleichsgesetztes (VersAusglG) zum 1.9.2009) geltend. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück, weil die Anpassung nach den gesetzlichen Vorgaben erst ab dem ersten Tag des Monats wirke, der auf den Monat der Antragstellung folge. Es habe keine Pflicht bestanden, den Kläger von Amts wegen auf die geänderte Rechtslage hinzuweisen und zu beraten. Die Akte sei zwischen 2003 und 2012 nicht in der laufenden Bearbeitung gewesen. Das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen sei auch nicht mit den Mitteln der EDV aus ihrem Datenbestand erkennbar gewesen (Widerspruchsbescheid vom 2.11.2012).

Mit seiner am 12.11.2012 erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, die Änderung der Verhältnisse sei mit der Änderung der gesetzlichen Regelungen zum 1.9.2009 eingetreten, so dass der Rentenbescheid ab diesem Zeitpunkt aufgehoben werden müsse. Aus dem zwischen den Beteiligten bestehenden Sozialrechtsverhältnis ergebe sich im Übrigen eine Fürsorgepflicht der Beklagten, aufgrund derer diese ihn bei Inkrafttreten einer für ihn günstigen gesetzlichen Neuregelung beraten müsse. Soweit die Beklagte einwende, das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen sei aus ihrem Datenbestand mit den Mitteln der...

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